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© Kurt Pinter
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Oktober 2022

Girls, Boys & Bikes

In spektakulärer Schräglage jagen sie über die Strecke, zwischen den Sessions lernen sie Latein für die Schule. Am Red Bull Ring ging das Saisonfinale der MiniGP Austria Series über die Curbs.

Die ersten Tropfen plätschern auf den Asphalt. Eine Stunde vor dem Start des ersten Rennens zieht sich der Himmel über Spielberg doch noch zu. Obwohl Tobias Kitzbichler eigentlich kein chaotisches Regenrennen gebrauchen kann, reagiert er gelassen: "Ich fahre gern im Regen."

Konkurrentin Anina Urlaß ist hingegen weniger begeistert. Anfang August war sie bei einem Rennen auf nasser Strecke gestürzt, erzählt sie.

Der Vater eines anderen Fahrers meint später: "Es ist halt nicht Schachspielen." Stimmt. Es ist Motorradsport.

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Die MiniGP World Series feierte ver­gangenes Jahr ihre Premiere. Das erklärte Ziel: Über Ländergrenzen hinweg Vergleichbarkeit schaffen, Chancengleichheit bieten.

Deshalb fahren von Irland bis Indonesien auch alle auf den gleichen Maschinen. 15 PS treffen auf die Eigenmasse von 65 Kilogramm plus das Gewicht eines Zehn- bis 14-Jährigen.

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1 Am Bild: kein Schachspiel. © Kurt Pinter

2 Kann keinen Regen gebrauchen, reagiert aber lässig: Tobias Kitzbichler. Seit er acht Jahre alt ist, fährt der gebürtige Tiroler bei Motorradrennen mit. Sein Vorbild in der MotoGP: Jack Miller. © Kurt Pinter

3 Anina Urlaß kommt aus Deutschland, wie viele andere im Starterfeld der MiniGP. Weil im Nachbarland aber keine Serie zustande kam, pendelt man eben nach Österreich. © Kurt Pinter

Dieses Jahr organisierte auch Österreich ­eine MiniGP-Serie: vier Strecken, darunter die ÖAMTC-Fahrtechnikzentren Saalfelden und Melk, fünf Wochenenden, zehn Rennen – und ein Schirmherr. Der ist eine Ikone des Motorradsports: August "Gustl" Auinger.

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© Chromecube Films / MiniGP Austria Series / ÖAMTC

"Wer nicht sät, kann auch nicht ernten. Zu lange wurde diese Altersklasse in Österreich vernachlässigt", erzählt er. Seine Auf­gaben in der Minigp: Tipps geben, coachen, für Fahrer wie Tobias Kitzbichler da sein.

"Als Riding Coach spielt der Gustl eine sehr wichtige Rolle für mich", so der Zwölfjährige in keckem Tirolerisch.

 Gustl Auinger im Gespräch

— Die erste Saison der MiniGP ist vorüber – dein Resümee?

Gustl Auinger:Ich bin schlicht und einfach überglücklich. Die ganze Organisation hat super funktioniert. Und erst das Niveau der Rennen: Wenn du zehn Minuten zusiehst, vergisst du, dass das Mini-Bikes sind. Das ist vollwertiger Motorsport.

— War das bereits von Beginn an so? Wie steil war der Lernkurve bei den Fahrern?

Gustl Auinger: Am Anfang der Saison kamen alle zusammen. Die, die es gut können, und die, die es halt noch ein bisschen besser können. Fynn Kratochwil aus Deutschland, zum Beispiel, war wirklich favorisiert. Doch das Niveau ist immer höher geworden, sodass sich Fynn ganz schön anstrengen musste, um dieser Rolle gerecht zu werden. Aber genau das wünscht du dir ja als Serienbetreiber.

— Seit über 15 Jahren betreust du auch den Red Bull Rookies Cup: Was reizt dich an der Arbeit mit jungen Menschen?

Gustl Auinger: Ursprünglich hätte ich mich beim Rookies Cup um die Technik kümmern sollen. Weil ich Technik liebe, war ich im ersten Moment sogar enttäuscht, als es hieß: Du wirst Fahrercoach. Dabei kann dir weder Aluminium noch Carbon das Gefühl geben, das du hast, wenn du mit 13-Jährigen arbeitest. Oder wenn ein zehnjähriger Bua aus dem Zelt rausgeht und zu einem 67-jährigen, alten Deppen "Danke, Gustl" sagt. Wenn am Sonntag das letzte Rennen vorbei ist, bin zwar ich streichfähig – aber habe auch einen breiten Grinser im Gesicht.

— Welche Chancen rechnest du MiniGP Austria-Meister und -Vizemeister beim Finale in Valencia aus?

Gustl Auinger: Die anderen Fahrer kochen auch nur mit Wasser, aber das sehr gut. Wenn wir mit den Besten der Welt mithalten können, ist das toll. Aber Zielsetzung habe ich im ersten Jahr keine. Dass die beiden Sieger am Finale teilnehmen dürfen, ist einfach eine schöne Belohnung für sie.

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MiniGP-Schirmherr Gustl Auinger posiert, …
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… gratuliert…
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… und inspiziert.

Das erste mal saß Tobias mit vier Jahren auf dem Motorrad. Mit acht fährt er seine ersten Wettkämpfe.

Er hat einen großen Bruder, der ebenfalls Rennen fährt. Der Motorsport liegt in der Familie, das tut er bei so vielen hier im Fahrerlager.

Auch Aninas großer Bruder fährt Motorrad. Sie matcht sich im Infield mit Tobias und Co., er knallt am selben Wochenende im Austrian Junior Cup über den Red Bull Ring.

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Noch etwas haben Tobias und Anina gemein: Während der Deutsche Fynn Kratochwil praktisch unerreichbar auf Platz eins liegt, können sich beide im Finale der Minigp Austria noch den zweiten Gesamtrang sichern – und somit den Startplatz im ganz großen Finale.

Denn Meister und Vizemeister jeder MiniGP-Serie treffen am ersten Novemberwochenende im Rahmen der MotoGP in Valencia aufeinander. Der dortige Sieger sichert sich einen Platz im Nachwuchsprogramm "Road to MotoGP".

Tobias' Herangehensweise für die letzten beiden Rennen: sich aus etwaigen Problemen raushalten und seinen 24-Punkte-Vorsprung gegenüber Anina verwalten.

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Erste Sonnenstrahlen arbeiten sich durch die Wolken und die Tropfen werden weniger. Das wegen des Regens einberufene Zusatztraining vor dem ersten Lauf findet schon wieder im Halbtrockenen statt, für das Rennen wechseln alle auf die Slickreifen.

Jetzt muss es schnell gehen: Motorräder zurück in die Boxenzelte bringen, neue Gummis auf­ziehen – und dann geht's schon an den Start.

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Zuerst schützen Schirme vor Regen, …
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… dann vor der Sonne.

Ein arger Kontrast: Während der Pausen sind die Kinder Kinder, pritscheln mit Wasser herum, spielen Karten, lernen für die Schule. Jetzt liegen sie so schräg in der Kurve, dass ­ihre Knie, teils sogar ihre Ellbogen am ­Asphalt entlang streifen. Sie legen blitzschnell um, rutschen, überholen, stürzen.

Gustl Auinger bringt es auf den Punkt: "Wenn du zehn Minu­ten zusiehst, vergisst du, dass das Mini-Bikes sind."

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Zwischen den Sessions lernt Tudor, ein Rider aus Deutschland, Latein. 
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Während der Sessions räubern sie über die Curbs wie die Großen.
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Und stürzen wie die Großen.

Sieben Zehntel, drei Zehntel, acht Zehntel. Anina verfolgt den in Führung liegenden Fynn, lässt ihm kaum Luft zum Atmen. ­Runde für Runde setzen sich die beiden weiter vom Feld ab.

Vorbei kommt sie nicht. Sie wird 0,28 Sekunden hinter Kratochwil ­Zweite, Tobias wird Vierter.

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Runde für Runde jagd Anina Fynn hinterher, vorbei kommt sie nicht.

Gute Voraussetzungen für das letzte Rennen: Ein siebenter Platz im Finale reicht, um aus eigener Kraft das Ticket nach Valencia zu gewinnen.

Tobias macht's spannend, fällt zwischenzeitlich auf den achten Platz zurück, während Anina ein weiteres Mal den führenden Fynn jagt.

Sie kommt wieder nicht vorbei, er schon, beendet das Rennen auf dem rettenden siebenten Platz. Tobias Kitzbichler wird nach Valencia fliegen.

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1 Gustl Auinger, Serienmeister Fynn und Serienvizemeister Tobias (v.l.n.r.) nach dem Saisonabschluss am Red Bull Ring. © Kurt Pinter

2 Während der Rennen schenken sich die Kids nichts, danach wird fair abgeklatscht.  © Kurt Pinter

3 Tobias (li.) und Fynn fliegen nach Valencia, wo sie sich im Rahmenprogramm des MotoGP-Finales mit den Gewinnern der anderen MiniGP-Serien messen können. © Kurt Pinter

Und danach? Höchstwahrscheinlich wieder in die MiniGP, die Saison 2023 ist gesetzt, am 16. Oktober gab es ein erstes Sichtungstraining am Red Bull Ring. Außerdem will er die 190er-Klasse angehen. Und dann halt weiter hochhanteln, geduldig, Schritt für Schritt, aber mit Blick auf das ganz große Ziel: die MotoGP.

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