Ein Auto steht in einer stark gekühlten Klimakammer
© Hyundai Motor Group
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November 2025

Korea im Herzen Europas

Die Hyundai Motor Group erweitert ihr Entwicklungszentrum in Rüsselsheim um den neuen Square Campus: Hier wird mit Hightech die Zukunft der Marken Hyundai, Kia und Genesis geformt.

Schon seit dem Jahr 2003 ist die Hyundai Motor Group (HMG) in Rüsselsheim bei Frankfurt am Main präsent. Zusätzlich zum bestehenden Circle Campus des Hyundai Motor Europa Technical Center (HMETC) wird nun allerdings auch direkt gegenüber im brandneuen Square Campus auf der anderen Straßenseite geforscht, entwickelt und getestet. Die Eröffnung des hochmodernen Entwicklungszentrums erfolgte im April 2025, bei unserer Besichtigung Anfang November betont Tyrone Johnson, Geschäftsführer des HMETC, allerdings noch, dass der Vollbetrieb erst im Laufe des Jahrs 2026 erreicht werden wird.

150 Millionen Euro hat die HMG investiert, um die zwei luftig-lichtdurchfluteten Gebäude von der Konzerntochter Hyundai Engineering bauen zu lassen. Freilich samt diverser Nachhaltigkeitsfeatures wie Photovoltaikmodulen, Wärmepumpensystemen und recycelter Materialien. Inklusive der Einrichtung werden die Kosten rund 200 Millionen Euro betragen. Im gesamten HMETC werden in Zukunft etwa 500 Menschen arbeiten – allesamt Zahlen, die ein gewichtiges koreanisches Investment in Europa widerspiegeln.

Außenansicht des roten HMETC Rüsselsheim Gebäudes © Hyundai Motor Group
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Es gibt mehrere Gründe für die Expansion des Entwicklungszentrums in Rüsselsheim: Einerseits stößt die Zentrale in Namyang mit ihren 15.000 Mitarbeitern langsam an die Grenzen ihrer Kapazität. Doch Johnson sieht das keineswegs als Not, sondern vielmehr als Tugend: "Wenn du in Europa erfolgreich sein kannst, kannst du überall erfolgreich sein." Denn nirgendwo sonst auf der Welt gibt es auf so engem Raum so viele verschiedene Anforderungen an ein Auto – sei es Klima, Geografie oder Mentalität. "Den Europäer schlechthin gibt es nicht, das macht die Entwicklung für Europa so komplex", fasst Werner Peter, Head of Electronics Development im HMETC, zusammen.

Die Arbeit vor Ort beschränkt sich übrigens nicht nur auf die Abstimmung der aus Korea kommenden Fahrzeuge auf die hiesigen Märkte beziehungsweise auf die Produktion der in Europa hergestellten Modelle. Gerade die neuen State-of-the-Art-Technologien in Rüsselsheim ermöglichen es dem Team, wichtige Aufgaben zu übernehmen, von denen der Konzern weltweit profitiert. Einen kleinen Spoiler gibt David Labrosse, Direktor der Produktplanung im HMETC, außerdem preis: Beim Thema Hochleistungsfahrzeuge wird das HMETC in Rüsselsheim in Zukunft mitunter federführend sein.

Tyrone Johnson Porträt © Hyundai Motor Group
Tyrone Johnson, Geschäftsführer des HMETC.

Was wird im HMETC Rüsselsheim gemacht?

Doch zurück in die Gegenwart: Auf unserer Tour durch den 25.000 Quadratmeter großen Standort bekommen wir anhand von sieben Stationen einen umfassenden Überblick über die Aufgaben des neuen Entwicklungszentrums.

  • Einrichtung zur Entwicklung von Elektroniksystemen wie Over-the-Air-Updates, Cybersecurity und Fahrerassistenzsysteme (ADAS)
  • EV-Ladelabor samt Klimakammer zur Perfektion der Ladetechnik
  • Zwei Emissionsprüfstände, auf denen Geschwindigkeiten bis 260 km/h und Temperaturen von –40° bis 50° Celsius simuliert werden können
  • Ein Leistungsprüfstand für Autos mit bis zu 1.600 kW Leistung, ebenfalls von –40° bis 50° Celsius kühl-/beheizbar
  • Die größte halb-anechoische Kammer der HMG für NVH- (Noise, Vibration, Harshness) und Vorbeifahrgeräuschprüfungen bis zu 160 km/h ohne lästige Windeinflüsse oder andere störende Faktoren

Der Dynamic Driving Simulator im HMETC

Zwar sind alle genannten Stationen mit modernster Technik bestückt und dementsprechend auch zukunftssicher konzipiert, doch das Prunkstück der Einrichtung fehlt noch: Die Räumlichkeiten, in denen ab Mitte 2026 einer der fortschrittlichsten Dynamic Driving Simulatoren der Welt stehen wird, sind aktuell noch eine Baustelle. Doch Tyrone Johnson erklärt schon jetzt: "Dank dieses Simulators können wir bei der Entwicklung eines Modells ab Tag eins den menschlichen Faktor einbeziehen. Und das, obwohl wir weniger auf teure Prototypen angewiesen sein werden."

Die Frage, ob virtuelle Abstimmung schon jetzt Tests auf der Straße ersetzen kann, verneint er jedoch: "Aus heutiger Sicht ist es unmöglich zu sagen, wann 100-prozentig virtuelle Entwicklung möglich sein könnte. Fest steht aber: So wie vor 40 Jahren brauchen wir auch heute noch etwa viereinhalb Jahre Entwicklungszeit für ein Auto. Aber die Fahrzeuge sind in dieser Zeit um ein Vielfaches komplizierter geworden. Unterm Strich sind wir also deutlich effizienter geworden und müssen diesem Kurs auch in Zukunft folgen." Der Dynamic Driving Simulator wird der dritte seiner Art in der Hyundai Motor Group sein, punktet aber als der größte und leistungsstärkste bisher. Hier wird auch Arbeit geleistet werden, deren Ergebnisse in der Zentrale in Korea gebraucht werden.

Wenn du in Europa erfolgreich sein kannst, kannst du überall erfolgreich sein.

Tyrone Johnson, Geschäftsführer HMETC

Die Leiter des HMETC im Gespräch

Doch nicht nur die neuen Technologien in Rüsselsheim machen das HMETC für den ganzen Konzern unverzichtbar. David Labrosse hält fest: "Wir können in Europa verschiedenste Testbedingungen auf vergleichsweise engem Raum nutzen – von der deutschen Autobahn über die Alpen bis hin zu verwinkelten französischen Altstädten, von der Hitze Spaniens bis hin zur Kälte am Polarkreis. Und auch der Nürburgring ist als Teststrecke unersetzlich für uns."

So komplex die Gesetzgebung rund um Emissionen und Sicherheitsassistenten in der EU auch ist, für einen globalen Konzern wie die Hyundai Motor Group haben die damit einhergehenden Herausforderungen auch eine gute Seite: "Die Gesetzgebung in der EU ist zwar hochkomplex, aber nimmt auch eine Vorreiterrolle ein. Von Thema Sicherheit über Schad- bis hin zu Problemstoffen in der Produktion können wir hier die Speerspitze für den Konzern bilden und Korea außerdem perfekt am neuesten Stand halten. Außerdem ist und bleibt Europa für uns ein essenzieller Markt, wir wollen hier unbedingt vertreten sein", bekräftigt Klaus Köster, Director Planning & Project Management.

Werner Peter ergänzt: "Wir binden europäische Einflüsse von Anfang an stark in unsere Projekte ein. In Zukunft können wir uns mit den neuen Facilities noch besser auf euro-zentrische Modelle fokussieren."

Das bedarf einer ganz besonderen Art der Arbeit, wie Stefan Fuchß, Director Engineering Vehicle Development, betont: "In Europa müssen wir viele Geschmäcker unter einen Hut bringen. Schließlich können wir ein Auto nicht dutzendfach für die verschiedenen nationalen Märkte abstimmen. Bei unserer Marktforschung bauen wir daher nicht nur auf Kundenfeedback und lesen durchaus auch in einschlägigen Online-Foren mit, sondern erfassen darüber hinaus ganz gezielt Meinungen und Bedürfnisse von Menschen, die mit unseren Fahrzeugen noch keine Berührungspunkte hatten."

Michael Winkler, Director Powertrain Development, beantwortet schließlich noch eine Frage, die uns unter den Fingernägeln gebrannt hat: Ist die grandiose N E-Shift-Funktion, beispielsweise aus dem vollelektrischen Hyundai Ioniq 5 N bekannt, eine europäische Erfindung? Schließlich ist das Feature mit den simulierten knallharten Schaltvorgängen in seiner "Spaß vor Effizienz"-Philosophie so gar nicht typisch koreanisch. Winkler lacht und bestätigt: "Tatsächlich hat vor allem Albert Biermann (früherer BMW-Ingenieur und quasi Vater der Hyundai N-Modelle, Anm. d. Red.) dieses Feature aus Rüsselsheim bis zur Konzernspitze gepusht." Zu Recht, denn das herrlich unvernünftige Vergnügen kommt auch im Heimatland von Hyundai super an. "Wenn man mich damals gefragt hätte, ob wir so etwas brauchen, hätte ich Nein gesagt. Zum Glück hat mich niemand gefragt", erzählt Winkler mit einem Augenzwinkern.

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