Thaler_c_pristach.jpg Matthias Pristach, Stokesix Agency
© Matthias Pristach, Stokesix Agency
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Oktober 2023

Auf der Suche nach Mehrheiten

EU-Abgeordnete Barbara Thaler erzählt von den Aufgaben im Verkehrsausschuss des Europaparlaments und gibt Entwarnung für ältere und jüngere Fahrzeuglenker:innen.

Ein Großteil der Arbeit von Abgeordneten, sei es im österreichischen Nationalrat oder im Europäischen Parlament, findet in Ausschüssen statt. Dort werden komplexe Materien diskutiert und Gesetzesentwürfe vorbereitet.

Die Tiroler EVP-Abgeordnete Barbara Thaler (41) gibt einen Einblick in die Arbeit des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments, kurz TRAN.

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Als einzige österreichische Abgeordnete sitzen Sie als Hauptmitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN). Welche Gesetzesvorhaben werden dort aktuell diskutiert?

Barbara Thaler: Am wichtigsten ist gerade das Gesetz über die transeuropäischen Verkehrsnetze. Nicht nur, weil ich dazu selber Hauptberichterstatterin des Parlaments bin, sondern weil hier die Grundlagen unseres Kontinents zu der Frage gelegt werden, wie wir uns privat und beruflich fortbewegen.

Dann führen wir gerade eine sehr heiße Diskussion zum Thema Single European Sky. Es geht dabei darum, dass Flugzeuge nicht zickzack durch Europa fliegen müssen, da könnte man sehr viel CO2 einsparen. Die Mitgliedsstaaten werden wir noch überzeugen müssen, aber das wäre meiner Meinung nach eine klassische Win-win-Situation.

Außerdem diskutieren wir über neue Regeln für Busfahrer, über Änderungen der höchstzulässigen Maße und Gewichte für Lkw, über Kapazitäten für die Eisenbahn­Infrastruktur und über Emissionen im Verkehrsbereich. Darüber hinaus geht es auch um maritime Aspekte, aber da sind eher meine Kolleginnen und Kollegen aus Mitgliedsstaaten mit Meerzugang zuständig. Als Tirolerin kann ich eher mit Wasser im gefrorenen Zustand etwas anfangen.

Und natürlich beschäftigt uns die Führerscheinrichtlinie. Der Verkehrsausschuss bearbeitet ein sehr breites Themengebiet, schlussendlich geht es immer um Mobilität.

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Europäisches Parlament in Strasbourg.

Stichwort Führerscheinrichtlinie: Die Kommission hat Einschränkungen für ältere Fahrzeuglenker und -lenkerinnen vorgeschlagen. Worauf müssen wir uns gefasst machen?

Barbara Thaler: Wenn man sich die Vorschläge der Kommission samt Begleitdokumenten ein bisschen genauer anschaut, erkennt man deutlich, dass es eigentlich keinen statistischen Nachweis gibt, dass ältere Menschen nur aufgrund ihres Alters als Verkehrsteilnehmer unsicherer unterwegs wären.

Ich glaube nicht, dass verpflichtende Maßnahmen ab 70 Jahren im Gesetz stehen werden. Das wäre meiner Meinung nach Altersdiskriminierung.

Barbara Thaler, Abgeordnete zum Europäischen Parlament

Auf jeden Fall wird den Mitgliedstaaten die konkrete Ausgestaltung überlassen bleiben. Das kann von einer freiwilligen Selbsteinschätzung bis zu verpflichtenden medizinischen Checks reichen. Die Bandbreite, wie die Mitgliedstaaten laut Kommissionsvorschlag damit umgehen können, ist sehr breit. Aus persönlicher Sicht glaube ich, dass verpflichtende Maßnahmen ab 70 Jahren nicht im Gesetz stehen werden. Das wäre meiner Meinung nach Altersdiskriminierung.

Auch für junge Lenker findet sich im Ausschussbericht ein Vorschlag massiver Einschränkungen. Welche genau sind das und wie stehen Sie dazu?

Barbara Thaler: Die Berichterstatterin des Ausschusses, die Französin Karima Delli von den Grünen, hat ihren Bericht kürzlich vorgestellt, aus dem ich deutlich herauslese, dass sie das Autofahren so schwer wie möglich machen will. Nicht nur für ältere, sondern auch für jüngere Autofahrer. Aber wenn man sich informell im Parlament umhört, kann ich von keiner Fraktion besonders viel Zustimmung erkennen.

Ein konkretes Beispiel: Delli schlägt vor, dass der normale B-Führerschein auf Fahrzeuge mit 1.800 Kilo beschränkt sein soll, und will eine neue Kategorie B+ für schwerere Autos einführen. Damit würde man für viele Familienautos und vor allem auch Elektroautos eine eigene neue Lenkerberechtigung brauchen. Aber war es in der Realität jemals ein Problem, dass jemand mit B-Führerschein ein Auto lenkt, das mehr als 1.800 Kilogramm hat? Wir werden auf Ausschussebene versuchen, das wieder auf eine neutrale und praktikable Regel zurückzubringen. Delli will auch l17 abschaffen und die Möglichkeit streichen, dass die Mitgliedsstaaten gewisse Führerschein-Kategorien für jüngere Menschen öffnen dürfen.

Aber keine Sorge, das ist nur der Vorschlag der Berichterstatterin im Ausschuss. Dafür gibt es keine Mehrheiten, noch nicht einmal im Ausschuss selbst. Wir haben noch gar nicht begonnen, das innerhalb der Fraktionen zu verhandeln.

Europaweit fehlen Lkw- und Bus-Lenker. Sind Maßnahmen gegen diesen Personalmangel geplant?

Barbara Thaler: Ja, definitiv, das ist mir persönlich ganz wichtig. Wir könnten das Führerschein-Alter heruntersetzen oder Fahrer aus Drittländern anwerben. Es gibt auch erfolgreiche Programme in einigen Mitgliedsländern, zum Beispiel Irland und Schweden, wo man Schulabbrecher und -abbrecherinnen gezielt anspricht, ihnen diesen Beruf vorschlägt und damit eine sinnvolle Aufgabe und auch die Möglichkeit gibt, gut zu verdienen.

In Zukunft wird das Problem vielleicht auch die Technik lösen, vielleicht übernimmt in 15 Jahren der Computer die Langstrecke, aber im Moment, im Hier und Jetzt, müssen wir den Markt für Jüngere öffnen.

Je nachdem, wie die nächste EU-Kommission aussehen und wie das nächste EU-Parlament zusammengesetzt sein wird, kann es schon sein, dass das große Thema Verbrennerverbot noch einmal aufgemacht wird.

Barbara Thaler, EU-Abgeordnete

Das EU-Parlament hat Anfang des Jahres knapp für ein Neuzulassungs-Verbot für Diesel- und Benzinfahrzeuge ab 2035 gestimmt. Etwas später hat der EU-Rat das etwas aufgeweicht und eine Ausnahme für synthetische Kraftstoffe zugelassen. Wann wird es die Detail-Regeln zu E-Fuels geben?

Barbara Thaler: Ich warte auch darauf, dass die Kommission endlich den Vorschlag zum Thema E-Fuels macht. Dann wird es aber sehr spannend werden, weil wir zeitgleich noch über die Zukunft des Verbrenners im Lkw- und Bus-Bereich sprechen.

Ich glaube, dass mittlerweile auch die Mehrheit im Europaparlament erkannt hat, dass die reine Fokussierung auf Elektroautos uns in eine neue Abhängigkeit katapultiert – in eine chinesische Abhängigkeit, um ganz direkt zu sein – und dem Klima weniger hilft als gedacht. Dazu muss man sich nur die Lebenszyklusrechnungen anschauen.

Ich persönlich habe überhaupt nichts gegen ein Elektroauto. Es ist wichtig, dass jeder Konsument sich kaufen oder ausleihen kann, was er gerne hätte. Was ich kritisiere, ist der Zwang, auf ein Elektroauto umsteigen zu müssen. Mich stört dieses Wegnehmen von Techno­logiemöglichkeiten, die auch CO2 reduzieren können – und das nicht zu wenig.

Allerdings, je nachdem, wie die nächste EU-Kommission aussehen und wie das nächste EU-Parlament zusammengesetzt sein wird, kann es schon sein, dass das große Thema Verbrennerverbot noch einmal aufgemacht wird. Aber das ist noch ein bisschen weit weg, die EU-Wahlen sind im kommenden Juni.

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Die IT-Unternehmerin Barbara Thaler aus Thiersee bei Kufstein ist seit 2019 EVP-Abgeordnete zum Europäischen Parlament und Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus (TRAN).

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