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© Erich Reismann
© Erich Reismann
September 2021

"Ich spiele nicht nett"

Samstag, 5. Februar, 20:15, ORF2: "Klammer – Chasing the Line". Aus aktuellem Anlass wiederholen wir das Interview mit Hauptdarsteller Julian Waldner, das schon in der Oktober-Ausgabe 2021 des auto touring erschienen ist.

Julian Waldner ist vieles, aber er ist nicht nett. Das Wort mag er nicht. Also nennen wir ihn sympathisch, denn das ist er, und witzig und sehr talentiert.

Nach der Matura erhält der heute 24-Jährige einen der begehrten Plätze im Max-Reinhardt-Seminar. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Der Kärntner ergattert die Rolle im teuersten je in Österreich produzierten Kinofilm "Klammer – Chasing the Line" und schlüpft in seine Traumrolle als Ski-Legende Franz Klammer bei dessen Olympiasieg 1976.

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— Gab es einen auslösenden Moment, der dich fürs Schauspielen begeisterte?

Julian Waldner: Ja, als ich mit 12 Jahren Johnny Depp in "Fluch der Karibik" gesehen habe. Es war mein größtes Ziel, in einer Welt zu spielen, die es nicht gibt, die dich aus dem Hier und Jetzt rauszieht. Wie dieses Gefühl, wenn man aus dem Kino rausgeht und den Film noch nachwirken lässt. Daher sind für mich Dates im Kino unnötig (grinst).

— Ist Johnny Depp eines deiner Idole?

Julian Waldner:Der war einfach Jack Sparrow. Neben ihm war auch James Bond ein Idol. Ich bin einfach ein Bub, deswegen gehe ich ins Kino.

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1 Mit nur 24 Jahren ergattert der Kärntner seine erste Hauptrolle als Franz Klammer. © epo/Samsara/Christoph Thanhoffer

2 Auch beim Posieren macht er eine gute Figur. © Elisabeth Gatterburg

3 Relaxt mit Brille beim Interview. © Erich Reismann

— Deinen ersten Auftritt hattest du bereits mit 13 Jahren.

Julian Waldner:Ja, ein ganz wichtiges Stück am Stadttheater Klagenfurt mit meinem ersten Satz auf der Bühne: "Macht endlich weiter mit dem Stück." Ich war so stolz auf mich, das kann man sich gar nicht vorstellen (lacht). Mit dem Rücken zum Publikum habe ich das rausgerufen und es war sicherlich der wichtigste Satz im ganzen Stück.

Ich war unfassbar nervös. Das Schlimmste war, dass meine Eltern im Publikum waren. Vor anonymen Menschen ist es leichter zu spielen als vor den Menschen, die dich kennen.

— Wie verhält es sich das mit diesem Rat: "Stell dir die Menschen nackt vor"?

Julian Waldner: Kommt darauf an: Wenn sie nackt noch attraktiver sind als angezogen, wird es viel schlimmer (lacht).

— Wann wurde Schauspielen zum Berufswunsch?

Julian Waldner:Die ersten wichtigen Gehversuche machte ich mit 14 Jahren im Jugendtheaterklub in Klagenfurt. Dort habe ich vier Jahre lang Improvisationstheater gelernt – die Grundbausteine des Schauspielens.

Zunächst war es nur ein Hobby. Die Schule hat mich nicht wirklich interessiert und ich war der schlechteste Schüler, den es gibt (lacht). Erst nach der Matura, nachdem ich die Maturareise für das Casting zum "Landkrimi" storniert habe, ist der Berufswunsch gereift. Die Rolle im "Landkrimi" habe ich bekommen und dort zum ersten Mal dieses Arbeiten am Set mit Profis erlebt und gedacht, das könnte ich weitermachen.

Dein Vater ist Richter, deine Mutter macht Berufs- und Bildungsvermittlung – wollten sie jemals, dass du in ihre Fußstapfen trittst?

Julian Waldner:Ich habe oft mit meinem Vater darüber gesprochen, erst vor kurzem wieder. Mir war eines sehr wichtig: Ich möchte nicht den Beruf meines Vaters ausüben. Egal welchen Beruf er hat. Ich wäre gerne Jurist geworden, aber ich wollte nicht "der Sohn von …" sein.

Ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Das hat er nicht nur respektiert, sondern auch aktiv unterstützt. Meine Eltern sind bis heute wichtige Ratgeber. Sie helfen mit, wo sie können, und respektieren es auch, wenn ich sie einmal nicht brauche.

— Will man als Schauspieler jemandem nacheifern?

Julian Waldner:Ja, schon. Jetzt gerade ist es Matthew McConaughey, vorher war es Christoph Waltz oder Daniel Brühl. Das sind schon lebende Legenden und es ist irre, was die alles geschafft haben. Deren Karrieren schaut man sich genau an, um herauszufinden, wie sie das erreicht haben.

— Frisch vom Reinhardt-Seminar und schon die erste Hauptrolle. Wie bist du mit dem Druck umgegangen?

Julian Waldner:Darüber habe ich mit Regisseur Andreas Schmied gesprochen, der für mich ein wichtiger Mentor ist: Ich habe zuvor keine Hauptrolle gespielt, mich zu besetzen war ein Risiko – ich bin zwar talentiert, aber wie reagiere ich bei 30 Drehtagen?

Nach fünf Drehtagen hatte ich Tränensäcke unter den Augen, schaute in den Spiegel und fragte mich: Mit welcher Berechtigung existiere ich überhaupt?

Ich konnte nicht mehr schlafen, hatte ­einen fürchterlichen Schlafrhythmus. Witzigerweise hat das gut zur Rolle gepasst, denn der damals 22-jährige Klammer, von dem ganz Österreich erwartet hat, dass er gewinnt, stand ebenso unter riesigem Druck.

— Wie bereitest du dich auf Castings bzw. auf Rollen vor?

Julian Waldner:Die Vorbereitung fängt schon vor dem Casting an. Als Schauspieler hast du ja hoffentlich viele Castings. Du bereitest dich vor und wirst abgelehnt oder bekommst die Rolle. Da kommt es auch darauf an, wie intensiv du dich auf eine Rolle vorbereitest. Das ist nicht bei jeder Rolle gleich, kann es auch gar nicht sein, denn sonst ist man nach zwei Jahren ausgebrannt.

Aber beim Klammer-Casting, da war es ganz anders. Als ich den Anruf bekommen habe, dass ich für diese Rolle zum Casting eingeladen werde, da hieß es für mich: alles oder nichts. Ich habe für dieses Casting alles gegeben, mich darauf so vorbereitet, als ob ich die Rolle schon hätte.

— Du warst schon Klammer?

Julian Waldner:Der bin ich erst später geworden. Das hatte auch mit Journalismus zu tun: recherchieren und fast stalken im Internet. Einfach alles einzusaugen, was möglich ist. Und natürlich proben bis zur Casting-Szene.

Das war die Pressekonferenz-Szene, die sicher eine der ausgefuchstesten im ganzen Film war. Die habe ich daheim immer wieder geprobt und nicht hinbekommen. In dieser Szene ging es ums Timing, was ist die perfekte Pause zwischen Frage des Interviewers und Antwort vom Klammer. Irgendwann habe ich mir gedacht, ich kann meinen Text, schauen wir mal was dabei rauskommt (lacht).

Und dann kommt die Szene und der Reporter fragt: "Herr Klammer, wie gehen sie mit dem Druck um?", und er macht etwas, was Reporter machen, er hält das Mikro zum Interviewten hin. Und das ist genau diese Zeit, diese eineinhalb Sekunden Pause, auf die es ankommt. Das war die perfekte Pause, die ich daheim überhaupt nicht bedacht habe. Ich musste sie nicht spielen, ich hätte einfach nur warten können, bis ich das Mikrofon vor der Nase habe (zuckt mit den Schultern und grinst).

Trailer des Franz-Klammer-Films:

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— Wie war die Vorbereitung auf die Rolle?

Julian Waldner:Nicht so einfach. Ich spiele einen Menschen, der noch lebt und den jeder liebt. Außerdem hat jeder, der diese Olympiaabfahrt 1976 miterlebt hat, einen emotionalen Bezug dazu.

Mein Ansatz, den Gott sei Dank auch der Regisseur unterstützt hat, war, dass ich nicht versuche, jemanden nachzumachen. Bei der Vorbereitung auf die Rolle war mir wichtig, den Kern von Franz Klammer zu erkennen, denn bevor ich es spielen kann, muss ich erst einmal wissen, was es ist (lacht). Klammer war Sportler, also musste ich zum Sportler werden. Ich war davor nie im Fitnessstudio, ich musste leben wie ein Sportler: Fitnessstudio, Trainingsroutine, zunehmen. Ich wurde in dieser Zeit richtig Sport-affin.

Gemeinsam mit einem Freund war ich dann auch immer am Basketballcourt. Ich spiele nicht, aber dieses Trash-talken, das sportliche Niedermachen, das lernt man dort. Da kommt auch dieses "Klammersche" her, er war nie schmähstad.

Auch die Herkunft spielt eine Rolle, es ist einfach anders, wenn du deine Hände benutzt, um im Wald Holz zu hacken, oder am Schreibtisch sitzt und mit der Füllfeder schreibst. Gib dem Klammer die Hand, der bricht dir fast die Finger. Seit meiner Kindheit spiele ich Klavier und während ich mich für die Rolle vorbereitet habe, habe ich mir fast ein Jahr lang verboten zu spielen. Das war mir einfach wichtig. Ich war auch viel im Wald arbeiten, um mich einzufühlen.

— Geht das nicht schon in die Richtung Method Acting?

Julian Waldner:Das ist am Reinhardt-Seminar ganz verpönt. Es gibt sehr viele Prinzipienreiter, zu denen auch ich gehöre, und die sind komplett dagegen.

Ganz ehrlich, daher war mein Ansatz: Alles was dir hilft, ist erlaubt. Dopen, schummeln, betrügen – alles (grinst). Ich bin kein Method Actor, das ist fast wie eine Religion, dafür bin ich nicht. Aber ich habe mir gedacht, alles, was ich nicht spielen muss, muss ich nicht spielen. Alles was ich bin, bin ich. Daher war es mir in der Situation wichtig, Sportler zu sein. Ich bin bei Gott keiner, der am Set mit "Franz" angesprochen werden wollte, obwohl es passiert ist. 

 — Du bist ein guter Skifahrer. Bist du die Strecke selbst gefahren und musstest du Stunts machen?

Julian Waldner:Ja, ich bin die Strecke gefahren, ich weiß gar nicht, ob das jemand weiß (lacht). Man sagte mir, dass meine Kompetenz nur auf Starten und Ankommen beruht. Doch der Kick-Start ist eines der schwierigsten technischen Dinge.

Ich habe eine Woche vor dem Dreh mit Extrem-Skirennfahrer Axel Naglich geprobt. Die Rennstrecke wurde so präpariert, wie sie 1976 war, sie war vereist, es ging selbst den Profis schlecht und war sehr gefährlich. Mir standen viele Berater zur Seite, damit ich das richtig umsetzen konnte. Ich fahre zwar seit meinem vierten Lebensjahr Ski, aber mein größter Erfolg war der 2. Platz bei den Görtschitztaler Meisterschaften. Von dort bis zum Olympiasieg ist es doch ein weiter Weg (lacht).

— Und das Ganze mit optisch alten Skiern?

Julian Waldner:Ja, Gott sei Dank. Da es hier bei uns oft nicht so ein Budget wie in Hollywood gibt, wird oft mit Originalteilen aus der Zeit gedreht. Die sind aber gebraucht und das sieht man. Bei diesem Film hatten wir eine großartige Ausstattung. Die Sachen wurden nach alten Designs angefertigt und dadurch sieht alles auch neu aus, so neu wie es eben damals war. Die Skier sehen optisch wie damals aus, sind aber ganz leicht, flach und lang geschnitten. Beim ersten Carving-Versuch damit bin ich gleich im Schnee gelegen (lacht).

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Die Interview-Szene war eine der schwierigsten für Waldner.
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"Klammer – Chasing the line" ist die bisher teuerste österreichische Produktion.
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Neben dem Olympiasieg der Ski-Legende steht auch die Beziehung zu seiner Frau Eva im Mittelpunkt.

— Hast du von Franz Klammer Hintergrundinfos oder Tipps bekommen?

Julian Waldner:Franz Klammer war unfassbar zurückhaltend. Er kam am zweiten Drehtag zu Besuch aufs Set. Er war den ganzen Tag da und kurz bevor er weggefahren ist, kam er noch zu mir. Ich habe erwartet, dass jetzt die wichtigste Ins­truktion kommt, die ich mir merken muss. Und er sagte: "Julian, viel Glück!", stieg ins Auto und fuhr weg (grinst). Er hat mir jeden Freiraum gelassen, das hat mich so geehrt.

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Den Kick-Start musste Waldner eine Woche lang üben.
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Auf das Casting bereitete er sich so vor, als ob er die Rolle schon hätte. 
WALDNERJulian_er020 CMS.jpg Erich Reismann © Erich Reismann
Beim Interview mit auto touring sehr relaxt und sympathisch.

— Aber du hast zuvor schon mit ihm gesprochen?

Julian Waldner:Ja. Da ich vor unserem Treffen schon sehr viel über ihn recherchiert habe, wollte ich ihn einfach kennenlernen. Es war für mich viel wichtiger zu sehen, was ihn bewegt. Witzig auch, er wollte mir seinen originalen Rennanzug und seine Goldmedaille aus Kitzbühel zeigen. Und er hat sie verloren! (schüttelt fassungslos lachend den Kopf).

Bei mir zu Hause in der Wiener Wohnung steht der Pokal meines 2. Platzes der Görtschitztaler Meisterschaften von 2014. Den staube ich immer noch ab, aber er verlegt einfach seine Olympische Goldmedaille (lacht). Und wir haben über viele andere Themen geredet, auch über Motorsport.

— Das Thema interessiert dich auch?

Julian Waldner:Es ist eine große Leidenschaft von mir. Einfach alles am Motorsport. Formel 1, jedes Rennen, MotoGP – am schlimmsten ist es, wenn die beiden gemeinsam laufen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich im modernen Motorsport eher Fan der Strecken als der Fahrer bin: Silverstone, Monza, Spielberg. Bei MotoGP ist es ein bisschen anders. Ich fahre selbst ­Motorrad und möchte mir demnächst eine Honda 650 CBR kaufen.

— Welche Reaktionen auf den Film erhoffst du dir vom Publikum?

Julian Waldner:Es waren sehr emotionale Dreharbeiten für mich und ich möchte Emotionen auslösen, die Menschen mitreißen! Das Schlimmste, das jemand sagen könnte, ist: nett. Viele sagten mir über Franz Klammer: Der ist so nett. Darauf ich: Nett spiele ich nicht.

Bei "nett" habe ich total versagt, dann höre ich auf und werde Holzhacker in Kärnten.

Julian Waldner, Schauspieler und Franz-Klammer-Darsteller

  • Geboren 1996 in Sankt Veit an der Glan, Kärnten 
  • Mit 13 zum ersten Mal auf der Bühne. Stück: "Pinocchio"
  • 2010–2015 Jugendtheaterklub Klagenfurt 
  • 2015 Landkrimi "Wenn du wüsstest, wie schön es hier ist"
  • 2015–2019 Max-Reinhardt-Seminar (wohnt seither auch in Wien) 
  • 2018 Spielfilm "Jimmie" und TV-Serie "SOKO Donau"   
  • 2018 Theaterstück "Leon Pirat" im Landestheater Niederösterreich 
  • 2021 Hauptrolle im Kinofilm "Klammer – Chasing the Line"

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