Silhouette eines vemummten Mannes, der ein Auto knackt
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Juni 2025

Fakt vs. Fiktion: Autodiebstahl im Fokus

Zum Thema Autodiebstahl kursieren zahlreiche Gerüchte und Halbwahrheiten. Andreas Köck, Chefinspektor der Soko Kfz, klärt auf, wie Fahrzeuge wirklich gestohlen werden und was im Anschluss mit dem Diebesgut geschieht.

Wie läuft der typische Autodiebstahl ab, falls es so etwas überhaupt gibt? Sind die Täter Einzelgänger, die Schlösser knacken und Motoren mit Tricks starten? Oder handelt es sich um Netzwerke, deren Mitglieder dank Hightech-Ausrüstung im Vorbeigehen ein Fahrzeug entwenden? Wie groß ist die Gefahr eines Autodiebstahls in Österreich aktuell? Fragen, zu denen zahlreiche, teils widersprüchliche Antworten kursieren.

Andreas Köck ist Profi im Kampf gegen Kfz-Diebstahl. Er ist Chefinspektor der Soko Kfz im Bundesministerium für Inneres. Seit Gründung der Einheit im Jahr 2009 ist er an Bord, seit letztem Jahr fungiert er als Chefinspektor. Die Bilanz seiner Abteilung kann sich sehen lassen: Wurden 2008 in Österreich noch 6.827 Fahrzeuge als gestohlen gemeldet, waren es 2024 nach stetig fallender Tendenz nur 1.871. Im Gespräch erklärt Köck, wie realitätsnah oder -fern diverse Mythen rund um den Autodiebstahl sind und wie Diebe heute wirklich vorgehen.

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Mythos #1: Autos können per Kurzschluss gestartet werden

In Hollywood werden auch heute noch Autos mit gezielten Handgriffen geknackt und gestartet. Andreas Köck lacht: „Das gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, da Fahrzeuge über elektronische Wegfahrsperren verfügen. Bei neueren Autos muss gezielt in die Elektronik eingegriffen werden.“ Seit 1998 ist so eine Wegfahrsperre hierzulande verpflichtend in jedem neu zugelassenen Auto verbaut, doch schon Anfang der 90er begann die Verbreitung dieses Features.

Deshalb arbeiten Autodiebe heute nicht mit klassischem Werkzeug, sondern mit elektronischen Tools, die oft nicht größer als eine Zigarettenschachtel sind oder in Rucksäcken versteckt werden können. Damit werden Signale von Keyless-Go-Schlüssel kopiert. "Diese Geräte sind oft nur für eine Marke oder gar ein Modell tauglich und kosten Tausende bis Zehntausende Euro. Wenn man also die Technik einer Tätergruppierung beschlagnahmt, schadet man der Organisation damit empfindlich", erläutert Köck.

Mythos #2: Bestimmte Marken werden sehr häufig gestohlen

Man kennt die Stammtisch-Vorurteile, wonach dieser oder jener Hersteller bei Dieben beliebt sei. Köck widerspricht: "Man kann nie sagen, was in Zukunft gern entwendet wird. Gestohlen wird, was der Markt verlangt. Ein Beispiel: Aktuell verkauft Toyota wegen des Ukraine-Kriegs in Russland auf offiziellem Weg keine Neuwagen und Ersatzteile. Die Fahrzeuge sind dort aber weitverbreitet. Deshalb wurden in den letzten Jahren mehr Toyotas als zuvor gestohlen."

Mythos #3: An bestimmten Orten sind Autos besonders gefährdet

Wo ist ein Auto am ehesten gefährdet? Frei zugänglich auf der Straße oder doch in einer Garage, wo der Täter ungestört arbeiten kann? "Generell schrecken Kameras und Co. in Parkhäusern und Tiefgaragen Diebe ab. Doch vergleichsweise ungesicherte Stellplätze in Mehrparteienhäusern oder Wohnanlagen können einladend sein. Profis scouten die Fahrzeuge allerdings immer im Vorhinein und wissen schon beim Betreten der Anlage, welches Auto sie stehlen wollen."

Porträtfoto eines Mannes mit grauen Haaren, er trägt ein blaues Hemd © Privat

Fahrzeuge mit blitzenden Kabeln zu starten, das gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr.

Andreas Köck, Chefinspektor der Soko Kfz

Mythos #4: Autodiebe arbeiten immer in organisierten Banden

Tatsächlich geht es beim modernen Kfz-Diebstahl in der Regel darum, einen finanziellen Gewinn zu erzielen. Dazu braucht es umfangreiche Netzwerke mit Know-how und Abnehmern. Zu 99 % gehen die Fahrzeuge ins Ausland.

Doch es gibt einen neuen Trend des Gelegenheitsdiebstahls, wie Köck erklärt: "Ein Phänomen der letzten Jahre sind Jugendliche, die ­Autos stehlen, um damit herumzufahren. Dabei geht es nur um Nervenkitzel." Da diese Täter nicht die finanziellen Mittel oder das technische Wissen haben, um gesicherte Autos zu stehlen, suchen sie unversperrte Fahrzeuge. "Sie glauben nicht, wie viele Leute ihr Auto nicht zusperren. Die Haftung wird hier zum Problem. Denn ­sichert man sein Fahrzeug nicht ordnungsgemäß, handelt es sich um eine ermöglichte Schwarzfahrt. In solchen Fällen kann die Ver­sicherung Regress am Fahrzeughalter nehmen."

Mythos #5: Ist das Auto einige Tage weg, gibt es kaum Erfolgsaussicht

Natürlich wird es komplizierter, sobald die Fahrzeuge außer Land sind. Doch sofort nach Meldung des Diebstahls wird die Fahndung elektronisch österreich-, europa- und weltweit ausgespielt und bleibt zehn Jahre aktiv. "Vor Kurzem war ich in Afrika bei einem Interpol-Einsatz, da konnten wir 15 ursprünglich in Europa gestohlene Autos ausfindig machen", berichtet Köck. Die Nutzung von Gadgets wie GPS-Sendern hält er für sinnvoll: "Die Täter nutzen zwar unter Umständen Gegenmaßnahmen, aber solche Geräte können hilfreich sein. Auch Lenkradkrallen wirken abschreckend, da sie den Diebstahl verkomplizieren." Garantie gibt es keine, das Fahrzeug wird für Diebe allerdings weniger attraktiv.

Mythos #6: Die Aufklärungsquote bei Kfz-Diebstählen ist gering

2024 lag die Aufklärungsquote von Kfz-Diebstählen in Österreich bei 39,4 %. Aber der Wert täuscht, wie Köck erklärt: "Wenn wir eine Serie erkennen und die Täter beim zehnten Auto er­wischen, gestehen sie die vorigen Diebstähle ­natürlich nicht. Jeden einzelnen Diebstahl vor Gericht eindeutig nachzuweisen, ist unter Umständen schwierig. Es ist daher möglich, dass laut Statistik nur fünf Diebstähle aufgeklärt wurden, obwohl tatsächlich die Verantwortlichen für zehn Diebstähle gefasst wurden."

So öffnen die Gelben Engel Fahrzeuge

33.500 Mal rückten die Pannenfahrer:innen des ÖAMTC im Jahr 2024 aus, um Mitgliedern zu helfen, die ihr Auto nicht öffnen konnten. Meist hatten sie sich ausgesperrt und der Schlüssel lag im Fahrzeug. In anderen Fällen war das Schloss beschädigt oder der Schlüssel verloren gegangen. Die Weiterfahrquote bei solchen Einsätzen lag 2024 bei 90 %.

Die Pannenfahrer:innen sperren, wenn möglich, mit einem Spezialwerkzeug in wenigen Minuten das Schloss auf. Bei manchen modernen Autos ist das kaum oder nicht möglich, da nur schwer zugängliche Not-Schlösser oder gar keine Schlösser verbaut sind. Harald Ehringfeld, Redakteur im Technischen Qualitätsmanagement beim ÖAMTC, warnt: "Auch bei Autos mit Keyless-Go-Funktion kann man sich aussperren." Alternativ arbeiten die Gelben Engel mit Geschick und Know-how. Mit speziellen Haken werden Schlüssel „geangelt“ oder der Türgriff von innen betätigt. Dabei wird darauf geachtet, dass das Fahrzeug unversehrt bleibt. In den seltenen Fällen, in denen eine Öffnung unmöglich ist, ermöglicht der Club weiterführende Nothilfe.

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