Enzinger_Fritz_2017-01_M16_4920_neu_CMS.jpg Porsche AG
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Januar 2017

Pionier und Prototyp

Spirit, Speed und Steirerbluat: Fritz Enzinger hat mit Liebe, Leidenschaft und Leistung die deutsche Traditionsmarke Porsche in Rekordzeit zurück nach Le Mans und auf die Siegerstraße geführt.

Das gerollt-kehlige „Rrreeschpekt“ verrät: München ist sein Lebensmittelpunkt, den Bayern-Kickern drückt er die Daumen. Aber auch Sturm Graz, wie er eilig einwirft. Fritz Enzinger ist Steirer aus Oberwölz. Die Nähe zum Österreichring hat ihn schon früh der wahren Liebe näher gebracht: dem Motorsport. Nach Jahren als leitender Logistiker von BMW in Formel 1 und DTM ist der sympathisch-hemdsärmelige Fritz heute bei Porsche Vizepräsident des Langstrecken-Prototypen-Projekts, berichtet direkt dem Porsche-Vorstand: Hauptsächlich über Erfolge, denn er hat die Marke Porsche im Fullspeed-Modus dorthin zurückgebracht, wo sie hingehört, wo sie gefehlt hat: nach Le Mans.

Mittlerweile haben Enzingers 919er-Proto­typen schon drei Weltmeisterschaften in der Langstreckenserie WEC eingefahren, der World Endurance Championship. Doch nach dem Ausstieg des Konzern-Rivalen Audi ist das Match Diesel gegen Benzin Geschichte und die Serie unter Druck.

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Weissach: Porsches Techno-Basis für Le Mans

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— Zwei Teams aus dem gleichen Konzern in ein- und derselben Serie. Was war die Idee dahinter?

Fritz Enzinger: Ferdinand Piëch sagte damals: "Warum sollen wir nicht zwei unterschiedliche Konzepte aus unserem Konzern – Benzin und Diesel – gegeneinander fahren lassen?" Es ging um Porsche, die Marke, die den Langstreckensport über Jahre geprägt hatte. 2011 fiel dann die endgültige Entscheidung: Porsche wird nach Le Mans zurückkehren. Der letzte Porsche-Gesamtsieg 1998 lag schon zu lange zurück.

— Der Name Porsche allein erzeugt schon Gänsehaut. Dazu Ferdinand Piëch als Protagonist, der Druck muss enorm gewesen sein.

Fritz Enzinger: Genau das hat mich gereizt. Ich erinnere mich gut, als ich das erste Mal im Porsche-Museum war, die unglaubliche Erfolgsgeschichte der Marke gesehen habe. Von dem Moment an hatte ich wirklich Druck. Aber ich wusste auch, wenn ich es mit Porsche schaffe, dann… Egal, damals sagte ich zu meinen Leuten: "Die nächsten Le Mans-Gesamtsiege gehören uns."

Bei ehrgeizigen Projekten wie der Porsche-Rückkehr nach Le Mans gibt es keinen ersten Schritt. Alles muss sofort und parallel laufen.

Fritz Enzinger, Motorsport Top-Manager Porsche

— Bei null anzufangen, mit dem sprichwörtlichen weißen Blatt Papier – was war da der erste Schritt?

Fritz Enzinger: Es gibt keinen ersten Schritt. Alles muss parallel laufen. Das Wichtigste ist, alles im Kopf zu haben: von der Entwicklung über die Tests bis zum Renneinsatz. Es gab eine Handvoll Leute, von denen ich wusste, dass sie mit mir gehen würden. Aber es gab keine Infrastruktur, kein Bürogebäude. Anfangs arbeiteten wir auf vier Häuser aufgeteilt, später in einem Containerdorf. Da waren wir wenigstens alle zusammen. Wir brauchten auch einen Simulator, Werkstätten und natürlich Personal. Zeitgleich gab es immer wieder Reglement-Diskussionen mit der FIA und dem Le Mans-Veranstalter.

Der emotionale Weg zurück nach Le Mans

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Phase 1: Ehrfurcht
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Phase 2: Enttäuschung
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Phase 3: Erleichterung

— Die Formel 1 rekrutiert ihr Personal hauptsächlich in England. Ihr auch?

Fritz Enzinger: Die Porsche Rennabteilung besteht aus 265 Mitarbeitern aus 22 Nationen. Ein Drittel davon kommt aus dem Konzern, den Rest haben wir weltweit unter Langstrecken- und Formel-1-Leuten gesucht und gefunden. Formel 1 deshalb, weil das Entwicklungs-Tempo nirgendwo höher ist.

— Aber dass gleich das erste Jahr des Wiedereinstiegs fast einen Le Mans-Sieg gebracht hätte, damit war nicht zu rechnen, oder?

Fritz Enzinger: Dass wir im ersten Jahr in Le Mans nach 22 Stunden in Führung lagen, hatte mit Ausfällen der Konkurrenz zu tun. Aus eigener Kraft hätten wir das nie geschafft. Wir waren noch nicht so weit, aber es war ein wichtiger Lernprozess: Von da an gab es eine noch akribischere Vorbereitung. Vier 30-Stunden-Tests, 8.200 km – die eineinhalbfache Le-Mans-Distanz –, alles ohne Probleme. Da gehst du mit breiter Brust mit beiden Autos in die 24 Stunden. Was nicht heißt, dass du auch gewinnst. 

— Wird Motorsport in Zukunft mit Brennstoffzellen, Batterien oder weiter mit Verbrennungsmotoren stattfinden?

Fritz Enzinger: Das eine schließt das andere nicht aus. Unterschiedliche Konzepte in sportlichem Wettstreit sind immer spannend. Ideal wäre, wenn wir das Reglement für Brennstoffzellen-Prototypen so hinbekommen, dass alle eine Chance haben.

Le Mans onboard im Porsche 919 Hybrid

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— Ist die Relevanz für die Serienproduk­tion in der WEC höher als in der Formel 1?

Fritz Enzinger: Wenn es im Rennsport einen Technologie-Träger für die Serie gibt, dann ist es der Langstreckensport, sprich die WEC. Ich kann das nach zehn Jahren in der Formel 1 beurteilen. Allein unsere heutige Batterie-Technologie, unser Wissen im Hochvolt-Bereich erzeugt – nach der Entscheidung, ein Porsche-Elektroauto zu bauen – in Weissach einen immensen Kommunikationsfluss. Die Kollegen der Motoren-Erzeugung sind an unserer Zellen-Technologie und der Abgasenergie-Rückgewinnung höchst interessiert. Die gibt es für die Serie ja noch gar nicht. Und sie ist trotz kürzester Entwicklungszeit standfest geworden. 

— Als es darum ging, Piloten für die Prototypen-Klasse LMP1 zu finden, fragten sich viele Österreicher: Warum Mark Webber und nicht Richard Lietz?

Fritz Enzinger: Ich kenne Mark aus meiner Formel-1-Zeit. Als ich zu Porsche wechselte, sagte er spontan: "Bei euch würde ich gerne fahren." Ich hab sofort gemerkt, er meint es ernst. Also habe ich geantwortet: "Wenn du noch einmal ein Team so wie Red Bull mitentwickeln willst, nicht erwartest, dass alles von Anfang an perfekt läuft, dann bist du bei uns richtig." Mark entpuppte sich als Gewinn, wurde Weltmeister. Als Markenbotschafter ist er sowieso ein toller Typ, mit super Statements, eine echte Persönlichkeit eben. Und was Richard Lietz betrifft: Alle GT-Fahrer hatten ihre Chance. Bei den Test waren andere schneller – und wir haben entsprechend entschieden. 

— Apropos: Wie sehen Sie die Formel 1 mit Zuschauerschwund und dem ständigen Jammern, sie sei zu leise, zu fad, zu einseitig?

Fritz Enzinger: Die Formel 1 ist unverändert top. Phasen, in denen Teams dominierten, gab es immer. Vor Mercedes war es Red Bull, davor Ferrari. Mercedes hat die Hausaufgaben am besten gelöst. Und wenn ich ein gutes, siegfähiges Auto habe, dann will ich auch so lange wie möglich Erfolg haben und mir nicht durch eine Reglementänderung wieder alles abwürgen lassen.  Was die schwindenden Zuschauerzahlen betrifft, so gibt es alleine auf dem Red Bull Ring so viele andere Events: Konzerte, Formel 1, DTM und MotoGP. Die Fans haben aber nur das Budget für maximal ein Ereignis. In China etwa haben wir das gleiche Problem wie die Formel 1. Die Rennstrecke in Shanghai ist überdimensioniert, und wenn dann nur 25.000 Zuschauer, also ein Fünftel der Kapazität, an die Strecke kommen, dann schaut das optisch schlimm aus.

— Bleiben wir beim Red Bull Ring. Mit dem Ausbau der alten Westspange könnte man auch Langstrecken-Rennen durchführen. Ist es vorstellbar, dass die WEC nach Österreich kommt?

Fritz Enzinger: Unser Bestreben ist, die Kosten der WEC nicht explodieren zu lassen, dazu gehört auch eine limitierte Anzahl an Rennen. Wir haben uns auf eine Maximalzahl von zehn geeinigt. Aktuell fahren wir neun, davon ist Europa mit vier Rennen eh schon gut vertreten. Als Herstellersicht ist es wichtig, dass wir auch in Japan, China, Nordamerika und im Mittleren Osten fahren.

—  Was war dran an dem Gerücht, dass Juan Pablo Montoya im Le-Mans-Porsche fährt?

Fritz Enzinger: Juan kenne ich noch aus meiner BMW-Zeit, danach haben wir uns aus den Augen verloren. Nach seinem McLaren-Intermezzo ist er wieder in die USA zurückgegangen. Und nach unserem zweiten Le Mans-Sieg gratulierte er uns über Twitter. Und dann ist er plötzlich zu unserem Rookie-Test nach Austin gekommen. Top vorbereitet, auch was die Technik betrifft. Okay, ein bissl übergewichtig war er schon. Beim Einsteigen hab ich mir gedacht: Das wird eng. Aber wir haben ihm das Auto gut abgestimmt und er ist auf Anhieb saugute Zeiten gefahren. Er und das ganze Team hatten Spaß, weil er immer gut drauf ist und Blödsinn im Kopf hat. Aber wir haben kein drittes Auto für ihn. Bis dato gelang es ja nur einem Piloten, die drei Klassiker Indianapolis, Formel 1 in Monaco und Le Mans zu gewinnen: Graham Hill. Montoya hätte also nur noch Le Mans gefehlt.

— Zurück zu Le Mans: Was bedeutet der Ausstieg von Audi für die WEC? Ist der Diesel im Rennsport damit tot?

Fritz Enzinger: Der Ausstieg von Audi kam für uns alle überraschend. Was er für die WEC-Serie bedeutet, ist nicht absehbar. Ganz sicher ist das nicht das Ende der LMP1-Prototypen. Wenn der Dieselmotor nur in unserer Serie einsetzbar ist, dann ist die Diesel-Ära vermutlich zu Ende.

— Motorsport muss sich in der heutigen Zeit immer wieder rechtfertigen. Wo sehen Sie den Motorsport in zehn bis fünfzehn Jahren?

Fritz Enzinger: Motorsport wird sich anpassen müssen. Unser WEC-Reglement ist da Vorreiter: unterschiedliche Konzepte im fairen Wettstreit. Innovationen, die in kurzer Zeit unter extremen Bedingungen erprobt werden. Dafür muss sich sicher niemand rechtfertigen. 

Fritz Enzinger – der Porsche-Pionier

  • Geboren am 15. 9. 1956 in Oberwölz
  • Fährt 1970 zur Formel 1 auf den Österreichring: Autos und die Hysterie um Jochen Rindt faszinieren ihn. Also studiert er Technik an der HTL.
  • Beginnt 1981 seine 28-jährige Laufbahn bei BMW-Motorsport als Fahrwerks-Ingenieur. Feiert später als Logistik-Chef Erfolge in der GT-WM, Le Mans und der Formel 1.
  • Bereitet den Porsche-LMP1-Einstieg für 2014 vor. Porsche gewinnt bereits im Jahr darauf und 2016 Le Mans und die Langstrecken-WM. 

Porsche auf dem Weg nach Le Mans

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