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© Montage: Andreas Kaleta
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Dezember 2023

Welches Potenzial haben Autos aus China?

Die ersten Autos aus China fahren schon auf unseren Straßen. Werden sie bald die europäischen verdrängen? Marcel Kilic und Kurt Zeillinger sprachen darüber mit Hansjörg Mayr von der Wolfgang Denzel Auto AG.
 

Hansjörg Mayr ist Vorstandsmitglied bei Denzel und damit u.a. für den Import von drei chinesischen Marken zuständig. Was können Autos aus China? Was unterscheidet sie von europäischen? Im ÖAMTC-Podcast gibt er auf diese Fragen Antwort.

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Episode 55

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— Hansjörg Mayr, die jüngste Marke, die Denzel importiert, ist BYD. Was macht diese Marke aus?

hansjörg mayr: Die fortschrittliche Batterietechnologie. Das Unternehmen wurde 1995 als Batteriehersteller gegründet, der Firmengründer und Eigentümer, ein Chemiker, hat damals gesagt, man müsse Batterien entwickeln, die man wieder aufladen kann. Erst später ist BYD auch Automobilhersteller geworden.

BYD Atto 3_Feb23_HE_095_CMS.jpg Erich Reismann © Erich Reismann
BYD Atto 3. Hier geht's zum auto touring-Test.

Noch klingen Marken wie Elaris, Aiways, Nio, BYD, Link & Co, Ora oder Dongfeng für uns exotisch, wir können sie kaum auseinanderhalten. Wie ähnlich sind sich die chinesischen Autos?

hansjörg mayr: Bei BYD gehört die Batterietechnologie zu den wesentliche USPs. BYD setzt ja auf die Eisenphosphatbatterie. Die kann wesentlich mehr Ladezyklen schaffen als konventionelle Batterien. Sie ist hochsicher, auch im Falle eines Kurzschlusses gibt es keine Temperaturerhöhung und damit auch kaum Brandgefahr.

BYD fokussiert auch sehr stark die Unabhängigkeit von Zulieferern, entwickelt auch die komplette Software selbst. Die ist heute das Rückgrat des Autos, im Falle BYD hochmodern, modular und zukunftsfähig. Gerade die Update-Fähigkeit ist immens wichtig, wir kennen das ja von den Smartphones.

Meine Überzeugung ist, dass der Restwert eines Autos tatsächlich davon abhängig sein wird, ob die Software lange Update-fähig bleibt. BYD ist in China mit einem Marktanteil von gut zehn Prozent Nummer eins, bei batterieelektrischen Fahrzeugen liegt der circa 25 Prozent.

— BYD kommt ja aus China. Haben chinesische Autofahrer ein ähnliches Markenbewusstsein wie bei uns?

hansjörg mayr: Die europäischen Hersteller hatten in China über Jahrzehnte einen enorm wichtigen und sehr hochwertigen Status. Aber jetzt macht es tatsächlich einen Unterschied, ob wir von Verbrennern oder von Elektroautos sprechen. In China ist man unglaublich stolz darauf, was man in den letzten Jahren im Bereich der batterieelektrischen Fahrzeuge geschafft hat.

China ist ja mit Abstand der größte und wichtigste Markt für E-Autos. Wenn man in China gut bei Elektroautos ist, ist man auf der ganzen Welt gut. Aber das ist jetzt völlig different bei Autos mit Verbrennungsmotoren. So kauft sich ein Chinese, der viel Geld hat, auf Status aus und global orientiert ist, eine europäische Marke mit Verbrennungsmotor. Aber wenn er ein elektrisches Auto will, kauft er ein chinesisches, weil im Heimmarkt auch betont wird, das das eine Technologie ist, die China besser kann als andere.

Das von Chinas Autokäufern bevorzugte Design trifft nicht den europäischen Geschmack.

Hansjörg Mayr, Vorstandsmitglied Wolfgang Denzel Auto AG

— Sprechen wir über die Optik der Fahrzeuge. Das Design von BYD stammt ja von Wolfgang Egger, einem Deutschen, der schon Designchef bei Alfa Romeo und Audi war. Sind das also Autos, die speziell für Europa gemacht werden – und sehen die für China vielleicht anders aus?

hansjörg mayr: Wolfgang Egger ist tatsächlich unglaublich wichtig bei BYD. Was die chinesischen Hersteller sehr schnell verstanden haben, ist, dass das von einheimischen Kunden präferierte Design nicht den europäischen Geschmack trifft. Deshalb hat man renommierte europäische Designer angeheuert. Wolfgang Egger ist für das gesamte Design von BYD verantwortlich, er hat heute 600 Leute in seinem Team, das er auf 1.000 Designer aufstockt.

— Für wie viele Fahrzeugmodelle?

hansjörg mayr: Er arbeitet an einer unglaublichen Zahl von Projekten. Deshalb baut er auch sein Team auf. Europäisches Design ist das Wichtigste, weil es die erste Hürde ist, über die eine Marke springen muss. Nur wenn die Kunden das Design lieben, kommt man weiter, weil man über das Auto spricht. Wenn das Design aber als nicht adäquat eingestuft wird, dann ist es auf der Stelle vorbei. Deshalb ist das Design tatsächlich die erste Voraussetzung für den Erfolg – und wenn dann alles andere auch passt, ist man sozusagen mit dabei.

W_Egger_2_CMS.jpg BYD Auto © BYD Auto
Wolfgang Egger, Chefdesigner BYD. Seine Karrierestufen führten ihn von Alfa Romeo über Seat, Lancia und Audi zum chinesischen Hersteller.

— Wenn wir Produkte aus China kaufen, schwingen immer wieder Begriffe wie Ethik, Nachhaltigkeit und Moral mit. Sind das auch Themen für Ihre Kunden?

hansjörg mayr: Da muss man zwischen Kunden und Interessenten differenzieren. Kunden haben damit kein Problem, sonst würden sie das Auto ja nicht kaufen. Bei Interessenten ist es natürlich so, dass sie manchmal gewisse Vorbehalte haben oder ein Produkt präferieren, das in Europa gebaut wird. Das muss man auch verstehen und das ist ja auch völlig normal. Wir gehen aber schon davon aus, dass wir sehr bald auch in Europa ein Werk von BYD haben werden, sodass wir auch bei jenen Kunden, die heute Vorbehalte haben, diese morgen ausräumen können.

IMG_5446_CMS.jpeg Kurt Zeillinger © Kurt Zeillinger
Moderator Marcel Kilic (li.) mit Denzel-Vorstand Hansjörg Mayr im ÖAMTC-Studio.

— In Europa gibt es immer weniger erschwingliche Kleinwagen und Kompaktklasse-Modelle. Gerade jetzt drängen chinesische Marken nach Europa. Zufall oder Strategie?

hansjörg mayr: Es gibt eine ganz klare Strategie in China: Das Land möchte bis 2035 an die Spitze kommen und die industriellen Standards definieren. Für den Sektor Produktion hat China ja unglaubliche Vorteile. Wenn man heute etwa eine Autoproduktion in Österreich andenken würde, käme das Produkt sehr viel teurer, weil alles viel mehr kostet. Und natürlich ist für China jetzt der Zeitpunkt sehr gut, weil der Heim-Markt extrem gut entwickelt ist. Die Hersteller wollen Skaleneffekte nutzen, um weiteres Wachstum zu generieren. Dieses Wachstum funktioniert aber nur außerhalb des chinesischen Markts, denn im chinesischen herrscht ein unglaublich harter Wettbewerb. Deshalb tun sich europäische Elektroauto-Hersteller in China sehr schwer.

Deshalb sagen auch viele chinesische Hersteller, lasst es uns in Europa versuchen, das ist einfacher. Außerdem ist Europa für sie global die einzige mögliche volumenbasierte Adresse, weil das Verhältnis zwischen China und USA aktuell nicht das allerbeste ist.

— Welche Rolle spielt die Elektromobilität in China? Ist das eine europäische Idee, auf die China jetzt antwortet?

hansjörg mayr: Ich sehe es umgekehrt, China ist der treibende Markt für Elektromobilität. China hat die Corona-Zeit, als bei uns Stillstand war, extrem genutzt. 2020 gab es eine Million E-Auto-Zulassungen, zwei Jahre später fünf Millionen. Natürlich hat dort auch der Staat mit Förderungen den Markt beschleunigt. Darüber hinaus gibt es eine wirklich sehr, sehr gut ausgebaute Infrastruktur, das Laden auf Parkplätzen ist überhaupt kein Problem, auch in den großen Einkaufszentren gibt es überall Schnelllader. Mitunter haben dort auch die Hersteller selbst eigene Lademöglichkeiten für ihre Kunden. Und es ist natürlich auch ein Vorteil, dass der Strom sehr billig ist. Größere Distanzen werden aber meist mit dem Flugzeug oder dem Zug bewältigt, das Schienennetz ist extrem gut ausgebaut.

— Wie sieht es in China mit Förderungen für E-Autos aus?

hansjörg mayr: Ja, es gibt Förderungen. Und man bekommt für ein E-Auto viel schneller ein Kennzeichen als für einen Verbrenner, für dessen Nummernschild man ein Jahr oder noch länger warten muss. Letztlich geht es auch um den Smog in den Ballungszentren. Die Situation hat sich tatsächlich in den letzten Jahren deutlich gebessert, auch deshalb, weil es keine Benzinmotoren mehr für Mopeds gibt. Die fahren jetzt alle elektrisch. Die Regierung hat den Fokus sehr frühzeitig auf batterieelektrische Technologie gesetzt, weil sie gesagt hat, da sind wir besser und schneller als alle anderen Hersteller weltweit. Es hieß: Wir werden es nicht schaffen, die über 100 Jahre alte Technologieführerschaft anderer Regionen bei Verbrennungsmotoren einzuholen, aber in der Batterietechnologie sind wir Vorreiter.

Ein in Österreich produziertes Auto würde nicht wettbewerbsfähig sein.

Hansjörg Mayr, BYD-Importeur Denzel.

— Wie sieht es mit der Versorgung mit Rohstoffen aus?

hansjörg mayr: China hat einen unglaublichen Vorteil, weil es einen enormen Reichtum an Rohstoffen gibt, die man für die Batterieproduktion benötigt. Und die Arbeits- und Energiekosten sind um 60 Prozent günstiger als in Europa, sagt das Beratungsunternehmen McKinsey. Außerdem werden die Hersteller auch staatlich subventioniert.

— EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das auch untersuchen lassen, weil das ja ein Wettbewerbsvorteil gegenüber heimischen Fahrzeuganbietern ist.

hansjörg mayr: Ja, wenn man günstiger produzieren kann, hat man einen Wettbewerbsvorteil. Wie ich zuerst sagte, würde ein in Österreich produziertes Auto nicht wettbewerbsfähig sein. Aber man sollte ja nicht vergessen, dass man natürlich auch andere Zusatzkosten hat, wie beispielsweise Transport- oder Zollkosten. Schließlich muss jedes Auto, das aus China importiert wird, mit 10 Prozent Zoll beaufschlagt werden. Das ist ja auch eine riesige Einnahmequelle für Europa.

Was die Arbeitskosten betrifft, so sind die in China noch immer günstiger, spielen aber nicht mehr so eine große Rolle, weil der Automatisierungsgrad, insbesondere in der Batterieproduktion, sehr hoch ist. In einer Batteriefabrik arbeiten nur ganz wenige Menschen, und die haben eigentlich nur Kontrollaufgaben.

— Ihr Haus wollte ja eigentlich schon vor 15 Jahren mit dem China-Import beginnen, hat es dann aber doch sein lassen.

hansjörg mayr: Das Warten war eine sehr gute Entscheidung, damals konnten chinesische Fahrzeuge nicht mit den in Europa etablierten befindlichen Marken mithalten. Heute fahren sie nicht hinterher, sondern vorne mit.

MG China 2011_CMS.jpg Peter Pisecker © Peter Pisecker
So sah 2011 ein MG aus China aus…
MG MARVEL_er004_CMS.jpg Erich Reismann © Erich Reismann
… und so heute: MG Marvel (Testbericht).

— Aber waren es nicht europäische Autohersteller, die in den vergangenen Jahrzehnten auch mit Joint Ventures zum Teil mitgeholfen haben, in China die Autoproduktion anzukurbeln? Wer hat da von wem gelernt?

hansjörg mayr: Ich glaube, dass beide voneinander sehr stark profitiert haben. China hat den Markt für europäische und amerikanische Hersteller geöffnet, er ist mit 23 Millionen Autos im Jahr mit Abstand der größte weltweit. Natürlich ist es für europäische und amerikanische Hersteller enorm wichtig, dort präsent zu sein, um entsprechend Volumen zu machen und Geld zu verdienen. China hat es enorm clever gemacht. Die haben damals gesagt, wenn du im chinesischen Markt Fuß fassen möchtest, dann mach ein 50/50-Joint Venture, das zur Hälfte einem chinesischen Hersteller, meistens einem Staatsbetrieb gehört. Dieses System hat über fast vier Jahrzehnte sehr erfolgreich funktioniert, beide Seiten haben voneinander profitiert. Viele Hersteller haben bis zu 40 Prozent ihrer Erträge in China gemacht.

Natürlich haben chinesische Hersteller von den europäischen und amerikanischen viel gelernt, aber andererseits haben auch diese den Zugang zum Markt bekommen. Und diese Phase der gegenseitigen Win-Win-Situation wird jetzt etwas aufgeweicht, weil auch die chinesischen Hersteller sagen, sie sind jetzt reif für eine globale Belieferung, speziell mit batterieelektrischen Fahrzeugen.

Die Chinesen kommen nach Europa, um zu bleiben.

Hansjörg Mayr, Wolfgang Denzel Auto AG.

— Die Denzel-Organisation hat seit vielen Jahren Erfahrung im Autoimport aus Asien. Wie vergleichen Sie die Roll-out-Strategie der Japaner und Koreaner mit dem, was wir jetzt mit China erleben?

hansjörg mayr: In der Kultur sind die Asiaten ähnlich, aber im Detail unterschiedlich. Japan als Produzent von Automobilen ist deutlich traditioneller und auf den Heimmarkt fokussiert. Bei den Marken aus Korea waren die Ambitionen von Beginn an enorm groß, weil das aufstrebende Industrieland– auch gegenüber Japan – beweisen wollte, dass es vieles besser kann. Auch die Firmengeschichte von Hyundai ist eine sehr kurze, 1967 gegründet und mittlerweile global die Nummer fünf.

Wenn wir einen Vergleich zwischen China und Korea ziehen, würde ich sagen, beide Länder sind extrem ambitioniert, stecken sich extrem hohe Ziele. China ist vielleicht noch einen Tick ambitionierter, ernsthafter. Die Chinesen kommen nach Europa, um zu bleiben, wollen in diesem Markt Fuß fassen und wissen, dass er der härteste ist. Sie wissen aber auch: Wenn sie da erfolgreich sind, sind sie überall erfolgreich.

Und natürlich ist ihnen klar, dass die Leistbarkeit neben anderen Attributen im Vordergrund stehen muss. Natürlich geht es auch um Nachhaltigkeit, um einen Beitrag in unserer Klimakrise zu leisten. Das Mindset chinesischer Hersteller geht stark in die Richtung, Teil der Lösung zu sein und nicht Teil des Problems.

— Was können wir von BYD in den nächsten Jahren noch erwarten?

hansjörg mayr: Jetzt haben wir fünf Modelle, bald wird sich das Angebot noch breiter aufstellen. Für uns ist aber entscheidend, dass wir Produkte im Angebot haben, die 70 bis 80 Prozent des Marktes abdecken. In Summe erwarten wir von der Marke BYD, dass wir eine ähnliche, vergleichbare Erfolgsgeschichte hinlegen können, wie wir das mit Hyundai hinter uns haben. Allerdings viel schneller.

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