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Ralph Velasco, Chef der Barkeeper im legendären Raffles Hotel in Singapur.

© auto touring/Kurt Zeillinger

Ralph Velasco, Chef der Barkeeper im legendären Raffles Hotel in Singapur.

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März 2015

Asia Cocktail

Singapur: Viele wechseln hier bloß das Flugzeug. Schade, denn so kraftvoll entwickelt sich keine andere Stadt. Ein berauschender Cocktail des neuen Asien.

Die Zutaten sind schon im Shaker. Nur noch Eiswürfel dazu, 16 Mal kräftig schütteln und in ein mit Eis gefülltes Hurricane-Glas abseihen: geliebte und gelebte Routine für Randolph Velasco, Resident-Mixologist im legendären Luxushotel Raffles. Singapore Sling heißt der fruchtig-süße Cocktail, der 1915 hier erfunden wurde und pro Tag bis zu 1.000 Mal um knapp 20 Euro über die Theke geht – ab 10 Uhr früh. Zu früh für mich. Ich bedanke mich für die Fotosession, verlasse die eisbärenstark herabklimatisierte Bar und tauche ein in die Vormittagshitze dieser atypischen Megacity.

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1 30 ml Gin, 15 ml Kirschlikör, 7,5 ml Cointreau, 7,5 ml Benedictine, 10 ml Grenadine, ein Spritzer Angostura, Zitronensaft, Ananassaft und Eis – schütteln, abseihen. Fertig ist der Singapore Sling. © auto touring/Kurt Zeillinger

2 Nobel. nobel: Täglich frische Orchideen in der Lobby des Raffles, einer Oase der Ruhe. © auto touring/Kurt Zeillinger

3 1887 gründeten vier armenische Brüder das Haus an der damaligen Strandpromenade. In seinem Garten wurde 1902 der letzte Tiger Singapurs erlegt. © auto touring/Kurt Zeillinger

Eine atypische Stadt

Atypisch? Auf alle Fälle. Denn der Stadtstaat, der seine 5,4 Millionen Menschen auf etwas mehr als der Fläche Wiens unterbringt, erstickt trotz Hochhaus-Schluchten nicht im Verkehr – weil es ein kleines Vermögen kostet, ein Auto zuzulassen. Unter den staufreien Straßen rast dafür die U-Bahn im 2-Minuten-Takt durch ihr engmaschiges Netz. Die Luft ist gut – weil es im Finanzzentrum Südostasiens zwar einen riesigen Hafen, aber kaum Industrie gibt. Die Gehsteige sind sauber – obwohl die drakonischen Strafen fürs Mistmachen angeblich kaum noch verhängt werden. Singapur: ein Wunderland zum Staunen, aber ohne das Chaos und Gewimmel der aufstrebenden Metropolen Asiens. Selbst die Singapurer geben sich relaxt. Und das, obwohl der Takt, den die Stadt vorgibt, für Europäer wie mich wie Hardcore-Techno mit 190 Beats pro Minute erscheint.

Doch bevor es Ernst wird mit dem neuen Singapur, genieße ich erst einmal den historischen Background – soweit er noch vorhanden ist. Dafür eignet sich eine Bootsfahrt auf dem Singapore River am besten. Die Boote starten im Halbstundentakt beim Merlion, dem Wahrzeichen der Stadt, einer Art Kreuzung eines Löwen mit einer Meerjungfrau.

Raus aus dem beschaulichen Touristenboot. Ich marschiere zu der geschwungenen Helix-Brücke, in einer Viertelstunde habe ich sie überquert. Bin an Dutzenden Porträts postenden Posern und ihren Smartphones auf Selfie-Stäben vorbeigelaufen und verrenke mir fast den Hals beim Heraufschauen: Vor mir das neue, alle Ansichtskarten dominierende Wahrzeichen, das Marina Bay Sands Hotel. Das Baumuster kenne ich aus der Kindheit, vom Kartenhäuser-Bauen. Bloß reichte meine Fantasie damals noch nicht aus, mir den riesigen, von Palmen umsäumten Infinity-Pool auf der Dachterrasse vorzustellen, die in 191 Meter Höhe die drei 55-stöckigen Hoteltürme überspannt. Schwimmen mit Blick hinunter auf die Stadt ist Hotelgästen vorbehalten, Besucher wie ich dürfen diese (und die Aussicht!) nur vom Café aus (eigener Lift auf die Terrasse) bestaunen. Und auf der anderen Seite zu den Gardens by the Bay hinabblicken, dem botanischen Park mit seinen 50 Meter hohen Supertrees, pflanzenbewachsenen Stahlgerüsten, die mit einer Art Baumkronenweg verbunden sind. Gestern Abend erlebte ich, wie sich die allabendliche Supertree-Beleuchtung im Takt der Musik ändert. Faszinierend kitschig.

Singapurs Ethno Cities

Und nun ab in die U-Bahn, in zehn Minuten in eine ganz andere Welt: Chinatown. Bunte alte, niedrige Häuser, quirliges Leben, das sich zum Großteil auf der Straße abspielt. Unter den Arkaden flaniere ich vorbei an Handwerkern und Ständen mit getrockneten Seepferdchen, die hier als Medizin gelten und besseres Standvermögen bei gewissen Tätigkeiten bieten sollen. Lausche den Falsettgesängen aus dem Tempel und inhaliere quasi im Vorbeigehen die Düfte Hunderter Garküchen. Singapur ist multi-ethnisch. Von der Essenz Chinas sind es nur ein paar Stationen bis nach Little India, ein Viertel wie im Farbenrausch. Überall bunte kleine Häuser und riesige Märkte voll mit geschäftigen Menschen. Unter der Budel werden sogar heimlich Kaugummis verkauft – die gibt es sonst nur in der Apotheke mit einem Rezept, als Zahnpflegemittel.

Hunger? Gibt’s nicht in Singapur

Das hat mir gestern Sternekoch Ryan Clift gesagt, der auch schon einmal in Österreich groß aufgekocht hat: als Gastchef im Salzburger Hangar 7. „Schon um ein paar Euro kannst du in unserer Stadt königlich essen!“, sagt der gebürtige Engländer, der seit fünf Jahren hier lebt. Freilich nicht in seinem Tippling Club, dem angesagtesten Restaurant der Stadt. Aber in den vielen Foodcourts und Hawker Stalls – wir würden sie „Fressstandeln“ nennen. Tipp: Saté-Spieße! Tatsache ist: Singapur schmeckt.

Das Menü im Tippling Club hatte mit umgerechnet 130 Euro zwar seinen Preis – aber was geboten wurde, war phänomenal. Zuerst einmal die Grüße aus der Küche: Knusper-Reis auf Curryschaum, im Glas serviert, gefolgt von transparenter Gazpacho, in einer Phiole serviert mit einem Stab aus getrocknetem Basilikum zum Umrühren, dann ein über Heu geräuchertes Wachtelei mit Seealgen und Asche. Danach drei Vorspeisen und zwei Hauptgerichte, darunter Messermuscheln auf fermentiertem Knoblauch mit kleinen Rüben – mein absoluter Favorit.

Der Tippling Club mit seiner offenen Schauküche wurde unlängst als eines der besten zehn Restaurants in Asien bewertet.

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Shopping in Singapur

Für den nächsten Tag habe ich mir einen Einkaufsbummel vorgenommen. Ich mache es wie die Bewohner Singapurs und nehme die MRT – so heißt die perfekt ausgebaute U-Bahn hier. Karten gibt es am Touchscreen-Terminal der Station, sie kosten umgerechnet € 1,50 pro Fahrt und können bis zu sechs Mal aufgeladen werden. Das geschieht mittels Induktion, in dem man das Ticket einfach in eine Mulde legt, Münzen in den Einwurfschlitz steckt und einen Button drückt. Mit dem Ticket geht es durch die Sperre hinab zur Metro – bloß wo sind die Gleise? Versteckt, hinter Schiebetüren aus Glas, die erst dann aufgehen, wenn der Zug da ist. Gedränge? Gibt’s nicht. Stationen und Waggons sind gut klimatisiert – alles andere wäre bei der feuchten Hitze in der Stadt eine Tortur.

In der Station Orchard Road steige ich aus und bin mitten im Shopping-Distrikt Singapurs. Breite Gehsteige unter Platanen, poppige Objekte und Installationen bildender Künstler, Hochhäuser, Wolkenkratzer, riesige Malls wie das Ion-Center und Flagships Stores internationaler Luxusmarken, die über mehrere Stockwerke reichen. Die Preise sind übrigens dem hohen Durchschnittseinkommen angepasst – und damit etwas höher als in Österreich. Darum hält sich die Zahl meiner Mitbringsel auch in Grenzen. Was soll’s – schon allein der Kunstwerke auf den Gehsteigen wegen gehört ein Bummel über die die Orchard Road zum Pflichtprogramm.

Time to say Good Bye

Am nächsten Tag heißt es Abschied nehmen: Die paar Tage im Stadtstaat sind vergangen wie im Flug. Und dabei gäbe es noch so viel zu sehen: Das moslemische Viertel rund um die Arab Street etwa, oder Sentosa Island, das Strandbad der Singapuris, eine Mischung aus Badeort und Wurstelprater samt Spielhöllen.

Ich mache noch einen Bummel vom Botanischen Garten durch die letzten im Kolonialstil erhaltenen Straßenzüge am Pearls Hill City Park, stärke mich in einem Food Court in einer alten viktorianischen Markthalle, bevor ich auf einen Abschiedsdrink zu Randolph in der Long Bar des Raffles Hotel vorbeischaue.

Im Raffles wartet Randolph Velasco bereits auf mich. Ich frage, ob es für ihn o.k. ist, wenn ich die Videofunktion der Kamera mitlaufen lasse, während er mir jenen Longdrink mixt, den Ngiam Tong Boon erfunden hatte, der 1915 hier hinter der Bar stand. "Kein Problem", meint Randolph, "nur zu!"

Nach dem Drink wartet bereits das Taxi zum Flughafen. Der Changi Airport am nördlichen Stadtrand Singapurs ist riesengroß: Die gläserne Verbindungsbahn, die mich – ohne Fahrer – in fünf Minuten von der Abfertigungshalle zum Terminal bringt (zu Fuß sind es 25 Minuten Marsch, wenn man der Beschilderung Glauben schenkt), zeigt ihren Passagieren die Weitläufigkeit des Geländes.

Der Airport soll übrigens demnächst ausgebaut werden. Auf der Website des Airports sind bereits die Renderings zu sehen: Ankommende wie Abfliegende sollen sich fühlen wie in einer immergrünen Dschungelwelt mit Regenwald und Wasserfällen.

13 Stunden Flug liegen vor mir, unterbrochen durch einen vierstündigen Aufenthalt in Dubai – ein langer Weg. Aber er lohnt sich.

So long, Singapur!

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