210615_Festivalimpressionen_0369_CMS.jpg Lois Lammerhuber
© Lois Lammerhuber
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Juni 2021

Viva Latina in Baden

Das größte Outdoor-Fotofestival Europas findet in einem 4.000-Einwohner-Ort in der Bretagne statt – und in Baden bei Wien. Zu sehen bis 17. Oktober.
 

Leicht skeptisch schaut ein Gesicht von der Fassade der altkatholischen Kirche auf den Brusattiplatz. Es trägt die stolzen Züge der indigenen Bevölkerung Südamerikas. Was aus der Ferne wie ein wertvoller silbriger Kopfschmuck wirkt, ist bei näherer Betrachtung ein Haarreif aus Messern und Gabeln. Ein Bild aus der Serie Pop Latino des argentinischen Fotografen Marcos López.

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210614_Festivalimpressionen_0237_CMS.jpg Lois Lammerhuber © Lois Lammerhuber

Noch mehr davon sind nebenan am Heiligenkreuzerhof aufgereiht. Und gleich ums Eck faszinieren die Fotos des Franzosen Pascal Maitre von Tausenden und Abertausenden Schmetterlingen – Monarchfalter aus dem Gebiet der Großen Seen in Nordamerika, die in Mexiko überwintern.

Wir sind in einer einzigartigen Fotoausstellung, unter freiem Himmel, mitten in einer Stadt.

Einige Impressionen des "Festivals La Gacilly–Baden 2021" finden Sie in den Bildergalerien weiter unten, aber noch besser ist: hinfahren und selbst anschauen. Der Eintritt ist frei.

Wir sind in Baden, 35 Kilometer südlich von Wien, wo schon die Römer in Schwefelquellen badeten und Kaiser Franz I. ab dem Ende des 18. Jahrhunderts seine Sommermonate verbrachte. Kurort, Biedermeierstadt und schon zum vierten Mal hintereinander Schauplatz des größten Outdoor-Fotofestivals Europas, das selbst im Coronajahr 2020 mehr als 300.000 Besucher anlockte.

"Es ist nicht eine Ausstellung, es sind rund dreißig Ausstellungen", erklärt Lois Lammerhuber, Mentor, Erfinder, Direktor des Festivals und selbst einer der renommiertesten Fotografen Österreichs. "Sie stehen heuer unter dem Motto 'Viva Latina!' – Fotografien aus Lateinamerika."

V2_A4_LA GACILLY BADEN 2021_CMS.jpg Festival La Gacilly Baden © Festival La Gacilly Baden

Diese Bilder sind stark von der Komplexität der Geschichte dieses Kontinents mit all seinen Revolutionen und Hoffnungen durchdrungen. In den Fotos kommt die Vielfalt der lateinamerikanischen Gesellschaft zwischen Gewalt und unbändiger Lebensfreude zum Ausdruck.

"Das Merkmal von Festivals ist, dass sie für einen bestimmten Zeitraum und an einem bestimmten Ort stattfinden", heißt es unter der Überschrift "Vision" auf der Website des Festivals (bitte hier klicken).

Doch diese Beschränkung von Zeit und Raum durchbrach Lois Lammerhuber. Er schloss Freundschaft mit Jacques Rocher, Bürgermeister des Dorfes La Gacilly in der Bretagne (wie schon sein Vater Yves vor ihm) und Vorsitzender der Fondation Yves Rocher.

Der Sohn des Kosmetikunternehmensgründers hatte 2004 in seinem Geburtsort ein Fotofestival ins Leben gerufen, das stets dem Thema Mensch und Umwelt gewidmet ist. Die Plätze, Gässchen und Gärten in La Gacilly verwandelt Jacques Rocher seither jeden Sommer in eine Freiluftausstellung, der öffentliche Raum wird zum Szenenbild für ein Fotokunsterlebnis.

Genau das hat auch Lammerhuber in Baden verwirklicht, in Kooperation mit dem Festival La Gacilly seines französischen Freundes. Auf einem Spaziergang von rund 7 Kilometern in zwei Runden – die eine führt durch die Innenstadt, die andere durch die herrlichen Parkanlagen von Baden – präsentieren er und sein Team insgesamt nahe­zu 1.500 Fotografien.

Ausgangspunkt sowohl für die "Stadt-Route" als auch für die längere "Garten-Route" ist das Besucherzentrum der Tourist Information Baden am Brusattiplatz 3.

Mit den Pfeilen links und rechts können Sie die zwei folgenden Bildergalerien durchblättern:

Alle Ausstellungen seien ihm lieb und wert, sagt Lois Lammerhuber, doch drei von ihnen möchte er besonders hervorheben:

Sebastião Salgado ist der bedeutendste Fotograf unserer Zeit.

Lois Lammerhuber, Fotograf

— Die Fotografien "voll Poesie und Nostalgie" des Ecuadorianers Emmanuel Honorato Vázquez aus den 1920er-Jahren, die noch nie in Europa gezeigt wurden. Sie sind im Doblhoffpark zu sehen.

— "Gold", die "allerwichtigste Arbeit" von Sebastião Salgado: brutale Schwarzweißfotos vom Goldrausch in der brasilianischen Serra Pelada. "Monumental, biblisch, apokalyptisch!", findet Lammerhuber. "Salgado ist der bedeutendste Fotograf unserer Zeit."

— Und schließlich die Arbeiten von Pablo Corral Vega, dessen fotografische "Hymne an die Anden" im Gutenbrunner Park präsentiert wird, begleitet von Texten des Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa.

SALGADO_Sebastiao_FestivalPhotoLaGacilly2020_HD_01_CMS.jpg Sebastião Salgado 1
VAZQUEZ_Emmanuel_Honorato_01_CMS.jpg Emmanuel Honorato Vázquez 2
CORRAL_VEGA_01_CMS.jpg Pablo Corral Vega 3

1 Das Elend der Goldsucher in der Serra Pelada: Sebastião Salgado. © Sebastião Salgado

2 Die vergessene Welt der 1920er-Jahre: Emmanuel Honorato Vázquez. © Emmanuel Honorato Vázquez

3 "Hymne an die Anden": Pablo Corral Vega und Mario Vargas Llosa. © Pablo Corral Vega

"Das Thema aller Arbeiten ist die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt", so Lammerhuber. "Ihre Präsentation in ganz Baden, wo man vier Monate lang auf Schritt und Tritt Fotografien der künstlerischen Spitzenklasse begegnet, erzeugt ein ganz besonderes Stadtgefühl."

Die Vorbereitungen haben ein Jahr gedauert; bis 17. Oktober kann das Fotofestival besucht werden. Dann beginnen schon die Arbeiten am Festival 2022.

Alle Infos: festival-lagacilly-baden.photo

© Francis Giacobetti_CMS.jpeg Francis Giacobetti © Francis Giacobetti
Lois Lammerhuber.

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