Blaulicht_Aufmacher_HH_CMS.jpg Heinz Henninger

Blaulicht von hinten: eine ganz alltägliche Situation, die dennoch Gänsehaut erzeugt – etwa an der Sperrlinie der Kreuzung, im Kreisverkehr oder im Tunnel. 

© Heinz Henninger

Blaulicht von hinten: eine ganz alltägliche Situation, die dennoch Gänsehaut erzeugt – etwa an der Sperrlinie der Kreuzung, im Kreisverkehr oder im Tunnel. 

© Heinz Henninger
November 2016

Alarmstufe Blau

So reagieren Sie richtig bei Einsatzfahrten von Rettung, Polizei und Feuerwehr. Und: Was Blaulichtfahrer dürfen – und was nicht.

Tatütata! Tatütata! Die 123 Dezibel des Folgetonhorns zerreißen die Stille über der nächtlichen Landstraße, im Rückspiegel erhellen tiefblaue Lichtblitze im Stakkato gespenstisch die Nacht: ein Rettungswagen auf dem Weg zur Unfallstelle. Er bahnt sich seinen Weg. Allein das Rote Kreuz muss an die drei Millionen Einsatzfahrten pro Jahr in ganz Österreich absolvieren. Viele davon mit Blaulicht. Fast alle haben so eine Situation schon einmal erlebt.

Aber: Reagieren Autofahrer richtig auf Einsatzfahrzeuge? „Meistens schon“, sagt Franz Jelinek, Chef des Stabes im Bundesrettungskommando des Roten Kreuzes. Richtig reagieren heißt: Platz machen, das Einsatzfahrzeug passieren lassen. Aber es gebe immer wieder Ausnahmen, so der langgediente Blaulichtfahrer. „Manche lassen ihre Musik im Auto so laut laufen, dass sie das Folgetonhorn des Rettungswagens überhören.“ So wie der junge Mann in seinem VW Golf, der lange nicht merkt, dass die Autos hinter ihm genau wie die ihm entgegenkommenden zum Straßenrand hin ausweichen. Erst als das Blaulicht seinen Innenraum erhellt, reagiert er.

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Blaulicht und Folgetonhorn: Das ist keine Frage entweder/oder. „Laut Straßenverkehrsordnung ist beides erlaubt, auch beides zusammen“, erklärt ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer. Ausnahme sind die Zivilstreifen der Polizei, die grundsätzlich beides verwenden müssen, weil sie ja äußerlich nicht als Einsatzfahrzeug erkennbar sind. Fahren Rettungswagen, Polizeistreife oder Feuerwehr ohne eine der beiden Einsatz-Kennzeichnungen, dürfen sie sich bloß über Fahrverbote, Einbahnstraßen und vorgeschriebene Fahrtrichtungen hinwegsetzen und die Busspur befahren.

Rotkreuz-Mann Jelinek bahnt sich seinen Weg mit Blaulicht durch die Nacht. Hat er selber entschieden, es zu verwenden? Nein, das entscheidet auf dem Weg zum Einsatzort ausschließlich die Leitstelle. „Am Unfallort gibt der Zustand des Patienten den Ausschlag“, so Jelinek.

Auch bei der Polizei ist es so, dass die Leitstelle entscheidet, wann es zu einem Einsatz kommt, der mit Blaulicht gefahren wird. Über den Einsatz des Folgetonhorns entscheidet bei allen Einsatzfahrten situationsbedingt der jeweilige Fahrer. Die Verwendung müsse protokolliert werden, ergänzt Verkehrsjurist Hoffer: „Verkehrsteilnehmer haben allerdings keine Chance zu beurteilen, ob die Einsatzfahrt begründet ist oder nicht. Sie haben sich immer so zu verhalten, als wäre sie zulässig.“ Pizza holen mit Blaulicht? „Ein schwerer Verstoß, ein absolutes No-Go“, so etwas komme nicht infrage, schwört Jelinek.

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Kurt Zeillinger (auto touring, links) trifft Franz Jelinek (Rotes Kreuz, Mitte) und seinen Kollegen vor dem Beginn ihrer Schicht im Rettungswagen.
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Letzte Checks vor Dienstbeginn. Der mitfahrende Sanitäter ist für die Ausrüstung verantwortlich.
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Franz Jelinek hat hinter dem Lenkrad Platz genommen. Es kann los gehen. Bald wird der erste Einsatz durchgegeben werden.

Was Fahrer von Einsatzfahrzeugen dürfen – und was nicht

Jelinek steuert den Rettungswagen durch eine Ortsdurchfahrt. Vor ihm ein Stau. Er fährt auf der Gegenfahrbahn daran vorbei. Überquert doppelte Sperrlinien und passiert eine Verkehrsinsel auf der falschen Richtungsfahrbahn. Wie der Video-Mitschnitt auf auto touring digital zeigt, reagieren einige Entgegenkommende zuerst irritiert, um dann aber doch zeitgerecht Platz zu machen. Müssen sie das? „Ja“, so Verkehrsjurist Hoffer, „Einsatzfahrzeugen ist sofort und ausreichend Platz zu geben.“ Nicht nur von Autofahrern, auch von Radfahrern und Fußgängern.

Ortsende. Einsatzfahrer Jelinek beschleunigt das Auto auf 115 km/h. Gilt für ihn eigentlich ein Tempolimit? „Vom Gesetz her nicht“, sagt er. „Aber unsere oberste Direktive ist, so schonend wie nur möglich zu fahren. Wir wollen ja sicher am Einsatzort ankommen.“ Erfahrungsgemäß werde die zulässige Höchstgeschwindigkeit aber um nicht mehr als 20 km/h überschritten.

Laut Martin Hoffer gibt es ein einziges Privileg, das Einsatzfahrzeuge ohne Blaulicht genießen: Sie dürfen im Halteverbot stehen, aber auch nur, wenn es der Einsatz erfordert.

Einsatzfahrzeugen mache ich sofort Platz. Glücklicherweise habe ich aber so eine Situation noch nie im Tunnel erlebt.

Magdalena Csonka, Clubmitglied

Die Sache mit der Rettungsgasse

Um Einsatzfahrzeugen auf Autobahnen und Autostraßen auch dort eine erleichterte Zufahrt zum Einsatzort zu ermöglichen, wo kein Pannenstreifen zum Ausweichen des stockenden Verkehrs besteht, wurde im Jänner 2012 das System der Rettungsgasse eingeführt (siehe Info-Kasten). Vorgeschrieben ist sie nur auf Autobahnen und Autostraßen im Freiland, aber: Sinngemäß gilt etwas Ähnliches im Ortsgebiet.

ÖAMTC-Verkehrsjurist Martin Hoffer: „Man hat sich dort so auseinander zu bewegen, dass die Einsatzfahrzeuge durchfahren können.“ Auf der dreispurigen Wiener Ringstraße geht das natürlich einfacher als auf einer Nebenfahrbahn. Hoffers Tipp: „Wenn ich der Einzige bin, der ausweichen muss, dann kann ich mir aussuchen, wohin. Wenn andere schon begonnen haben, in eine bestimmte Richtung auszuweichen, dann muss ich das sinngemäß fortsetzen. Wesentlich ist, zeitgerecht Platz zu machen.“

Rotkreuz-Stabschef Franz Jelinek meint, die Rettungsgasse funktioniere heute weit besser als zu Beginn. Das bestätigt auch eine Blitzumfrage unter Clubmitgliedern, die die auto touring-Redaktion an Stützpunkten in ganz Österreich durchführte.

Die Momentaufnahme ergab aber auch einige Unklarheiten, die Blaulicht-Einsatzfahrten in bestimmten Situationen bei anderen Verkehrsteilnehmern hervorrufen. 

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"Die Rettungsgasse funktioniert heute besser als zu Beginn", sagt Einsatzfahrer Franz Jelinek (rechts).
HE_2013-05-12_Rettungsgasse_03_CMS.jpg Helmut Eckler © Helmut Eckler
Erst umstritten, nunmehr von den meisten akzeptiert: die Rettungsgasse.
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"Früher kam es bei der Bildung der Rettungsgasse oft zu Missverständnissen", so Clubmitglied Jose Guerrero.

Bei Stau: Rettungsgasse!

Wenn auf einer Richtungsfahrbahn einer Autobahn oder Autostraße mit mindestens zwei Fahrstreifen der Verkehr ins Stocken gerät, muss man schon während des Fahrens eine Rettungsgasse bilden – und zwar immer, also auch dann, wenn im Moment keine Einsatzfahrzeuge wahrzunehmen sind. Alle Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen müssen links an den Fahrbahnrand heranfahren. Die Fahrzeuge auf allen anderen Fahrstreifen müssen so weit nach rechts fahren, dass sich eine freie Durchfahrtgasse bildet, die auch größeren Einsatzfahrzeugen Platz bietet. Der Pannenstreifen darf zur Bildung einer Rettungsgasse befahren werden, auch wenn man nie ganz ausschließen kann, dass auch dort einmal Einsatzfahrzeuge kommen könnten.

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Wie reagieren, wenn ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht…

… im Kreisverkehr auftaucht? Abgesehen davon, dass es meist eng wird: Auf keinen Fall im Kreisverkehr anhalten, denn das zwingt andere – und das Einsatzfahrzeug! – auch dazu. Am besten eine Runde weiterfahren, damit das Einsatzfahrzeug den Kreisverkehr verlassen kann. Oder, falls es dafür zu spät sein sollte, bei nächstmöglicher Gelegenheit Platz machen. Wenn das Einsatzfahrzeug in den Kreisverkehr einfahren will, keinesfalls auf dem eigenen Vorrang beharren.

… im Tunnel hinter einem fährt? Am besten mit erlaubter Geschwindigkeit weiterfahren, auf keinen Fall stehen bleiben! Am Tunnelende rechts heranfahren und das Einsatzfahrzeug passieren lassen. Die Pannenbucht ist nur bei leerem Tunnel eine Alternative. 

… sich an der roten Ampel von hinten nähert? Wer ganz vorne an der Ampel steht, darf seitlich in die Kreuzung einfahren, um Platz zu schaffen. Besteht keine Ausweichmöglichkeit, darf auch geradeaus in die Kreuzung hineingefahren werden, aber nicht weit und stets nur dann, wenn niemand anderer (etwa Fußgänger oder der Querverkehr) gefährdet wird.

… an der grünen Ampel entgegenkommend die Fahrtrichtung queren möchte? Dem Einsatzfahrzeug ist unbedingt Vorrang zu geben.

… sich einem Zebrastreifen nähert? Fußgänger müssen auf das Überqueren der Straße verzichten. Sollten sie andere Fußgänger bemerken, die optisch (Smartphone) oder akustisch abgelenkt sind und das Blaulicht deshalb nicht bemerken bzw. das Folgetonhorn nicht hören können, dann sind diese zu warnen bzw. vom Betreten der Fahrbahn abzuhalten, auch wenn es sich nicht um Kinder oder um Menschen mit Behinderung handeln sollte.

… eine Bau- oder Engstelle passiert und sich von hinten nähert? Bei der ersten gefahrlos möglichen Gelegenheit rechts ranfahren – das Blinken nicht vergessen! – und es passieren lassen. Aufpassen, ob nicht ein weiteres Fahrzeug nachkommt. Gibt es keinen Platz zum Ausweichen, bei der nächsten Gelegenheit nach der Engstelle ausweichen. 

… sich einer Kurve nähert? Wenn das Einsatzfahrzeug gefahrlos vorbeifahren bzw. überholen kann, ohne ein Problem mit dem Gegenverkehr zu bekommen, dann Tempo reduzieren und möglichst weit rechts fahren, aber keinesfalls stehen bleiben. Geht sich ein Überholen nicht mehr aus, einfach mit normalem Tempo die Kurve passieren und dahinter Platz machen.

Ganz wichtig laut ÖAMTC-Verkehrsjurist Hoffer ist auch die Bestimmung, die es verbietet, quasi die freie Bahn des Einsatzfahrzeugs auszunutzen und hinter ihm herzufahren: „Hinterherfahren ist nur im normalen Verkehrsfluss erlaubt!“

Franz Jelinek ist mittlerweile an seinem Zwischenziel, er hat den Unfallort erreicht. Während sich der Notarzt um den Verunfallten kümmert, die Abschlussfrage: Wie bleibt man in Stress-Situationen am Steuer cool? „Ständige Schulungen und Routine.“ 

Rotes_Kreuz_HH_0237_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Mit einem Rettungsauto weitgehend identisch...
Fahrsimulator1_Rotes Kreuz OOOE)_CMS.jpg Rotes Kreuz Oberösterreich © Rotes Kreuz Oberösterreich
... ist der Fahrsimulator im ÖAMTC-Fahrtechnikzentrum Marchtrenk.
Einsatzfahrt_OEAMTC_CMS.jpg ÖAMTC © ÖAMTC
Das spezielle Training für Einsatzfahrer bringt Souveränität im Blaulicht-Alltag.

Exklusiv: Simulator-Training

Für viele Einsatzfahrer von Rotem Kreuz, Polizei und Feuerwehren aus ganz Österreich sind Fahrtechnik-Trainings in den Fahrtechnikzentren des ÖAMTC seit Jahren ein fixer Bestandteil ihrer Ausbildung. Als richtungsweisend gilt auch das exklusiv am Standort Marchtrenk in Kooperation mit dem Roten Kreuz Oberösterreich angebotene Simulatortraining. Dabei können Gefahrensituationen risikofrei nachgestellt werden. Der Aufbau des Simulators entspricht dem Standard-Sanitätseinsatzwagen, die zu trainierenden Situationen werden aus der Unfall-Datenbank generiert. Das Simulator-Training wird auch Berufskraftfahrern (Lkw-Simulationen) und Pkw-Vielfahrern angeboten.

www.oeamtc.at/simulator 

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