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Ein früher Nachmittag in Auxerre zerrint in trägem Wohlergehen.

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Ein früher Nachmittag in Auxerre zerrint in trägem Wohlergehen.

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Februar 2018

Das Leben als Lust

Viel mehr als nur Urlaub: Das französische Burgund fügt Körper und Seele zu einer glücklichen Einheit neu zusammen. 

So gegen dreizehn Uhr hat eine hartnäckige Sonne den Herbstnebel über dem Fluss endgültig vertrieben. Wir lassen uns oben an Deck des "Péniche" nieder – eines zum Restaurant umgebauten Flussschiffes, das für immer am Quai de la Marine des verträumten burgundischen Städtchens Auxerre angelegt hat. 

Den Tipp haben wir von Marion Steininger vom hiesigen Tourismusbüro bekommen, die schon seit Jahren die wachsende Zahl der Gäste aus Deutschland und Österreich in ­deren Muttersprache berät. Es ist warm geworden. Schnell werden Sonnenschirme aufgespannt und Jacken ausgezogen. Und es wird ordentlich zugegriffen, wer möchte, bei Schnecken in Kräuterbutter (Escargots à la Bourguignonne) oder auch bei Wurst- und Käsespezialitäten. Dazu gibt es den berühmten weißen Aligoté-Wein. Gut gekühlt, versteht sich. 

Währenddessen dehnen sich die Minuten zu Viertel- und Halbstunden. Der frühe Nachmittag zerrinnt in trägem Wohlergehen. Wie die Wasser der Yonne unter dem Restaurantschiff fließen die Gespräche hier- und dorthin, ohne zu einem vernünftigen Schluss zu kommen. Wie schön! 

Bei den Top-Reisezielen der Österreicher in Frankreich steht das Burgund (seit der Verwaltungsreform 2016 zu der Region Bourgogne/Franche-Comté vereinigt) wohl zu Unrecht seit jeher im Schatten von Paris, Côte d’Azur, Loire-Tal sowie Normandie und Bretagne. Doch lassen sich die – mit uns auch historisch verbundenen – Landschaften des französischen Burgund mit einem sogenannten Dreiecksflug besonders gut erkunden: Man fliegt nach Paris, ist in zwei Autostunden in Auxerre und klappert dann die Höhepunkte bis hinunter in die Weinstadt Beaune ab, von wo aus man wiederum nur zwei Stunden nach Lyon benötigt, dem Ausgangspunkt für den kurzen Rückflug etwa nach Wien. 

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Lebensstil und Liebeleien

Paris kann also für die Liebe stehen, die Côte d'Azur für das Vergnügen, das Loire-Tal für die Kultur sowie Normandie und Bretagne für die gelungene Symbiose von Land und Meer. Ins Burgund aber reisen wir, um das Leben an sich zu feiern – freilich in seiner urfranzösischen Ausprägung. Die einzelnen Zutaten zu dieser Mischkulanz erschließen sich dem Reisenden während einer oder zwei Wochen in diesen Landschaften, in denen das Herz Frankreichs schlägt, wie von selbst.

Die Dehnung der Zeit, oder genauer, eine gewisse Wurschtigkeit gegenüber ihrem unerbittlichen Verrinnen ist burgundische Lebensart nicht nur während eines scheinbar end­losen Mittagessens an den Ufern der Yonne. Zwischen den sanft ansteigenden und von einer wohlmeinenden Sonne verwöhnten ­Hügeln, Quellen der berühmtesten Weine der Welt, geht alles ein bisschen gemütlicher zu als im großen Rest der auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit getrimmten Welt. Es muss immer Zeit für ein gutes Gespräch mit dem lieben Gast oder dem werten Kunden sein. Und man darf auch ruhig einmal ein paar Minuten zu spät kommen, da wird schon niemand wirklich böse sein.

Dass die Liebe zu den burgundischen Ländereien aber vor allem durch den Magen geht, bleibt keinem Reisenden verborgen. Gut essen zu gehen, gehört hier zum Lebensstil – und man lässt es sich auch etwas kosten. Zumindest 30 Euro pro Person sollte man (ohne Weinbegleitung) für ein Abendmenü einkalkulieren, zu dem sich die Menschen so etwa um 19.30 Uhr einfinden. Denjenigen, die gerne auf spezielle Tipps zurückgreifen, sei hier neben dem "Péniche" in Auxerre die frisch umgebaute und trendige Brasserie "Le Pré aux Clercs by Georges" auf der Place de la Libération im Herzen Dijons empfohlen. In Beaune lohnt es sich, einen Tisch im stets gut besuchten "Cheval Noir" gleich außerhalb der Stadtmauer zu buchen. In Burgund wie in ganz Frankreich fährt man beim Essen am besten, wenn man sich auf die aktuellen Empfehlungen des Hauses verlässt. 

An der "Route des Grands Crus"

Noch schwieriger ist es, exakte Weinempfehlungen auszusprechen, zu vielfältig ist das Angebot. Vielleicht die beste Möglichkeit, sich von Bedeutung und Vorzügen der weltberühmten burgundischen Weine zu überzeugen, ist eine Tour entlang der "Route des Grands Crus". Schnell, sicher und trendig ist man dabei unterwegs, wenn man dabei aufs Auto verzichtet und mit Elektro-Geländerollern von Kick 'n' Go drei Stunden lang auf Feldwegen durch die Weinberge gleitet.

Die Tour führt durch Bilderbuch-Dörfer unter anderem zum schlossartigen Clos de Vougeot und zur Grand-Cru-Lage von Montrachet, dem mit bis zu 9.000 Euro pro Flasche angeblich teuersten Weißwein des Planeten. Überall werden Verkostungen angeboten, die ab zehn Euro aufwärts kosten: Etwa auch in der Domaine Quivy im Dorf Gevrey-Chambertin, wo Pinot Noir in fünf verschiedenen Qualitäten angeboten wird. 

Das leichte Leben, die anschmiegsame Landschaft, die außergewöhnlichen kulinarischen Genüsse und die phantastischen Weine – das alles zusammen bildet also den gelungenen Rahmen für die kulturellen Entdeckungen, die im Burgund während einer Rundreise warten. 

Das erste Reich der Burgunder (sie stammten wahrscheinlich von Bornholm in Schweden) war 437 von den Hunnen vernichtet worden, der Rest des Volks zog über den Rhein. Hier bekamen sie es 534 mit den Franken zu tun – übrig blieb nur der Name Burgund. Fast tausend Jahre später erreichte die Macht der Herzöge von Burgund ihren Höhepunkt. Noch heute sichtbares Zeichen davon sind ihre monumentalen Grablegen im zum Museum umfunktionierten "Palais des Ducs" von Dijon – ein Meisterwerk spätmittelalterlicher Kunst. Doch Karl der Kühne fällt 1477 in der Schlacht bei Nancy, seine Tochter Maria heiratet Kaiser Maximilian. Ein Teil des historischen burgundischen Reiches fällt somit an das Haus Habsburg – und damit an Österreich. 

Epoche machende Kunst

Eine ausgedehnte Fußgängerzone macht die Erkundung von Dijon, der Hauptstadt des Burgunds, neuerdings zum Vergnügen. Dafür sorgen nicht nur die vielen Restaurants und Cafés, sondern auch die prachtvollen Palais reicher Bürgerfamilien.

Die Geheimnisse des weltbekannten Dijon-Senfs von Fallot kann man in einem schönen Geschäft hinter der Kirche Notre-Dame erkunden. Oder man besucht gleich die gleichnamige Senffabrik  in der Nachbarstadt Beaune, wo eine kurzweilige Schau-Führung mit Verkostung angeboten wird. Um es kurz zu machen: 20.000 Tonnen Senf werden hier pro Jahr produziert, Dijon-Senf selbst ist nicht mehr (oder nicht weniger) als ein gefinkeltes, gut gehütetes Rezept. Stolz ist man darauf, dass mittlerweile der Großteil der Senfkörner wieder aus dem Burgund kommt und nicht mehr aus Kanada importiert werden muss. 

Kulturelle Attraktion der schönen Weinstadt Beaune ist – ein Krankenhaus. Aber was für eines! Um 1443 ließ Nicolas Rolin, Kanzler des Herzogs von Burgund, diesen "Palast für die Armen" bauen – auch als seine eigene Lebensversicherung fürs Jenseits. Zu jener Zeit, in der man Kranke meist einfach aus den Städten schmiss und ihrem Schicksal überließ, war das eine revolutionäre Tat.

Aber nicht der original eingerichtete Krankensaal alleine macht die Faszination dieses Ortes aus, sondern Rogier van der Weydens Flügelaltar "Das Jüngste Gericht" mit seinen einzigartigen Darstellungen eines Erzengels mit der Seelenwaage und den zur Hölle fahrenden Sündern. Man möchte sagen, dass alleine der Anblick dieses epochemachenden Kunstwerks den Weg ins Burgund lohnt.
 
Absoluter Höhepunkt jeder Burgund-Reise wird aber der Besuch der Abtei- und Wallfahrtskirche von Vézelay sein. Das Bauwerk, das auf einzigartige Weise den Übergang von der Romanik zur Gotik darstellt, beherbergt (angeblich) eine Rippe der heiligen Magdalena. Die drei Teile der Wallfahrtskirche symbolisieren das Leben der engen Begleiterin von Jesus Christus aus der Dunkelheit über den gemeinsamen Weg bis hin zur Auferstehung ins Licht.

Wie bei einer weltlichen Reise ist also auch hier der Weg das Ziel. Und die Versuchungen sind groß. Ist doch der Aufstieg zur berühmten Basilika, den vor fast tausend Jahren König Richard Löwenherz zu bewältigen hatte, heute gespickt mit einladenden burgundischen Restaurants und Spezialitäten-Geschäften, die den Reisenden auf seinem Pilgerweg in Versuchung führen. Das schöne Burgund ist also immer beides gleichzeitig: Gottes Werk und Teufels Beitrag.  

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Infos fürs Burgund: In den großen Tourismus-Büros spricht man auch Deutsch, viele Internet-Seiten sind mittlerweile deutschsprachig.
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