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© Heinz Henninger
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April 2017

Innovatives Österreich

Wir leben in einem kleinen Land. Haben keinen eigenen Autohersteller. Trotzdem blüht die Autoindustrie. Drei Beispiele, warum das auch so bleiben wird.

Mehr als 450.000 Arbeitsplätze hängen in Österreich direkt oder indirekt mit der Autoindustrie zusammen. 700 Unternehmen machen in diesem Bereich einen jährlichen Umsatz von 23 Milliarden Euro.

Das hängt auch mit der Innovationskraft des Autolandes Österreich zusammen. Wir haben uns einen ehemaligen Garagenbetrieb in Freistadt, ein Forschungszentrum in Graz sowie einen fahrbaren Technologieträger von Magna Steyr angesehen.

Lesen Sie unsere Reportagen und erfahren Sie, warum die Autoindustrie auch in der Zukunft in Österreich eine wichtige Rolle spielen wird.

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Elektrisierend

Kreisel. Drei Brüder in Oberösterreich mischen den Markt für Elektrofahrzeuge und Batterietechnologie auf. Ihre Akkus und Ladestationen machen sogar Tesla Konkurrenz. Kein Wunder, dass das Freistädter Start-up Kreisel Electric rasant wächst und mächtige internationale Kunden an Land zieht.

Kein Kaffee, kein Sessel, kein Meetingraum. Stattdessen sehen wir im Zentrum von Freistadt eine große blaue Garage, die aus allen Nähten platzt. Bis Juni sitzen hier noch 44 Angestellte und die Brüder Philipp, Johann und Markus Kreisel, Gründer des Start-ups Kreisel Electric, bevor sie in das stylishe neue Headquarter "3K One" übersiedeln.

Schon nach zwei Minuten stehen wir vor zwei Highlights des Hauses: einem elektrifizierten Porsche Panamera und einem Mercedes G. Unter der geöffneten Motorhaube des Geländewagens leuchten türkise Kreisel-Akkupacks hervor: 80 kWh Kapazität, 300 km Reichweite und 360 kW Motorleistung. In 5,6 Sekunden beschleunigt der Wagen auf 100. Anstelle des Mercedes-Sterns ziert das sternförmige Kreisel-Logo die Kühlerhaube. Auf einem Akkupack prangt die Unterschrift von Arnold Schwarzenegger. "Wir sind uns auf einem Transatlantikflug begegnet, zufällig", erzählt Markus Kreisel. "Zeigt man jemandem eine Batterie, dann löst das keine Begeisterungsstürme aus. Aber ein tolles Fahrzeug emotionalisiert." Man wollte nicht als Bittsteller zu Herstellern kommen, also habe man Fahrzeuge gekauft, elektrifiziert und eine "geile Präsentation gemacht. Jetzt sprechen wir auf Augenhöhe".

Eine Batterie löst keine Begeisterungsstürme aus. Aber ein tolles Fahrzeug emotionalisiert. 

Markus Kreisel, Mitgründer Kreisel Electric

Begonnen hat alles 2012. Die Idee: ein Elektrofahrzeug mit hoher Reichweite. Umgebaut wurde ein Audi A2, "aus Spaß und Neugierde. Es war ein Hobby", erinnert sich Markus Kreisel, der seine Brüder Johann und Philipp als Genies bezeichnet. Philipp ist Maschinenbauingenieur, Johann Elektrotechniker, Markus hat die HAK besucht. "Haben die beiden eine Aufgabe, sperren sie sich ein und kommen mit einer Lösung, die genial ist – und Millionen wert", lacht der Oberösterreicher.

Das erste Wirtschaftsjahr brachte gleich einen Umsatz von 4,5 Millionen Euro. "Heuer werden wir uns vervielfachen", verrät er. 45 Millionen Euro? Möglich. Im Zentrum der Aufträge stehen Nutzfahrzeuge, aber auch Boote, Flugzeuge, Helikopter, Projekte für hydraulische Anwendungen oder Eigenentwicklungen wie der Kreisel Power Charger. Der bringt eine Leistung von 320 kW, lädt Elektrofahrzeuge in 20 Minuten. Also doppelt so schnell wie der von Tesla. Porsche war beeindruckt, nun gibt es eine Partnerschaft mit der Porsche-Tochter Allmobil.

Zur Kernkompetenz, der patentierten Batterietechnologie, gibt sich der sonst so kommunikative 41-Jährige verschlossen. Nur soviel: "Das Besondere ist, dass wir Lithiumzellen mit Lasertechnologie verbinden. Außerdem sind Assemblierung, Sicherheitskonzept und Thermomanagement außergewöhnlich: Alle Zellen sind mit einem weißen Körper ummantelt und werden von einer Flüssigkeit umspült, die nicht leitet und nicht brennbar ist."

Dafür erzählt er vom Büro in Shanghai. Auch im Silicon Valley soll ein Gebäude entstehen, das jenem in Freistadt gleicht. Und wer sind die Kunden? Kreisel kooperiert mit deutschen, russischen und asiatischen Herstellern. VW? "Möglich."War Google hier, wie die Gerüchte sagen? "Vielleicht."Tesla? "Wir haben Kontakt, aber das ging nicht von uns aus."Er hält fest: "Spätestens 2050 sind alle Fahrzeuge elektrisch – ob mit Batterie, Brennstoff- oder Festkörperzellen betrieben, wird sich zeigen. Wir sehen uns alles an." Die zukünftige Firmenzentrale wird ein High-Tech-Haus. Bis zu 10.000 Fahrzeuge können hier produziert werden – also Batteriepacks mit einer Kapazität von 800.000 kWh. Tesla hat gerade eine neue Fabrik mit 35 Gigawatt-Stunden in Betrieb genommen. "Wir sind nicht Tesla, wir sind ein kleines Unternehmen", erinnert Kreisel, "unser Fokus sind spannende Projekte sowie Forschung und Entwicklung. Wir produzieren kleine Serien und vergeben Lizenzen." Egal welches Projekt, alle seien Traumprojekte, "eigentlich Albtraumprojekte", rutscht es ihm heraus, "denn wir können die vielen Aufträge derzeit kaum bewältigen." Gutes Marketing wirkt eben.

Birgit Schaller

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Bring mich heim…

Virtual Vehicle. Google arbeitet daran, Tesla macht es, fast alle Fahrzeug-Hersteller entwickeln in diese Richtung: automatisiertes Fahren. Auch in Graz wird daran getüftelt. Das Forschungszentrum "Virtual Vehicle" auf dem Gelände der Technischen Uni arbeitet an einem autonomen Auto. Am Ende der Entwicklung soll der Ford Mondeo Hybrid vollkommen selbstständig das Verkehrsgeschehen meistern. Warum der Mondeo, gibt es eine Zusammenarbeit mit Ford? Entwickler Allan Tengg: "Nein, aber bei diesem Fahrzeug lassen sich Lenkung, Brems- und Gaspedal am besten elektronisch ansteuern. Den Mondeo haben wir selber gebraucht gekauft." 

Jetzt wird der Ford mit zusätzlichen Sensoren, etwa Radar, Kameras und GPS, ausgerüstet und Hochleistungs-Hardware eingebaut. 

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Zusammenarbeit gibt es mit lokalen und internationalen Partnern, der Zeithorizont liegt bei knapp zwei Jahren bis zum fertigen autonomen Auto. Da trifft es sich gut, dass eine der Testregionen für autonomes Fahren schrittweise in und um Graz errichtet wird. Zuerst Autobahnabschnitte, später auch im Stadtgebiet. Mehr als 200 Mitarbeiter arbeiten bereits im Grazer Forschungszentrum, aber nicht ausschließlich am Mondeo, sondern auch an vielen anderen Projekten. Für Jost Bernasch, Geschäftsführer von Virtual Vehicle, ist das Forschungszentrum genau der "Missing Link" zwischen das universitären Forschung und industriellen Entwicklung.

Was ist die größte Schwierigkeit bei einem autonomen Fahrzeug? „Die genaue Erfassung der Umwelt ist eine große Herausforderung, aber am Ende muss die eigenständige Interpretation des Verkehrsgeschehens durch das Fahrzeug stehen“, erklärt Allan Tengg. Also so etwas wie eine künstliche Intelligenz? „Nicht nur so etwas, sondern genau das.“ Na, da gibt’s ja genug zum Grübeln bei der Rückfahrt in die Redaktion – ganz unautonom.

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Ein sauberes Angebot

Magna. Weltweit beschäftigt der Automobilzulieferer Magna 155.000 Mitarbeiter. In der öffentlichen Wahrnehmung wird der Konzern in erster Linie als Teilelieferant oder als verlängerte Werkbank von Autokonzernen wahrgenommen. So wird in Graz der Mercedes G gefertigt oder seit Kurzem der neue 5er BMW. Magna kann aber mehr: Es wird geforscht und entwickelt, von Einzelkomponenten über Sicherheitssysteme bis hin zu gesamten Fahrzeugen. Die neueste Errungenschaft: der FCREEV, ein fahrbarer Technologieträger. Der Name klingt sperrig, steht für Fuel Cell (Brennstoffzelle), Range Extended (reichweitenverlängert), EV (Electric Vehicle).

Ist prinzipiell ein Elektroauto auf Basis einer Mercedes V-Klasse, das an der Steckdose (oder induktiv, also berührungslos) aufgeladen wird. Ist der Akku leer, erzeugt eine Brennstoffzelle mithilfe von getanktem Wasserstoff zusätzlichen Strom. Vorteil: schnelles Tanken, größere Reichweite. Wann gibt es das Fahrzeug zu kaufen? Gerhard Krachler, Leiter Entwicklung und Produktstrategie bei Magna Steyr, lächelt: "Das ist kein Angebot für den Endkunden, sondern für Fahrzeughersteller." Nach dem Motto: Schaut, was wir können. Innerhalb überschaubarer Zeit kann das System für eine Serienfertigung adaptiert werden.

Obwohl es sich um einen Prototyp handelt, erscheint er bereits sehr ausgereift, bis hin zu den Anzeigen auf dem großen Bildschirm im Cockpit. Beide Achsen sind angetrieben (E-Motoren mit 75 und 50 kW), der Akku hat eine Kapazität von 16 kWh, die Brennstoffzelle leistet 25 kW, die Tanks fassen drei Kilogramm Wasserstoff. "Für einen Kunden kann man das alles auf Wunsch anpassen, wie bei einem Konfigurator: Allrad ja oder nein, Akkugröße, Leistung der Brennstoffzelle", erklärt Krachler. Hat schon einer angerufen? "Das Interesse ist vorhanden." Vielleicht gibt es ja bald ein Brennstoffzellenauto "Made in Austria". 

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