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Zugvogel aus dem deutschen Norden: Wenn Thees Uhlmann unterwegs ist, fällt seine erste Wahl auf die Eisenbahn. Hier entstehen Alben. Und Bücher.

© andreas hornoff

Zugvogel aus dem deutschen Norden: Wenn Thees Uhlmann unterwegs ist, fällt seine erste Wahl auf die Eisenbahn. Hier entstehen Alben. Und Bücher.

© andreas hornoff
November 2015

Thees Uhlmann

Der Sänger und Songwriter bereist Neuland: Nach seinen musikalischen Erfolgen hat das norddeutsche Deichkind mit der Zahnlücke im Mund und der Gitarre auf dem Rücken jetzt auch noch einen Roman geschrieben, der "Sophia, der Tod & ich" heißt und die Bestseller-Listen nach oben stürmt. Wir haben ihn zum ausführlichen Interview gebeten.

Der Mann ist ein Phänomen. In Österreich würde man sagen: "Bei dem geht’s auf". Thees Uhlmann, der vielzitierte "Bruce Springsteen vom Deich", hat sich entwickelt: Mit 17 im norddeutschen Kaff Hemmoor eine Schülerband gegründet, die ein paar Jahre später als "Tomte" zur Lieblingsband des deutschsprachigen Indiepop-Publikums avancieren sollte und Mitte der 90er – nicht zuletzt auch dank des heimischen Radiosenders FM4 – unter Ausschluss von jedem, der älter als 25 war, der geheimste Geheimtipp der jugendlichen Hornbrillen-Fraktion wurde. 2011 dann erklärt Uhlmann die Band kurzerhand für tot und veröffentlicht sein erstes Soloalbum. Resultat: unerwartet positive Resonanz sowohl von Fans als auch Medien – ein Album, das ausschließlich aus Hit-Singles besteht und mit dem er vorerst einmal noch die undankbaren Nachmittags-Slots der großen 50.000er-Musikfestivals füllt. 2013 dann das Folgealbum namens "#2": Die Facebook-Fans werden gut fünfstellig, wandern in Richtung 100.000er-Marke, und er ist nur deshalb 2015 beim Wiener Donauinselfest nicht Headliner, weil damals gleichzeitig der österreichische Wanda-Meteorit einschlägt. 

Was dazwischen passiert ist: Das Album "#2" klettert auf Platz 2 der deutschen Charts, Uhlmann ist auf der Bühne regelmäßiger Special Guest bei Kapazundern wie den Toten Hosen, Casper oder Madsen – und nun auf einmal…

… hat er ein Buch geschrieben. Kein typisches Musikerbuch voll weinerlicher Lamenti über die Anstrengungen unterwegs oder eine Tour-Biographie, in der Berufs-"Geheimnisse" verraten werden wie jenes gern strapazierte, dass das große Geschäft niemals im Bus verrichtet werden darf. 

Nein, Thees Uhlmann hat einen fiktionalen Roman geschrieben. Und entgegen allen Erwartungen, dass so ein Vorhaben schief gehen muss, ist das Konvolut namens "Sophie, der Tod & ich" nun in den Top-10 der Spiegel-Bestsellerliste gelandet…

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thees_uhlmann_2015-11_CL_3er1_2.jpg Grand Hotel van Cleef © Grand Hotel van Cleef
Die Posen von Springsteen, das…
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er1_1.jpg Grand Hotel van Cleef © Grand Hotel van Cleef
… Herz aber aus Nord-Niedersachsen.
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er1_3JPG.JPG Christoph Löger © Christoph Löger
Thees Uhlmann. Sänger, Vater, Lebemann.

… über "Sophia, der Tod & ich"

— Thees, wer schon einmal auf einem deiner Konzerte war, weiß, dass du leidenschaftlich gern von Gott und der Welt erzählst und sich dein Publikum oft nicht in einem Rockkonzert, sondern einer Stand-up Comedy wähnt. Nun ist das bisher in Form von vier Minuten langen Songs passiert, jetzt auf einmal gibt es die Uhlmannschen Gedankengänge aber auch auf 300 Buchseiten und du erzählst vom Tod und der Welt. Warum hast du "Sophia, der Tod & ich" geschrieben?

Thees Uhlmann: Weißt du, eigentlich erzähle ich gar nicht so gerne. Aber für die lieben Menschen, die die Eintrittskarten bei meinen Konzerten bezahlen, mache ich das, weil einige Songs einfach kommentiert werden müssen. Ich weiß, dass ich das gut kann, aber nicht mein Gebrabbel ist dabei wichtig, sondern eben der Song. Das Buch hingegen habe ich geschrieben, weil ich Lust auf etwas Neues hatte. Den Vertrag dafür hatte ich ja schon 12 Jahre in der Tasche, und so lange habe ich meinem Verlag auch zermürbt erklärt, dass mir nichts Vernünftiges einfällt. Die waren da überraschend geduldig. (lacht)

Ich bin nicht unbedingt der Typ, der sich selbst im Spiegel bestaunt und wahnsinnig genial findet.

Thees Uhlmann, Musiker

Nachdem 2013 dann meine zweite Solo-Platte rauskam und auf Platz 2 der deutschen Charts kletterte, haben zwei meiner besten Freunde, Rainer und Tobias, gesagt: "So, Thees, und jetzt schreibst du bitte das Buch." Im Endeffekt hab ich’s also nur gemacht, weil sich Leute das von mir erwartet und gewünscht haben. Das hat verdammt viel mit Vertrauen zu tun, weil ich bin ja nicht unbedingt der Typ, der sich selbst im Spiegel bestaunt und wahnsinnig genial findet, so auf die Art: Uhlmann macht tolle Musik, kann spannend sabbeln ("plaudern" auf norddeutsch, Anm.), ist zudem höchst charmant in der TV-Talkshow und so weiter. Wenn aber Menschen, mit denen man eine enge Freundschaft pflegt, sagen: "Schreib jetzt das Buch", dann wäre ich ja dumm, wenn ich nicht auf deren Meinung hören würde! Und nun bin ich unglaublich froh darüber. Es ist schön, mal nicht bei 120 Dezibel in einer verschwitzten Halle zu stehen, wo Max (Markus Perner, Burgenländer, u.a. bei Garish, Anm.), mein österreichischer Schlagzeuger, mir von hinten mit ordentlich Schalldruck-Bumms in den Rücken hämmert, sondern einfach mit so einem komischen Buch in der Hand allein auf die Theaterbühne zu latschen und loszulesen. Da ist bei mir gerade so eine Gefühlsmischung aus archaisch und Gänseblümchen im Kopf unterwegs.

Lesung: 3 Minuten mit Thees Uhlmann

Video: (c) Ingo Pertramer

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… über das Schreiben und das Künstler-Ego

— Beim Lesen von "Sophia, der Tod & ich" kam es mir so vor, als ob du ein großer Freund des assoziativen Denkens wärst. Wo ein Schachtelsatz den nächsten jagt und Sprachbilder entstehen wie "Musik ist das Telefon Gottes". Hast du beim Schreiben einfach so dahingetippt?

Thees Uhlmann: Solche Wortspiele fallen mir einfach ein. Ich wundere mich selbst manchmal und habe noch immer keine Ahnung, was einen Menschen zum Künstler macht. Während der Lesungen bin ich derzeit oft überrascht und denke mir plötzlich: "Oh, da hast du aber eine sehr süße Idee gehabt, Thees!" (lacht) Auf jeden Fall hab ich nicht das getan, von dem man oft hört, dass es gut sein soll beim Buchschreiben – nämlich nur eine Seite pro Tag zu tippen, die dann aber auch so richtig, wirklich, absolut gut zu sein hat. Das funktioniert für mich nicht.

Wenn ich schlechte Laune habe, kann ich gar nicht schreiben. Wenn ich gute Laune habe, schreibe ich 20 Seiten am Stück.

Thees Uhlmann, Autoren-Frischling

Wenn ich schlechte Laune habe, kann ich gar nicht schreiben, wenn ich gute Laune habe, schreibe ich aber 20 Seiten am Stück. Dann wusste ich am Anfang auch nicht, wie die Story überhaupt ausgehen sollte. Ich hab mir nicht die Wände meiner Wohnung mit Notizen vollgepflastert, sondern hab es quasi beim Schreiben geschrieben.

Dann war da auch noch die Sache mit dem Kaffee und dem Nikotin, die den Zustand der Nüchternheit ja verstärken: Das Gehirn ist dann so aufgeballert und die Finger sind auf der Tastatur so schnell, dass dabei einfach was Interessantes rauskommen muss. Und nein, mit Alkohol kann ich gar nicht schreiben, auch keine Musik. Das macht unkonzentriert. Früher oder später landet man dann nämlich bei YouP … Tube, um wahllos Videos zu durchforsten, und hat den Fokus aufs Ziel komplett verloren. Ich spiele nicht einmal gern betrunken Gitarre. (Einwand des Autors: Ach, wirklich? 9.11.2013, Arena Wien)

— Du hast in einigen Interviews zum Buch deine Lektorin erwähnt. Kratzt es am Künstler-Ego, wenn da jemand am Manuskript herumzimmert?

Thees Uhlmann: Nein, überhaupt nicht. Ich halte nichts davon, wenn man Kunst als Opposition um der Opposition Willen betreibt. Es macht nur Spaß, wenn man’s zusammen macht. Wie in einer Band. Außerdem ist das ja auch eine Ehre: Diese Frau, Kerstin, hat als Chef-Lektorin des Verlags schon bestimmt 3.000 Bücher oder so gelesen, und wenn die sich dann mit dem Kram von Johnny Uhlmann aus Nord-Niedersachsen auseinandersetzt, dann ist das für mich ein wahnsinnig tolles Geschenk. Wenn Kerstin gesagt hat: "Seite 42 glaube ich dir nicht, Thees", dann habe ich Seite 42 für sie eben so lange umgeschrieben, bis sie es richtig gut fand.

… über Freundschaft und den Tod

— Was in den letzten Wochen, als du für die Buch-Promotion durch den deutschsprachigen TV-Talkshow-Zirkus getingelt bist, etwas irritierend war: Du wirkst im Fernsehen ziemlich nervös. Bei jemandem, der bei Festivals souverän vor 20.000 Leuten auf einer großen Bühne Musik macht, ist das eine überraschende Beobachtung.

Thees Uhlmann: Das ist so, weil Fernsehen die Seele auffrisst (lacht). Ich bin natürlich nervös wegen dem Buch, weil ich das halt zum ersten Mal mache und dieses Neuland möglichst gut bereisen möchte.

Da sind 14.000 Mädchen, die mich kennen und gut finden, weil ich der dicke, ältere Bruder von Casper bin. So ist das, da kenne ich mich aus, das kann ich, damit spiele ich.

Thees Uhlmann, alternder Rockstar

Oder blöder formuliert: Wenn ich bei einem großen Festival mit meinem Freund Casper da oben auf der Main Stage stehe, sind da 14.000 Mädchen, die mich kennen und gut finden, weil ich der dicke, ältere Bruder von Posterboy Casper bin (lacht). So ist das, da kenne ich mich aus, das kann ich, damit kann ich spielen. Aber beim Fernsehen kann eine 84-jährige Dame ihr Gerät einschalten, und die ist dann empört, weil der doofe Rocker auf dem Bildschirm einen dummen Satz gesagt hat. Und das macht mich dann durchaus nervös.

— Von einem Journalistenkollegen war letztens sehr schön zu lesen, dass sich eine Begegnung mit dir so anfühlt als ob man ein Wimmel-Bilderbuch aufschlagen würde, in dem es unzählige spannende Dinge zu suchen und entdecken gibt. Mich würde umgekehrt interessieren: Was suchst du in Menschen, mit denen du dich gern umgibst?

Thees Uhlmann: Ich glaube, ich bin immer auf der Suche nach geilen Geschichten. Ein Freund von mir zum Beispiel, Uwe, ist sowas wie der Thees-Uhlmann-Allesfahrer. Der bringt uns überall hin, arbeitet im echten Leben aber bei einer Versicherung. Nun ist das wahrscheinlich das unsexieste Business der ganzen Welt, aber wenn Uwe beginnt, Versicherungsgeschichten zu erzählen, sitze ich staunend da und höre zu. Für mich ist das schwierig zu erklären, weil sich das jetzt so anhört, als ob ich aus Menschen nur ihre Erzählungen rauspressen möchte wie so ein schwarzes Loch. Ich gehe im Kopf auch gerade meinen Freundeskreis durch, der total unterschiedlich ist. Mir fällt da noch mein bester Freund in Berlin ein, der in seinem ganzen Leben zwar noch kein einziges Mal betrunken war, aber mit Abstand der verrückteste Hund ist, den ich kenne. Ein Typ eben. Ich denke, ich mag Typen mit Geschichten.

— Der Tod kommt in deinem Buch eigentlich recht sympathisch rüber. Als jemand, mit dem man gerne einmal auf ein Bier gehen möchte. Hast Du im realen Leben Angst vor ihm?

Thees Uhlmann: Ich denke da gar nicht groß darüber nach. Das ist ja das Schöne am Alter und am Vatersein, dass man sich über die Jahre selber sukzessive so richtig egal wird. Ich empfinde das als sehr beruhigend. Ich bin gesund, sollte vielleicht weniger rauchen, aber mir geht’s gut, ich bin glücklich wegen dem, was gerade mit dem Buch passiert, und nein, ich bin einfach nicht der Typ, der Angst vor dem Tod hat. Ich weiß natürlich nicht, wie das in zehn Jahren sein wird, aber vermutlich nicht anders. Ich war nie ein ängstlicher Mensch. 

Wenn du selbst diese drei Minuten hättest, die der Tod im Buch dem Haupt-Protagonisten noch gibt, was würdest du noch machen wollen?
 
Wenn meine kleine Tochter nach einiger Zeit zum ersten Mal wieder auf einem Pferd sitzt, dann hat sie so einen Gesichtsausdruck, wo ich in Tränen ausbrechen könnte. Da ruht sie so in sich selbst, so zufrieden. Diese Mimik möchte ich auf jeden Fall noch einmal sehen. Oder wenn der Kinofilm losgeht und sie voll gespannter Vorfreude in ihre Riesentüte Popcorn greift und losmampft, das ist auch herrlich. Und ich habe den Traum, dass ich in Berlin die Elbe entlang spaziere, wegen eines Termins nicht zum letzten FC St. Pauli-Spiel der Saison gehen kann und im Kopfhörer-Radio höre ich den Moderator sagen: „St. Pauli gewinnt und wird in der nächsten Saison zum ersten Mal international spielen“. Das Gefühl, das ganz alleine dort an der Elbe zu hören, möchte ich vorm eigenen Finale gerne noch erleben. Ernsthaft.
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er2_1.JPG Julia Pachler © Julia Pachler
Wien: "Sabbeln" mit dem Redakteur, …
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er2_2.JPG Klara Trautner © Klara Trautner
… dann Lesung im Stadtsaal, ein…
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er2_3.JPG Julia Pachler © Julia Pachler
… Auftritt ohne Band ist noch ungewohnt.

… über seine letzten 3 Minuten

— Wenn du selbst diese drei Minuten hättest, die der Tod im Buch dem Haupt-Protagonisten noch lässt, was würdest du noch machen wollen?

Thees Uhlmann:

Die Mimik meiner Tochter auf einem Pferd möchte ich auf jeden Fall nochmal sehen.

Thees Uhlmann, Vater

Wenn meine kleine Tochter auf einem Pferd sitzt, dann hat sie so einen Gesichtsausdruck, wo ich in Tränen ausbrechen könnte. Da ruht sie so in sich selbst, so unglaublich zufrieden. Diese Mimik möchte ich auf jeden Fall noch einmal sehen. Oder wenn der Kinofilm losgeht und sie voll gespannter Vorfreude in ihre Riesentüte Popcorn greift und drauf los mampft, das ist auch herrlich. Und ich habe den Traum, dass ich in Berlin, wo ich wohne, die Spree entlang spaziere, wegen eines Termins nicht zum letzten FC St. Pauli-Spiel der Saison gehen kann und im Kopfhörer-Radio höre ich den Moderator sagen: "St. Pauli gewinnt und wird in der nächsten Saison zum ersten Mal international spielen." Das Gefühl, das ganz alleine dort an der Spree zu hören, möchte ich vorm eigenen Finale gerne noch erleben. Ernsthaft.

Exkurs: das Streben eines Tauge-Wichts

Thees_Platzhalter_Block_1.jpg Andreas Hornoff 1
thees_uhlmann_2015-11_CL_Block_2.JPG Grand Hotel van Cleef 2
Thees_Platzhalter_Block_3.jpg Andreas Hornoff 3

1 Möchte man den Charakter Thees Uhlmann in drei Schubladen stecken, in denen er sich wohl fühlt, dann wäre das vermutlich folgendes Triumvirat: Zum einen wurde der Mann für die ganz große Bühne geboren, wo er eines der raren Rockstar-Beispiele ist, das dem einzelnen Fan sogar in einem fünfstelligen Publikum das Gefühl gibt, ein Privat-Konzert zu erleben. © Andreas Hornoff

2 Dann wäre da noch die neue Erfahrung der Lesungen eines Debüt-Autors, der ohne Band und folglich gewohnt doppeltem Boden in ehrwürdigen Theatern einfach nur vorliest (und dort ein rares Beispiel dafür ist, wie ein Bestseller-Autor jedem der Anwesenden das Gefühl gibt, nur für sie oder ihn zu lesen.) © Grand Hotel van Cleef

3 Und dann ist da noch der Fußballplatz. Thees’ Liebe zum Hamburger FC St. Pauli ist für jemanden, der nicht in seinem Kopf wohnt, nur schwer adäquat zu vermitteln. Fakt ist: Nicht nur er mag die Mannschaft, sie mag auch ihn. Sehr, sehr gern sogar. © Andreas Hornoff

… über die Herzensheimat Österreich

— "Sophia, der Tod & ich" würde sich hervorragend für eine Verfilmung eignen, oder?

Thees Uhlmann: Ach, eigentlich wollte ich nur ein unterhaltsames Buch schreiben. Und es sollte eins werden, das sogar, ich weiß nicht, Menschen im Senegal lesen und verstehen können, weil es kommen weder Internet oder Handy noch Städtenamen oder bestimmte Marken darin vor. Eine ganz simple Szenerie ist das, in der sich die Handlung abspielt. Nicht zwingend an Raum, Zeit oder Geographie gebunden. Natürlich, man könnte das aufgrund dieser Einfachheit vermutlich gut verfilmen, aber es gibt überhaupt keine Pläne dafür. Mich hat zwar jemand angesprochen, ob wir uns mal wegen eines Drehbuchs treffen wollen, das habe ich aber in meinem imaginären Ordner mit der Aufschrift "Lass mich in Ruhe" abgelegt. Wenn überhaupt, möchte ich, dass es in Österreich von David Schalko verfilmt wird! (lacht)

— Woher kommt eigentlich dein Faible für Österreich? Du sprichst da immer von "Herzensheimat" und dein Song "Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)" ist eine der schönsten Liebeserklärungen an die Stadt Wien...

Thees Uhlmann:

Ich empfinde in Wien ähnliche Heimatgefühle wie in Norddeutschland, wo ich aufgewachsen bin.

Thees Uhlmann, Halb-Ösi

Als ich vor einiger Zeit wieder mal in Wien war, bin ich mit meiner kleinen Tochter im Park zwischen dem Naturhistorischem und dem Kunsthistorischem Museum spazieren gegangen. Da meinte sie so an meiner Hand: "Hier gefällt’s mir." Ich darauf: "Warum denn, Lisa?" Sie: "Hier ist alles alt, Papa." Das ist eine wahnsinnig passende Reflexion. Ich war aber immer schon Wien-Fan. Ich fühle mich hier wohler als in München, Köln oder sogar Berlin, wo ich heute lebe. Ungelogen. Ich empfinde in Wien ähnliche Heimatgefühle wie in Norddeutschland, wo ich aufgewachsen bin. Und das Lied hab ich deshalb geschrieben, weil ich diesen Satz im Titel, der ja auf einen der alten Flaktürme gepinselt ist, einfach mächtig finde. Sowas auf einen Bunker mit dieser schlimmen Historie zu schreiben, ist stark. Ich mag außerdem die ganzen hochnäsigen Gesten der Deutschen gegenüber den Österreichern nicht besonders, deshalb wurde das von mir umgekehrt, und ein Deutscher schreibt jetzt halt mal einen schönen Song über Wien.

… über das Reisen als Rock-Vater

 Deine Tochter ist noch klein, der Papa viel unterwegs. Tut dir das ständige Wegfahren weh? 

Thees Uhlmann: Das wird überschätzt. Mein Bruder fährt morgens um sieben in die Arbeit und kommt abends um sieben wieder heim, da bin ich als Freiberufler übers Jahr gesehen mehr zuhause. Natürlich, auf Tour sind‘s schon einmal drei Wochen am Stück, dafür kann ich mir den Rest der Zeit frei einteilen.

Ich habe mit meiner Tochter die schöne Tradition, dass ich ihr auf Tour ständig Postkarten schreibe.

Thees Uhlmann, Tourmusiker

Aber klar: Sehe ich meine Tochter so lange nicht, ist das immer so ein Gefühl, als ob mir ein Arm fehlen würde. Wir haben allerdings die schöne Tradition, dass ich ihr jedes Mal eine Postkarte schreibe. Was mittlerweile einen ansehnlichen Stapel ergibt. (lacht)

 Womit reist du auf Tour am liebsten?

Thees Uhlmann: Mit dem Zug. Es ist zwar deutscher Volkssport, sich fürchterlich über die Bahn aufzuregen, aber meine Züge waren bisher immer pünktlich. Wenn ich bei meiner Mutter am Land bin, düse ich aber trotzdem gern mal auch mit dem Auto über leere Straßen zum Deich. Ist Lisa da mit und wir sehen ein Tier, dann bleiben wir stehen und beobachten es. Zwar habe ich im Moment selbst kein Auto, überlege aber, irgend so einen Kleinwagen zu kaufen. Nur nicht für die Stadt, weil in Berlin der Individualverkehr komplett gescheitert ist. Da gibt’s nur Stau, und ich bin öffentlich schneller.

 Apropos Deich: Du bist gerne in deiner Heimatstadt Hemmoor, besuchst deine Mutter, und da raucht ihr traditionell immer eine gemeinsame Zigarette. Hast du ein cooles Elternhaus gehabt?

Thees Uhlmann: Cool? Nein, überhaupt nicht. Meine Eltern sind noch nicht einmal 68er-Generation, und davor gab’s ja doch keine coolen Leute (lacht). Es war damals halt so: die Eltern waren in der Hierarchie da oben und die Kinder dort unten. Der Grund, warum ich mit meiner Mutter heute so gerne Zeit verbringe, ist der, dass wir all unsere Kämpfe bereits früher ausgefochten haben. Man hat einander akzeptiert, wie man ist.

Gefilmt im Elternhaus: der "Fischsong"-Hit

(Die Super-8-Aufnahmen im folgenden Video stammen tatsächlich aus dem Uhlmann'schen Privatarchiv der Eltern und zeigen den kleinen Thees beim Spielen Ende der 1970er-Jahre in dem selben Garten, in dem er 30 Jahre später dieses Video zu seinem ersten Solo-Hit aufnehmen sollte – der übrigens entgegen eingebürgerter Fan-Meinung nicht "Lachse-" oder "Fische-Song" heißt, sondern sperrig "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf". Schöner Sidekick der Musikgeschichte: Nachdem man sich auf den überlangen Songtitel einigte, war Band-intern klar: "Damit kommen wir nie ins Radio, heutzutage hat kein Moderator mehr Zeit, sowas Langes anzusagen". Die Fans haben aber anders entschieden: Allein auf YouTube wurde der Song bisher rund 1,5 Millionen (!) mal angeklickt. Und wenn Sie bis hierher gelesen haben, wird's wohl noch ein Click mehr…

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… über körperliche Lust und Tankstellen

— Du singst in deiner Muttersprache. Ärgert es dich, dass der Erfolg deshalb auf den deutschsprachigen Raum beschränkt ist?

Thees Uhlmann: Nein, gar nicht. Dafür singe ich viel zu gerne auf Deutsch. Ich will ja, dass die Texte so sind, wie sie sind. Auf Englisch könnte ich meine Emotionalität und das genaue Beschreiben der Geschichten, über die ich singe, ja niemals so hinbekommen.

Ich habe mich dazu entschieden, Texte für jene zu verfassen, die an der Tankstelle Benzin verkaufen.

Thees Uhlmann, Springsteen vom Deich

Natürlich würde ich wahnsinnig gerne mal in Japan oder den USA touren, aber die meisten deutschen Bands, die englisch singen, schaffen das ja auch nicht, oder? (lacht)

 Deine Songtexte sind ähnlich verständlich und nachvollziehbar wie jene von Bruce Springsteen, mit dem du gern verglichen wirst. Warum spielst du so gern mit der Sprache?

Thees Uhlmann: Ich habe nie viele Bücher gelesen und war in der Schule nie im Deutsch-Leistungskurs. Es klingt jetzt wie so eine komische Musiker-Antwort, aber wenn ich beim Schreiben bin, geht das schon in der Bereich der körperlichen Lust. Es ist ein bisschen doof und egomanisch, aber man freut sich wahnsinnig, wenn man sich selbst so lange prügelt, bis ein Text auf den Punkt gebracht ist. Und ich habe mich, bildhaft gesprochen, dazu entschieden, für jemanden Texte zu verfassen, der an der Tankstelle Benzin verkauft. Ich weiß, dass der wahrscheinlich lieber so Hitradio-Seelengift hört, aber wenn er zufällig mal Rockmusik hören möchte, dann hab ich Rockmusik für ihn

Momentaufnahmen

thees_uhlmann_2015-11_CL_3er3_2.jpeg Grand Hotel van Cleef © Grand Hotel van Cleef
Albumproduktion in Los Angeles.
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er3_3.jpg Simon Frontzek © Simon Frontzek
"T.U. nach Hause telefonieren."
thees_uhlmann_2015-11_CL_3er3_1.jpg Grand Hotel van Cleef © Grand Hotel van Cleef
Thees, die Gitarre & das Mehr.

Das Buch, die Platten, die Österreich-Termine

"Sophia, der Tod & ich" von Thees Uhlmann ist im Herbst 2015 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen und im Handel erhältlich. Bestellt werden kann es auf der Website des Verlags, bei Uhlmann’s Hamburger Musiklabel Grand Hotel van Cleef oder – sofern man dem Künstler nix gönnt – bei Amazon. Den Roman gibt es nicht nur in Papierform, sondern auch als Hörbuch im audiophilen CD- oder Vinyl-Box-Set-Format (signiert). Die beiden Soloalben von Thees Uhlmann gibt es ebenfalls direkt bei Grand Hotel van Cleef oder bei Amazon.

Die nächsten Lesungen in und um Österreich, bei denen Thees Uhlmann auch persönlich signiert und sich Zeit für ein kurzes "Gesabbel" nimmt:

23.01. Graz, Volkshaus
24.01. Salzburg, Rockhouse
25.01. München, Ampere

Tickets gibt es hier!

thees_uhlmann_2015-11_CL_Fazit_1.JPG Julia Pachler © Julia Pachler
Thees Uhlmann mit auto touring-Redakteur Christoph Löger.

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