Martinigansl_Burgenland_©BMLFUW_Rita Newman_CMS.jpg Burgenland Tourismus – Rita Newman
© Burgenland Tourismus – Rita Newman
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November 2017

Gans anders

Noch schnattern sie, aber bald geht es den meisten von ihnen an den Kragen: Auf der Suche nach dem authentischen Martinigansl im Burgenland. 

Ob im Kühlregal des Supermarkts, auf der Speisekarte des Eckbeisls oder in unzähligen TV-Kochshows – alles dreht sich jetzt um die Gans. Was den Amerikanern ihr Truthahn zu Thanksgiving, scheint für uns Mitteleuropäer das Martinigansl zu sein. Schon weit vor dem Martinstag, dem 11. November, beginnt allerorten die Ganslzeit.

Wie es zu dem Festival fürs Federvieh kam? Nicht aus den touristischen Gründen, die heute oft dominieren – nämlich Leben in eine an sich tote Saison zu bringen. Sondern aus Erinnerung an eine Legende über den Heiligen Martin: Den wollten die Bürger von Tours im französischen Loiretal im vierten Jahrhundert zu ihrem Bischof wählen – gegen dessen Willen. Denn der asketische und bescheidene Mann hielt sich unwürdig für solch ein hohes Amt versteckte sich deshalb in einem Gänsestall. Doch die Gänse schnatterten so aufgeregt, dass er gefunden und geweiht werden konnte.

Aber war das ein Grund, das Geflügel gleich zu verspeisen?

Eine andere Legende berichtet von einer in die Kirche watschelden Gänseschar, die Martin bei seiner Predigt störte. Die Tiere sollen eingefangen und zu einer Mahlzeit verarbeitet worden sein. Das kommt dem Martinigansl unserer Tage schon näher.

Ein anderer, historischer Erklärungsversuch des Brauchs hat nur indirekt mit dem Heiligen Martin zu tun. In Zeiten des Lehenswesens mussten die Bauern zum Martinstag eine Abgabe entrichten. Und die bestand häufig, erraten, aus einer Gans. Und weil der Martinstag oft mit Musik und Festtagsschmaus verbunden war, bot es sich an, gleich eine weitere Gans als Festessen zuzubereiten. Aber soweit in die Vergangenheit wollte ich nicht wirklich recherchieren.

Um ehrlich zu sein: Ich wollte ein knusprig gebratenes Gansl genießen, nicht mehr und nicht weniger. Kein gestopftes, also während der Aufzucht zwangsernährtes und dadurch (fett-)leberkrankes Exemplar, sondern eine heimische Weidegans (in Österreich ist diese Art von Gewalt-Mast verboten). Über die wollte ich mehr erfahren. 

Ich bekam einen Tipp: "Fahr von 13. bis 15. Oktober ins Burgenland nach Rust, dort bist du beim Gans Burgenland-Genussfestival mitten im Thema. Und vielleicht triffst du dort auch auf einen Typ mit langen Haaren und wallender weißer Toga herum, der weiß alles."

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Der Oberhirte und seine Weidegänse

"Früher, ja da gab es im Burgenland noch mehr Gänse als Einwohner", erzählt Siegfried Marth, der am Masihof in Hagensdorf bei Strem im Burgenland Weidegänse züchtet. "Heute entspricht die Zahl der von den Bauern gezüchteten Exemplare nur noch der der Bevölkerung von Eisenstadt und Rust, zusammen also rund 15.000." Damals wurden die Tiere noch gestopft und gewürgt, damit der Mais-Schmalzbrei schneller den Magen erreicht und die Leber bei der Verdauung auf das drei- bis siebenfache Gewicht anschwellen lässt. Das ist heute verboten. Erlaubt ist nur noch die Intensivmast (binnen 12 Wochen auf das Schlachtgewicht, dabei kaum Auslauf) – aber sie wird bei uns kaum angewendet.

Dafür setzen die meisten Züchter auf die Weidegans. 19 davon sind es, die ihre Vögel im Burgenland im Freien halten, sechs davon nach streng biologischen Richtlinien. 

Marth ist einer von ihnen. 2002 hat er seinen Hof auf Bio umgestellt. Zur Zeit hat er noch die Hälfte seiner 500 Gänse, die andere Hälfte – bis auf drei – wird bis St. Martin geschlachtet. Verkauft sind praktisch schon alle.

Wie kommt er eigentlich zu den Tieren? "Ich kaufe sie einer steirischen Brüterei als einen Tag alte Gössel – so nennen wir die Küken – um etwas mehr als fünf Euro ab."

Da schau her – die burgenländischen Gänse sind eigentlich Steirer.

Es komme aber nicht auf die ursprüngliche Herkunft, sondern auf die Haltung an, meint Marth, denn: "Nach acht Wochen, wenn sie voll befiedert sind, dürfen sie erstmals auf die Weide. Jedes Tier hat dabei viel Platz, etwa ein Fußballfeld für 100 Gänse." 20 Wochen dürfen sie auf der Weide verbringen – dann sind sie auf ihr Schlachtgewicht von 3,5 bis vier Kilo herangewachsen. "Die somit bratfertigen Gänse sind somit sieben Monate alt, ihr dunkles und fettarmes Fleisch ist besonders geschmackvoll", sagt Merth, "und es verliert beim Braten nur ganz wenig Gewicht."

Gerichte von der Weidegans

Apropos Braten – nach dieser Theoriestunde wäre so ein klassisches Gansl angebracht. Mal schauen, wo ich eines finde. (M)ein Traum: sich am Ruster Ganslfest von Stand zu Stand kosten. Ich mache mich also auf den Weg.

Auf der Suche nach dem echten Martinigansl

Die Martinigans verfolgt mich schon sehr lange, seit meinen journalistischen Anfängen. Als junger Radioreporter machte ich im Herbst 1981 mein erstes Promi-Interview ausgerechnet zu diesem Thema – mit dem damaligen Vizekanzler Fred Sinowatz als Gesprächspartner. Der erwies sich als gar nicht kompliziert, erklärte mir, dass er sein Gansl am liebsten mit Rotkraut und Erdäpfelknödel esse und verriet mir zum Abschluss, dass er gleich anschließend ins Burgenland auf ein Gansl fahre, das er zusammen mit dem burgenländischen Bischof verspeisen wolle.

So ein klassisches Gansl hatte ich mir für heute vorgenommen. Ein Freund hatte mir Max Stiegls Restaurant "Gut Purbach" im gleichnamigen Ort empfohlen. Nichts wie hin.

Wirklich wunderbar, das Gansl in Purbach. Das Fleisch der Weidegans war so mürb, dass ich es mit der Gabel zerteilen konnte, es war zart und gar nicht fetttriefend.

Ob man irgendwo so eine Gans kaufen kann, um das daheim nachzukochen? Nur schwer, sagte mir nach dem Essen ein Experte. Ja, einige ganz teure Lebensmittelgeschäfte und Spezialitäten-Marktstände führen Weidegänse aus dem Burgenland, aber nur in homöopathischen Mengen. Man kann auch welche vorbestellen, einige Züchter bieten dann sogar Events für Selbstabholer. Googeln ist also angesagt.

Oder eine Tour ins Burgenland. Denn da gibt es aktuell viele Möglichkeiten, ein gutes Gansl zu genießen. Von Auskennern wurden mir ein paar ganz konkrete Einkehr-Tipps genannt. Etwa das "Fritz", das neue Domizil, das das Team des Neusiedler Restaurants "Nyiokospark" um Fritz Tösch in Weiden am See im Seebad bezogen hat, oder das "Da Capo", das jetzt an Töschs früherem Standort am Neusiedler Nyikospark eingezogen ist. Oder das Gasthaus Zur Dankbarkeit in Podersdorf mit dem angeschlossenen Heurigen. Um einen solche kulinarischen Ausflug zu planen, empfehle ich die eigene Gansl-Website von Burgenland-Tourismus.

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