Eine Person in blauem Hemd und grauer Hose lehnt an einem türkisen Microcar, das vor einem Eissalon in der Stadt parkt, und isst Eis.
© Sebastian Weissinger
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Juli 2025

Das Dolce Vita ist nicht immer einfach

In Mailand oder Paris sind Microcars weit verbreitet, in Österreich hingegen echte Exoten: Mit dem Topolino wagt Fiat jetzt den Einstieg in den heimischen Markt. Eine erste Ausfahrt.
 

Man könnte den Fiat Topolino-Fahrbericht exakt so beginnen, wie jenen des Microlino von vor ziemlich genau einem Jahr. Damals schrieben wir, dass von Sportkombi bis Luxuslimousine kaum ein Fahrzeug eine derartige Resonanz generiert, wie das Microcar aus der Schweiz. Und dass man deshalb nicht schüchtern sein dürfe. Für den Fiat Topolino in der Dolcevita-Variante gilt das gleich doppelt, denn: Das Fahrzeug hat keine Türen. Man sitzt also im Schaufenster der Neugier, für alle frei sichtbar. Und auch sonst fehlt es dem Italiener so an einigem. Was man konkret vermisst und was der Fiat Topolino im Gegenzug bietet, fanden wir bei einer Fahrt zu einem Eissalon auf der Hietzinger Hauptstraße, im dreizehnten Wiener Gemeindebezirk heraus.

Bevor wir uns aber dem Dolce Vita vollends hingeben, muss noch ein wenig Theorie sein.

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Eine Person fährt mit einem türkis-schwarzen Microcar, das anstelle von Türen braune Flechtkordeln hat, über eine Straße, die an einer grünen Wiese und Bäumen entlang führt.
© Sebastian Weissinger

Topolino in Fahrzeugklasse L6e

Der Fiat Topolino ist kein Auto, sondern ein leichtes vierrädriges Kraftfahrzeug (Fahrzeugklasse L6e). Das bedeutet einerseits, dass der Topolino bereits mit einem Führerschein der Klasse AM (Mopedführerschein) und somit ab 15 Jahren bewegt werden darf. Anderseits darf der kleine Italiener auch nur 45 km/h schnell fahren. Der Fiat Topolino ist kurze 2,54 Meter lang, aber ganze 1,53 Meter hoch, was ihm seine putzige Würfelform verschafft. Seine Konkurrenten sind Fahrzeuge der Marke Aixam oder sogar Mopeds, vor allem aber gibt es mit den technischen Geschwistern Citroën Ami und Opel Rocks Electric hausinternen Mitbewerb.

Ein türkises Microcar steht auf einer einspurigen Straße, die von Bäumen umgeben ist. © Sebastian Weissinger
Der Fiat Topolino ist ein leichtes vierrädriges Kraftfahrzeug.

Fiat Topolino: die technischen Daten

Wie die beiden Letztgenannten leistet auch der Elektromotor des Fiat Topolino 6 kW/8,2 PS – mehr darf in der Fahrzeugklasse L6e auch nicht sein. Gespeichert wird die Energie in einem Akku mit einer Netto-Kapazität von 5,4 kWh, laut WMTC (das WLTP für Motorräder) sind damit maximal 75 Kilometer Reichweite möglich. Das Wiederaufladen dauert rund vier Stunden, da der Fiat Topolino maximal 2,3 kW Ladeleistung packt. Das Ladekabel ist im Fahrzeug beifahrerseitig integriert, wer an einer Typ-2-Station laden möchte, braucht einen Adapter.

Ein türkises Microcar steht auf einer Straße, die von Bäumen umgeben ist. © Sebastian Weissinger
Ein echter Blickfang, auch von hinten.

Topolino in Dolcevita-Version ohne Türen

Aber jetzt: Andiamo, auf geht’s. Den Topolino gibt es in zwei Versionen, für den Ausflug zum Eis wählten wir standesgemäß die Dolcevita-Version. Die zeichnet sich durch eine Einstiegsleiste mit "Dolcevita"-Schriftzug und dem aufrollbaren Dach auf. Vor allem aber gibt es halt in dieser Variante keine Türen, sondern Flechtkordeln. Klar: Beim Eis-Holen an einem herrlichen Sommertagerl ist das schon ein ganz spezielles Lebensgefühl. Doch was an Dolce Vita-Vibe gewonnen wird, geht an Praktikabilität verloren – Stichwort Schlechtwetter.

Eine Hand hält ein Ladekabel in der Hand, das in der Tür eines türkisen Microcars integriert ist. © Sebastian Weissinger
Das Ladekabel ist in die Karosserie integriert. Was fehlt, ist ein automatischen Kabelaufroller, womit das Ganze zu einem ordentlichen Gewurstel wird.

Viel Hartplastik

Was fällt beim Erstkontakt noch auf, außer, dass das Ding keine Türen hat? Die kosteneffiziente Materialauswahl. Das beginnt bei der Außenhaut der Karosserie, die aus Kunststoff gefertigt ist, und endet beim Interieur, das – Sie haben es erraten – Großteils aus Kunststoff besteht. Ein Highlight, das das Gesamterlebnis Topolino abrundet, ist die völlig unverkleidete Lenkstange. So direkt ist Technik sonst nirgends mehr sichtbar. Ansonsten? Drei Tasten zum Wählen der Fahrstufe, eine mechanische Handbremse, die Taste zum Aktivieren der Warnblinkanlage, einen Lenkstockhebel – mehr Bedienelemente gibt es nicht.

Innenraum eines Microcars. © Sebastian Weissinger
Der Innenraum des Topolino ist vor allem in der Dolcevita-Version besonders luftig…

Zubehör bei Fiat Topolino

Was vermutlich daran liegt, dass es keine weiteren Funktionen gibt, die bedient werden könnten. Jegliche Assistenten, Fahrstabilitätssysteme wie ABS und ESP, Komfortfeatures wie elektrische verstellbare Seitenspiegel, Airbags – all das fehlt im Fiat Topolino. Und im Dolcevita entfällt auch noch die einstufige Lüftung, was bei einem Fahrzeug ohne Türen freilich Sinn ergibt. Dafür gibt es als Zubehör für 38 Euro einen mobilen Ventilator. Und eine Handyhalterung sowie optional Bluetooth-Lautsprecher für 55 Euro vermitteln den Hauch eines Infotainmentsystem.

So fährt sich der Fiat Topolino

Okay, genug über das Fahrzeug im Stand gesprochen. Der Hauptgang startet, die Secondi Piatti. Also: Wie fährt sich so ein Fiat Topolino? Für die Geschwindigkeitsspanne, in der man sich mit dem Topolino (zwangsweise) bewegt, sind 8,2 PS überraschend ausreichend. Weil die Servolenkung fehlt, ist der Kraftaufwand beim Parken und Rangieren hoch. Und das Fahrwerk ist brettlhart und leitet Stöße fast ungefiltert weiter. Absorbiert werden diese leider auch nicht von den Sitzen, die dem Fahrwerk in Sachen "Brettlhärte" in Nichts nachstehen. Sämtliche stoßdämpfende Aufgaben werden demnach allein von des Fahrers und Beifahrers Bandscheiben übernommen. Aber hey: Für die "Eisbudl" und retour tut es das schon.

Eine Person parkt ein türkises Microcar, das anstelle von Türen Flechtkordeln hat, längs ein. © Sebastian Weissinger
Beim Parken ist Kurbeln die Devise.

Querdynamik? Dass ein technisch ähnlicher Citroën Ami in der Loews Kurve in Monaco umkippte, jene Haarnadel, in der die Formel 1 die langsamste Geschwindigkeit über den gesamten Rennkalender "erreicht", schafft nicht gerade Vertrauen. Unsere Empfehlung: Außerhalb von Notsituationen sollte man sich vom Grenzbereich noch ein Stück weiter fernhalten, als man das in einem Pkw mit vorteilhafteren Abmessungen, ABS und ESP tun würde.

Eine Person fährt mit einem türkis-schwarzen Microcar, das anstelle von Türen braune Flechtkordeln hat, über eine Straße, die an einer grünen Wiese und Bäumen entlang führt. © Sebastian Weissinger
Querdynamisch kam der Topolino auf dem Weg zum Eissalon nicht an seine Grenzen – und das ist gut so.

Was der Fiat Topolino gut kann

Ist der Fiat Topolino also ein schlechtes Auto? Piano, piano! Er ist ja erstens kein Auto, womit Kritik über das Fehlen von vielen Features oder Ausbleiben eines gewissen Langstrecken-Komfort obsolet wird. Und zweitens (und jetzt wird’s subjektiv): Hach, sieht der nicht herzig aus? Die Heckscheinwerfer im vertikalen Design, die runden Kulleraugen vorne, die Farbe, die Seile, das Dach, die Form. Im Fiat Topolino Dolcevita staut man sich nicht an einem verregneten Dienstag im November ins Büro in Wien. Im Fiat Topolino holt man an einem lauen Sommerabend das Date zum Pasta essen ab – und zwar an der Almalfi-Küste. Dieses Lebensgefühl transportiert das Microcar. Zumindest mir.

Fiat Topolino: Fazit und Österreich-Preis

Zurück zum Rationalen: Beide Versionen des Fiat Topolino kosten 9.980 Euro. Sonderausstattung gibt es keine, Zubehör sehr wohl. Mit rund 300 Euro ist der Heck-Gepäckträger am teuersten. Zur Einordnung: Seine Konzerngeschwister sind etwas günstiger, ein Aixam e-Minauto Access mit 11.390 Euro teurer, ein Microlino Lite, würde er denn einmal nach Österreich kommen, wohl wesentlich teurer. Und dennoch: So ganz lässt sich die Stimme im Kopf nicht abdrehen, die flüstert: "Für 10.000 Euro bekomme ich halt schon einen ordentlichen Gebrauchtwagen." Womit es am Ende auf jene Frage hinausläuft, die sich im Leben doch viel zu oft stellt: Höre ich auf meinen Kopf – oder folge ich meinem Herzen?

Eine Person mit grauer Hose und blauem Hemd entfernt sich von einem türkisen Microcar steht auf einer Straße, die von Bäumen umgeben ist, und blickt auf das Fahrzeug zurück. © Sebastian Weissinger
Ein letztes Mal den Hals verdrehen, wie das so viele Passant:innen getan haben – und das war's mit dem Fahrbericht.

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