Dass das Cabrio inzwischen zu den bedrohten Arten gehört, ist allgemein bekannt. Noch schlimmer steht es um die Gattung der leistbaren Freiluftflitzer. Wobei das Wort "leistbar" hier ohnehin schon mit zumindest eineinhalb zugedrückten Augen verwendet werden muss. Diesseits der 50.000 Euro buhlen lediglich vier Modelle um die Gunst der Kund:innen: Fiat 500e Cabrio, Mazda MX-5, Mini Cooper Cabrio und VW T-Roc Cabrio.

Der MG Cyberster im Test
Der vollelektrische MG Cyberster verspricht großes Freiluftkino für vergleichsweise wenig Geld. Aber 510 PS hin oder her – geht ein zwei Tonnen schweres Cabrio wirklich noch als Roadster durch?

Der MG Cyberster kann mit seinem Einstiegspreis von 59.990 Euro (Aktionspreis: 59.490 Euro) in dieser Liga zwar nicht mitspielen, bietet aber das wohl beste Power zu Preis-Verhältnis aller aktuell verfügbaren Cabrios. Die heckgetriebene Basisversion Trophy bietet 340 PS und vor allem 475 Nm Drehmoment. In fünf Sekunden geht es von null auf 100 km/h. Ähnlich starke Cabrio-Konkurrenz findet man in diesem Preisbereich schlicht nicht. Noch krasser ist die Differenz bei der Topversion GT mit Allradantrieb. Um 67.990 Euro (Aktionspreis: 67.490 Euro) gibt es hier 510 PS und satte 725 Nm Drehmoment – absolute Supersport-Sphären. Ein Sprintwert von 3,2 Sekunden komplettiert ein Paket, das andernorts auf der Preisliste eher mit sechs Stellen notiert ist. Auch wenn der MG Cyberster per se also nicht günstig ist, punktet er doch mit einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis – zumindest in der Theorie. Wie sieht's in der Praxis aus?

Das Gefühl am Steuer
Die 510 PS fühlen sich jedenfalls genauso an, wie sie in der Theorie klingen, nämlich arg. Kraft ist in allen Lebenslagen mehr als ausreichend da. Besonders im Track-Modus, der über die rote Taste am Lenkrad aktiviert wird, ist auch ein wenig Vorsicht geboten, da reagiert der MG Cyberster hypernervös auf Befehle am Gaspedal. Ob letztendlich ein röhrender Sechszylinder-Boxer oder brüllender V8 fehlt, ist eine Frage der persönlichen Präferenz. Dass sich durch die Stille des Antriebs die Umwelt noch direkter miterleben lässt, eine Tatsache. Doch wie sieht es bei der Querdynamik aus? Zwei Tonnen Leergewicht sind auch beim modernsten Fahrwerk nicht wegzuleugnen und meilenweit von dem entfernt, was einen flinken Roadster üblicherweise ausmacht.

Ein federleichtes Fahrgefühl wie beim Mazda MX-5 bietet der MG Cyberster freilich nicht. Zwar liegt er dank der tief verbauten Akkus satt auf der Straße und reagiert auch mit angemessenem Biss auf schwungvolle Lenkmanöver, aber die Fliehkraft zerrt "dank" des Gewichts doch beherzt am Fahrzeug. Dafür ist jeder Kurvenausgang ein echtes Highlight, besonders wenn man den knallroten Trackmodus-Knopf am Lenkrad betätigt hat. Der Cyberster katapultiert sich derart schlagartig nach vorne, dass Vorsicht geboten ist. Trotz Allradantrieb zeigt sich das Heck bei übermäßigem Gaspedaleinsatz nämlich durchaus bewegungsfreudig. Das Fahrerlebnis ist und bleibt ein ganz anderes, als man es von klassischen Roadstern kennt. Doch Emotion und vor allem Spaß kann man dem MG Cyberster keinesfalls absprechen.

Interieur und Komfort
All die Aufregung muss aber nicht sein. Wer im Komfort-Modus unterwegs ist, erlebt den Cyberster als kraftvollen, aber geschmeidigen Gleiter. So lässt sich das Open-Air-Feeling entspannt genießen. Sein hohes Gewicht spielt dem Cabrio hier in die Karten, denn dadurch liegt es ruhig und souverän auf der Straße. Ob Sportler oder Flanierer, das Interieur des Cyberster passt immer dazu. Das Cockpit richtet sich ganz deutlich an den Fahrer und grenzt seinen Hoheitsbereich klar ab. Die Kommandozentrale verzichtet zwar auf einen großen Touchscreen in der Mitte, ist aber dennoch modern eingerichtet. Direkt an die digitalen Instrumente schmiegen sich nämlich rechts und links jeweils ein kleinerer Touch-Bildschirm. Links vom Lenkrad auf einem Screen herumzutippen ist anfangs äußerst eigenartig, auch an das Navi an dieser Position muss man sich auch erst gewöhnen. Rechts können andere Inhalte wie Fahrtdaten, Radio und Co. angezeigt werden. Hinzukommt noch ein kleiner Screen auf der Mittelkonsole, der Klimaanlage und Fahrzeugeinstellungen verwaltet. Den Verzicht auf einen XXL-Bildschirm kompensiert MG also mit vier kleineren. Sicher nicht jedermanns Geschmack.
Doch dank des großzügigen Einsatzes von Alcantara im getesteten Cyberster GT, dem sportlichen Lenkrad und dem dynamisch geschnittenen Cockpit fühlt sich der elektrische Roadster unterm Strich doch nach einem Driver's Car an. Die beiden Sitze sind ebenfalls mit Alcantara sowie Kunstleder bezogen und bieten ordentlich Halt, ohne zu unnachgiebig zu sein.

Design: Zwischen Klassik und Moderne
Zu einem richtigen Roadster gehört selbstredend ein attraktives Äußeres. Bei Front und Silhouette hat MG sich für einen eher klassischen Auftritt entschieden: Geschwungene Linien und markante Radhäuser schaffen ein zeitloses Design, die Schmetterlingstüren passen gut zum nostalgischen Charme. Doch das Heck sorgt für einen krassen Stilbruch. Das durchgehende Lichtband passt sich an den aktuellen Trend an und die pfeilförmigen Leuchten darunter verstärken den kantigen Eindruck zusätzlich. Natürlich, Geschmäcker sind verschieden und der Allerwerteste des Cyberster ist auf seine Art auch wieder knackig. Doch irgendwie sitzt das Cabrio mit diesem zwiegespaltenen Design im Endeffekt zwischen den Stühlen. Andererseits soll ein Roadster ja auch ein wenig polarisieren und nicht aalglatt in der Masse verschwinden. Diese Tugend hat MG jedenfalls mit dem Cyberster ins Elektro-Zeitalter übersetzt. Emotionen weckt das Fahrzeug garantiert – sowohl beim Fahrer als auch beim Betrachter.
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