Die Hauptstadt Baden-Württembergs ist Stuttgart, aber der ideale Start für eine Kultur- und Kulinarik-Reise im Südwesten Deutschlands ist Mannheim, gefolgt von drei weiteren Städten.
Der 60 Meter hohe Wasserturm in Mannheim.
© Helmut EcklerDer 60 Meter hohe Wasserturm in Mannheim.
© Helmut EcklerKultinarik in vier Städten
Baden-Württemberg besticht durch Kunst-, Technik- und Kulturgeschichte – und durch kulinarische Genüsse. Die besten Besichtigungs- und Genuss-Tipps für vier Städte.
1. Quadratestadt Mannheim
Wegen der rechtwinklig angelegten Innenstadt trägt die Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Neckar den Beinamen „Quadratestadt“. Es gibt keine klassischen Straßennamen, sondern Adressangaben auf Basis der Quadrate, zum Beispiel A 3, 1–4a. Für Außenstehende ist das kaum zu durchschauen.
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Am Rand der Innenstadt steht der Sitz der Kurfürsten, das zweitgrößte Barockschloss Europas. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts war die Stadt eines der geistigen und kulturellen Zentren Europas, nachdem Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz Künstler und Forscher aus aller Herren Länder versammelte. Schiller war erster Hausautor, seine „Räuber“ wurden hier uraufgeführt. Mozart musizierte in Mannheim – fand zwar keine angestrebte Anstellung am Hof, dafür aber die Liebe: Konstanze Weber.
Im 19. Jahrhundert nahm die Stadt so richtig Fahrt auf: Werner von Siemens nahm den ersten elektrischen Personenaufzug in Betrieb, Carl Benz erfand das Motor-Dreirad, Karl Drais das Lauf- bzw. Fahrrad.
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Wir durchstreifen die Mannheim, rasten im urigen Gasthaus „Rheinterrassen“ und probieren einen lokalen Klassiker: Wurstsalat mit Pommes – eine gewöhnungsbedürftige Kombination.
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Die Küche ist international, seit der Kurfürst Fachleute und Arbeiter aus ganz Europa und Asien holte; Mannheim präsentiert sich heute multikulturell und „multikulinarisch“. Türkische Spezialitäten gibt es in „Klein-Istanbul“ im Stadtzentrum.
1969 erfand Dario Fontanella als 17-jähriger das heute weltweit bekannte Spaghetti-Eis. In seinem Eissalon schildert er ausführlich, dass ihn die nudelartige Präsentation von Kastanienreis auf die Idee brachte: Vanilleeis als Nudeln, Erdbeersauce als Sugo, weiße Schokolade draufgerieben als Parmesan. Wir probieren das Original – ein süßer Traum.
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In der Konditorei Herrdegen kosten wir „Mannemer Dreck“. Den kultigen, würzigen Lebkuchen erfand ein Konditor 1822 als humorvollen Protest gegen die neue Verordnung, alle Straßen müssten sauber gehalten werden. Damals erinnerte der Lebkuchen optisch an einen Dreckhaufen, heute ist er ein mit Schokolade überzogener Taler.
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Kulinarischer Höhepunkt des Tages: Casual Fine Dining auf dem Oberdeck des historischen Museumsschiffs am Neckarufer. Im Restaurant „The Tourist Trap“ kocht Sternekoch Dennis Maier in legerer Atmosphäre und überrascht mit feinen, großteils fleischlosen, raffinierten Kreationen, die sich als wahre Geschmacksexplosionen entpuppen.
Danach – es ist schon dunkel – spazieren wir durch den Jungbusch. Das ehemalige Hafenarbeiter- und Rotlichtviertel ist heute ein angesagter, multikulturell geprägter Szenetreff. Wir landen im „Tap Room“, einem Bierlokal, in dem zahlreiche Sorten aus aller Herren Länder ausgeschenkt werden; jeder wählt aus der umfangreichen Karte vier Biere, die in kleinen Gläsern auf einem Brett serviert werden – spannend, wie unterschiedlich Gebrautes schmecken kann.
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2. Nächste Station: Schwetzingen
Die Kleinstadt Schwetzingen ist ebenfalls eng mit dem Kurfürsten verbunden, hier lag seine Sommerresidenz. Das Barockschloss mit dem weitläufigen, geometrisch angelegten Park sollte auf keinen Fall verpasst werden. Besonders beeindruckend sind die vielen Skulpturen und Brunnen sowie außergewöhnliche Gartenarchitekturen wie das kleine Naturtheater mit Apollotempel, das Römische Wasserkastell mit Aquädukt, die einzigartige Gartenmoschee und der geheimnisvolle Merkurtempel.
Der Fürst liebte Spargel und veranlasste, das „königliche Gemüse“ in großem Stil anzubauen. Noch heute ist Schwetzingen eines der Spargelzentren Deutschlands. Wir speisen im kleinen Spitzenlokal „Möbius“ des gebürtigen Leipzigers Tommy R. Möbius, der einige Zeit im Restaurant „Fabios“ in der Wiener Innenstadt kochte. Was er aus Wien mitnahm: Kochkunst – und seine Frau Elli, mit der er das Restaurant betreibt. „Kochen mit Liebe, Lust und Leidenschaft“ ist das Motto – und genau das können wir bei jedem Gang schmecken, wobei jetzt, im Frühling, der Spargel eine Hauptrolle spielt.
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3. Mittelalterliche Universitätsstadt Heidelberg
Heidelberg steht für eine ganze Epoche: die Romantik. Über der Altstadt, die zwischen dem Südufer des Neckar und dem Abhang des Königstuhls liegt, thront die Schlossruine. Das alte Gemäuer inspirierte Dichter wie Achim von Arnim, Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano genauso wie die Maler Carl Rottmann, Carl Philipp Fohr, Ernst Fries und William Turner.
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Um 1870 erfand der Chocolatier Fridolin Knösel den „Studentenkuss“, einen Schokoladetaler, den ein Verehrer der Dame seines Herzens überreichen lassen konnte, weil die Gouvernanten das direkte Ansprechen untersagten. Die Chocolaterie in der Haspelgasse gibt es noch immer, und der Studentenkuss ist ein süßes Gedicht.
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Im Karzer, dem Studentengefängnis der alten Universität, ging es weniger romantisch zu. Den sollte man unbedingt besichtigen: Die Graffitis und Texte an den Wänden dokumentieren, dass es für Studenten bis 1914 zum guten Ton gehörte, zumindest einmal hier eingesessen zu sein. Die gängigen Delikte waren unter anderem nächtliche Ruhestörung, Trunkenheit, schlechtes Benehmen, das Zerschlagen von Straßenlaternen und anderer städtischen Einrichtungen oder Nacktbaden in Brunnen oder im Neckar.
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Die Konditorei Schafheutle mit ihrem beschaulichen Gastgarten ist eine Institution in Heidelberg. Im Frühling ist besonders viel los, denn dann hat die fruchtig-säuerliche Rhabarbertorte Saison. Und in der Neugasse gibt es seit 1986 den Zuckerladen, ein Paradies für Schleckermäuler. Zuckerl, Lakritz, Kaugummi in allen Facetten, Gummi- und Schaumzuckerzeug sowie längst vergessen geglaubte Süßigkeiten werden hier verkauft. Und wie früher kann an einer Wand voller bunt gefüllter Gläser gustiert werden, um sich die persönliche süße Mischung im Papierstanitzel zusammenstellen zu lassen.
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4. Pforzheim, die Goldene Stadt
Um 1768 wurden eine Uhren- und Schmuckfabrik und gleichzeitig die erste Berufsschule für Goldschmiede und Uhrmacher gegründet – aus Italien, Frankreich und der Schweiz holte man Spezialisten aus beiden Bereichen. In der Blütezeit im 19. Jahrhundert stammten in Deutschland schließlich rund 90 Prozent des Schmucks aus Pforzheim, was der Stadt den Beinamen „Goldene Stadt“ einbrachte. Heute finden sich – abgesehen von großen Produzenten – überall Schilder von kleinen Goldschmiede- und Uhrmacherwerkstätten.
Im Schmuckmuseum sind Uhren und Schmuck aus Jahrtausenden, aber auch moderne Exponate zu bestaunen. Es wird die Frage „Was ist Schmuck?“ gestellt und mit Exponaten aus unterschiedlichen Materialien beantwortet – von Gold, Silber und Edelsteinen über Keramik, Stein und Pflanzengeflechte bis hin zu Ausstellungsstücken aus Horn, Holz und Leder.
In Pforzheim wird ein „Kulinarischer Spaziergang“ geboten. Kleingruppen gehen mit Guide-Begleitung durch die Stadt, erfahren Wissenswertes und machen immer wieder Halt bei historischen Gebäuden und in Restaurants, Cafés oder Bars. Die Routen sind immer anders und orientieren sich daran, welche Lokalitäten gerade geöffnet haben.
Wir genießen im „La Trinacria Gourmet“ von Pizza-Weltmeister Francesco Salamone dessen WM-Pizza.
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Danach landen wir im vietnamesischen Kaffee- und Teehaus „Caphe“, wo wir saftiges Bananenbrot probieren. Im „Café Roland“ in einem 1950er-Jahre-Turmbau, der heute zur Kunsthochschule gehört und dessen Inneneinrichtung noch original aus den 1950ern stammt, erfrischen wir uns mit einem Rosenwasser-Cocktail. Der Sightseeing-Bummel führt uns an Monumenten, Skulpturen und historischen Gebäuden vorbei schließlich ins „Oh Zoe“, wo wir asiatische Spezialitäten verkosten.
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Reich an Eindrücken aus vier sehr unterschiedlichen Städten kehren wir nach Österreich zurück – und um einige Kilogramm schwerer.
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