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März 2023

E10: Das neue Super 95

Aus Österreichs Zapfsäulen sprudelt E10- statt E5-Benzin. auto touring klärt die wichtigsten Fragen zu diesem Kraftstoff.

Beige Kapuzenjacke, schwarze Weste und das Kapperl mit dem Logo des Baseballteams San Francisco Giants tief im Gesicht. Sebastian Brunner sitzt im ÖAMTC Mobilitätszentrum in Wien-Erdberg, ist in sein Tablet vertieft. Die Clubtechniker untersuchen gerade das Auto des 26-jährigen Volkswirtschafts-Studenten: Pickerlüberprüfung für seinen blauen Opel Corsa. Ein Benziner, wie er erzählt. Von E5- oder E10-Kraftstoff habe er aber noch nie gehört.

Damit ist Brunner nicht allein. Auch der ansteckend gut gelaunte Mohammed Sikder kann mit dem Begriff E10 nichts anfangen. Seit neun Jahren fährt er Taxi, sein Dienstwagen: ein Toyota Prius Hybrid. Der schluckt Benzin, klar, das wisse er. Nur ob E5 oder E10? Puh.

Brunner und Sikder sind mehr die Regel als die Ausnahme. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage, die der ÖAMTC in Auftrag gegeben hat. 42 % der Befragten gaben an, schon einmal von E10-Benzin gehört zu haben. Konkret mit E10 etwas in Verbindung bringen konnten gar nur 32 %.

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Dabei steht jetzt in den Startlöchern, was die Bundesregierung schon im Regierungsprogramm Anfang 2020 angekündigt hat: die "forcierte Beimischung von Bioethanol (E10)". Ab sofort wird nun Tankstelle für Tankstelle von E5 auf E10 umstellen. Bis der Prozess abgeschlossen ist, dauert es zwar noch Monate. Aber: E10 kommt.

Doch welche Folgen hat das für Autofahrer:innen, wie wird E10 produziert – und wofür steht dieser Begriff überhaupt?

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Zwischen 14.02. und 20.02.2023 wurden im Zuge einer Online-Berfragung Menschen zu ihrer Einstellung zur Beimischung von Bioethanol befragt. Die Samplegröße beträgt 1.500, die -struktur ist repräsentativ für die österreichische Bevölkerung im Alter von 18 bis 69 Jahren.

Was sind E10 und Bioethanol?

E5 beziehungsweise E10 sind Abkürzungen. Das E steht für (Bio-)Ethanol, die Zahl dahinter gibt dessen Anteil im Benzin an. In E5-Benzin sind also bis zu 5 % Bioethanol enthalten, bei E10 maximal 10 %. Bisher wurde in Österreich – ob Super oder Super Plus – nur E5 getankt.

Bioethanol wiederum ist ein aus biogenen Rohstoffen gewonnener Alkohol, der sich zur Beimischung zu Benzin eignet. Weil diese Rohstoffe während ihres Wachstums so viel CO2 aus der Atmosphäre binden, wie sie dann später bei der Verbrennung im Motor abgeben, sind sie CO2-neutral.

Was auch die Hauptintention der E10-Einführung ist: Man will den tatsächlichen CO2-Ausstoß im Verkehr laufend reduzieren, so steht es im Regierungsprogramm. Deshalb sieht eine Novelle der Kraftstoffverordnung seit Beginn dieses Jahres vor, dass der Mineralölhandel den Anteil an CO2 in seinen Produkten reduziert. E10 ist für die Mineralölunternehmen und damit für Konsument:innen die günstigste Möglichkeit, das zu erreichen.

130.000 Tonnen CO2 pro Jahr können durch die E10-Einführung gespart werden.

Quelle: Österreichische Energieagentur (AEA)

Was sind die Vor- und Nachteile von E10?

Nach Berechnungen der Österreichischen Energieagentur liegt das Einsparungspotenzial von E10 bei bis zu 130.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Neben den geringeren CO2-Emissionen, die bei der Verwendung von Benzin mit höherem Bioethanol-Anteil entstehen, wird bei dessen Verbrennung auch weniger Feinstaub ausgestoßen.

Messungen der TU Wien aus dem Jahr 2017 ergaben, dass bei der Verwendung von E10- anstelle von E5-Benzin die Partikel-Emission um bis zu 23 % reduziert wird.

Bioethanol verbrennt also sauberer. Allerdings gibt es bei der Verbrennung auch weniger Energie ab. Somit ist der Verbrauch eines mit E10 betriebenen Fahrzeuges leicht höher – wenngleich nur um rund ein Prozent.

In der Praxis: kaum merkbar. Hier fallen die individuelle Fahrweise und äußere Einflüsse wie der Verkehrsfluss und das Wetter viel stärker ins Gewicht.

Mehr noch als beim vermeintlichen Mehrverbrauch herrscht Unsicherheit bezüglich der Verträglichkeit von E10 für Autos, die vor 2008 produziert wurden.

HAMETNER_Postl_CMS.jpg ÖAMTC / Postl © ÖAMTC / Postl
ÖAMTC-Cheftechniker Thomas Hametner: "Ab Baujahr 2005 sind so gut wie alle Fahrzeuge mit Benzinmotor so konstruiert, dass sie E10 vertragen."

E10-Verträglichkeit

Tatsache ist: Für den Großteil der Autofahrer:innen ist eine etwaige E10-Unverträglichkeit ihres Motors kein Thema. "Bioethanol korrodiert zwar mit Materialien wie Aluminium oder Gold", erklärt ÖAMTC-Cheftechniker Thomas Hametner. "Doch ab Baujahr 2005 sind so gut wie alle Fahrzeuge mit Benzinmotor so konstruiert, dass es keine Probleme bei der Verwendung von Benzin mit einem Bioethanol-Anteil von 10 % gibt."

Wie eine Erhebung des ÖAMTC zeigt, vertragen 98,3 % aller Benzin-Pkw in Österreich E10. In dieser Auswertung unberücksichtigt blieben Oldtimer, also Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre sind.

98,3 % aller in Österreich zugelassenen Fahrzeuge mit Benzinmotor vertragen E10-Kraftstoff. Nicht inkludiert sind Fahrzeuge, die älter als 30 Jahre sind.

Erhebung des ÖAMTC

Bei kompatiblen Fahrzeugen hat die Verwendung von E10 in keiner Weise einen negativen Einfluss auf Motor, Schläuche oder Dichtungen. Zum Service muss das Auto durch das E10-Tanken auch nicht häufiger.

Die Verträglichkeit lässt sich übrigens am schnellsten am Tankdeckel des Fahrzeuges überprüfen. Welche Möglichkeiten es außerdem gibt, um zu erfahren, ob Ihr Auto E10 verträgt, lesen Sie am Ende des Artikels.

Die wenigen Besitzer:innen von Pkw, die kein E10 vertragen, können – oder müssen – auf Premium-Treibstoff zurückgreifen. Den betrifft die Umstellung nämlich nicht.

Sollte ein solches Fahrzeug versehentlich mit E10-Super getankt werden: keine Panik.

"Wenn das Fahrzeug randvoll mit E10-Kraftstoff ist, ist eine Teilabpumpung freilich notwendig. Aber bei kleineren Mengen reicht es aus, den Tank mit Premium-Kraftstoff vollzufüllen und so den Ethanol-Anteil zu reduzieren", erklärt Hametner. Ist das Fahrzeug für E10 geeignet, kann E5 und E10 freilich abwechselnd getankt werden.

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1 Bei neueren Fahrzeugen ist die Information zur E10-Verträglichkeit im Tankdeckel zu finden. © Christian Stich

2 Dieses Fahrzeug ist sogar schon kompatibel mit E25 – also Benzin mit einem Bioethanol-Anteil von 25%, das allerdings derzeit noch nicht im Handel erhältlich ist. © Helmut Eckler

3 Auch in der Bedienungsanleitung steht, ob Ihr Fahrzeug E10 verträgt. © Helmut Eckler

Auswirkung auf den Spritpreis

Apropos Premium-Kraftstoff: Preislich dürfte Super 95 durch den höheren Bioethanol-Anteil um ein bis zwei Cent teurer werden. Das liegt an der aktuellen Börsennotierung von Bioethanol. Würde an der Zapfsäule weiterhin E5 verkauft werden, könnte der Preis allerdings um bis zu fünf Cent steigen, da die Mineralölunternehmen ihre Strafzahlungen an die Konsument:innen weitergeben würden.

Bioethanol-Produktion

Neben der Unverträglichkeit gibt es gegen Bioethanol auch Vorbehalte, weil für die Herstellung teilweise Getreide verwendet wird. Dass dadurch Nahrungs- oder Futtermittel im Tank landen, verweist Dr. Norbert Harringer, Vorstand beim größten österreichischen Bioethanol-Produzenten Agrana, allerdings ins Reich der Mythen.

"Unser Bioethanol wird lediglich aus Getreide hergestellt, das sich qualitativ gar nicht für die Produktion zu Lebensmitteln eignet", erklärt Harringer. Außerdem wird im Agrana-Werk Pischelsdorf aus diesem Getreide zuerst Futter-Eiweiß gewonnen, lediglich der Rest wird zu Bioethanol vergoren. Harringer, selbst technischer Chemiker: "Unser Bioethanol ist also ein Neben-Neben-Produkt, das mit Rohstoffen hergestellt wird, die sonst nicht weiter veredelbar sind."

SE_Agrana_Geschaeftsbericht_CMS.jpg Agrana © Agrana
Dr. Norbert Harringer, CTO der Agrana

3 Fragen an Dr. Norbert Harringer

— Wie stellt die Agrana Bioethanol her?

Norbert Harringer: Wir bedienen uns da der klassischen, alkoholischen Gärung unter Zuhilfenahme von Hefen. Unser Weizen kommt in die Stärkeanlage, wo wir eine Trennung des Weizenkorns in seine Bestandteile Kleie, Weizenstärke und Vitalgluten vornehmen. Durch diesen Trennungsprozess entstehen Nebenprodukte für die Bioethanol-Fermentation. Dann kommen Mais und Triticale dazu.

— Mais hört sich – Stichwort Teller-Tank-Trog-Diskussion – nach einem Nahrungsmittel für Menschen an.

Norbert Harringer: Die Rohstoffe, die wir für unsere Bioethanol-Produktion verwenden, eignen sich nicht als Lebensmittel. Die Situation bei uns und natürlich auch in deutschen Fabriken ist eine gänzlich andere als beispielsweise in Südamerika. Man muss differenzieren, welche Produktionsverfahren eingesetzt werden, wie die Rohstoffnutzung vonstatten geht und ob das Ethanol als Hauptprodukt hergestellt wird – oder, so wie bei uns, aus all dem, was sonst nicht weiter veredelbar ist. Als Neben-Neben-Produkt.

— Inwiefern profitiert die Agrana dadurch, dass das Bioethanol jetzt im Land bleibt, und planen Sie eine Erhöhung Ihrer Produktionskapazitäten?

Norbert Harringer: Wir als Agrana werden wirtschaftlich nur marginale Veränderungen sehen. Aber die österreichische Klimabilanz profitiert davon, weil das Emissions-Reduktions-Potenzial im Land genutzt wird. Zur Produktionserhöhung: ganz klar nein. Was in naher Zukunft aber schon interessant wird, ist Second-Generation-Ethanol, der als Rohstoff keine Getreide-, sondern eine zellulosische Basis nutzt. Hier müssen wir aber noch warten, bis es funktionierende Prozesse gibt.

250.000 Kubikmeter Bioethanol produziert die Agrana im niederösterreichischen Pischelsdorf im Jahr. Genug, um den nun erhöhten heimischen Bedarf zu decken. Bis
dato exportierte das Unternehmen etwa 60 % seines Bioethanols ins Ausland. "Das sind CO2-Einsparungs-Potenziale, die wir in Österreich nicht genutzt haben", so Harringer.

Aus logistischen Gründen, wie zum Beispiel langen Transportwegen zu Raffinerien und Tanklagern, wird nicht ausschließlich auf das Pischelsdorfer Produkt gesetzt. Doch auch importiertes Bioethanol muss über Nachhaltigkeitszertifikate verfügen und unterliegt der Aufsicht des Umweltbundesamtes.

Auf dem Parkplatz des ÖAMTC-Mobilitätszentrums begegnen wir noch einmal Sebastian Brunner. Sein Corsa hat das Pickerl bekommen. "Wäre auch bitter, wenn nicht", scherzt er. Es ist bereits die Nachuntersuchung. Im laufenden Jahr dürfte seine individuelle Mobilität also gesichert sein. Daran wird auch die E10-Einführung nichts ändern: Sein Corsa verträgt den höheren Bioethanol-Anteil problemlos – trotz des stolzen Alters von über 20 Jahren.

Kann mein Auto E10?

Wie finden Sie heraus, ob Ihr Auto E10 verträgt? Der E10-Check im Internet schafft Abhilfe, erreichbar unter

Dort kann auch die Verträglichkeit von Motorrädern überprüft werden. Außerdem haben viele Pkw ein Pickerl im Tankdeckel, das auf die E10-Verträglichkeit hinweist. Alternativ kann in der Bedienungsanleitung nachgesehen werden. Im Zweifelsfall gibt Ihr Händler oder der Hersteller Auskunft über die E10-Verträglichkeit Ihres Benzin-Pkw.

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