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© Daimler-Benz/Ferrari F1/AMG-Mercedes F1
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Mai 2018

Wer fängt Fangio?

Vettel oder Hamilton? Einer von beiden wird heuer zum fünften Mal Formel-1-Weltmeister und in der ewigen Bestenliste zum Argentinier Juan Manuel Fangio aufschließen.

Es passiert. Heuer noch. Entweder Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton wird Juan Manuel Fangios fünf Formel-1-Weltmeistertitel egalisieren. Klar, Michael Schumacher thront mit sieben Titeln über allen. Doch an zweiter Stelle steht bis Ende dieser Saison allein der fünffache Weltmeister Fangio.

Fakt ist, es gab bis heute nur drei Vierfach-Weltmeister in der Königsklasse des Automobilrennsports: Alain Prost, aber der spielt nicht mehr mit. Lewis Hamilton – sein Mercedes war zu Saisonbeginn das beste Auto. Und Sebas­tian Vettel, der seinem Vorbild Michael Schumacher nacheifern und unbedingt Weltmeister in Rot werden will. In einem Silberpfeil hätte er vielleicht auch schon sieben Titel.

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Juan Manuel Fangio: Society-Löwe und Superstar

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1951. Vor dem Start zum argentinischen Grand Prix besucht Fangio (Mitte) Staatschef General Juan Perón und Gattin Eva auf der Ehrentribüne.
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1954. Das legendäre Mercedes-Benz Formel-1-Team: Hans Herrmann, Juan Manuel Fangio und Karl Kling (von rechts nach links). Herrmann und Fangio wurden später Freunde fürs Leben.
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1955. Auf dem holländischen Dünen-Kurs von Zandvoort bekommt Fangio von seiner Lebensgefährtin Andrea ein schmachtendes Siegerbusserl.

Wer war dieser Juan Manuel Fangio, den sie "El Chueco", den Krummbeinigen, nannten? Ein Spitzname, der noch aus seiner Zeit als Kicker stammte.

"Das wissen nur noch Stirling Moss und ich", sagt der rüstige 90er Hans Herrmann am Tele­fon. Als Alfred Neubauer, der legen­däre Mercedes-Benz-Rennleiter, Hans Herrmann in sein Formel-1-Team holt, ist der Argenti­nier bereits ein Star. "Ein Superstar!", wirft Herrmann ein. "Wenn Fangio in ein Lokal oder zu einer Veranstaltung gekommen ist, sind die Menschen aufgestanden. Er war ein edler Charakter, mit unglaublicher Ausstrahlung, dem die Welt zu Füßen lag."

Obwohl Konkurrenten, gab Fangio dem jungen Hans Herrmann auf den Rennstrecken der Welt Nachhilfe, sprich: Highspeed-Fahrunterricht.

Fangio, das argentinisches Renn-Tier

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1954. Großer Preis von Frankreich. Fangio auf Pole im Stromlinien-Mercedes-Benz (W 196 R) mit Startnummer 18.
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1955. Siegerehrung beim Großen Preis von England in Aintree. Der Sieger: Stirling Moss, Juan Manuel Fangio diesmal nur Zweiter.
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1955. Juan Manuel Fangio auf Mercedes vor dem Hôtel de Paris in Monte Carlo.

In Monaco fuhr er vor Herrmann her, um ihm die Strecke zu zeigen. Für eine schwierige Rechts in Buenos Aires demonstrierte er dem Deutschen, wie man sich mit dem Vorderrad am Fahrbahnrand einhängt und die Kurve so noch schneller durchfahren kann. Wer würde das heute für einen Teamkollegen tun? "Niemand!" Da ist sich Hans Herrmann sicher.

Fahrerisch war Fangio sowieso Extraklasse. Anders als der ungestüme Stirling Moss quetschte Fangio die Autos dosiert aus, brachte sie fast immer ins Ziel. "Danach hätten die Kisten keine drei Runden mehr durchgehalten", erinnert sich Herrmann.

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Die Beziehung zwischen Hans Herrmann und Juan Manuel Fangio überdauert ihre Rennkarrieren, wird zur Freundschaft. Sie treffen sich immer wieder in Deutschland bei Mercedes oder in Hans Herrmanns Haus nahe Stuttgart. Sitzen vor dem Kamin und kochen zusammen Asado, ein argentinisches Grillgericht. "Fangio war im Grunde ein bescheidener Mensch, wie alle großen Charaktere." Darum sieht Hans Herrmann Ayrton Senna ganz nah bei seinem Freund. Und gleich danach kommt für ihn schon Lewis Hamilton. "Bei Vettel ist das Auto ein Unsicherheitsfaktor." Also wer wird heuer mit fünf WM-Titeln zu Fangio aufschließen? Herrmanns Antwort kommt wie ein Schuss: "Hamilton, ganz klar!"

Siegertypen damals und heute

HamiltonM152210_CMS.JPG AMG-Mercedes F1 © AMG-Mercedes F1
Lewis Hamilton steht total auf Silberschalen…
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… Fangio feierte seine Siege mit einem kräftigen Schluck Bier…
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… während Sebastian Vettel gerne seine Trophäen küsst.

Lewis Hamilton also, das fahrerische Ausnahme-Talent. Bescheiden? Nie und nimmer. Der extrovertierte Engländer mit karibischen Wurzeln lebt in Monaco, unterhält ­einem Luxus-Fuhrpark mit Shelby Cobra, Maybach und US-Dragster. Reist wie Niki Lauda im Bombardier-Privatflieger. Ist schrill und stylish gekleidet, heftig tätowiert, liebt protzige Goldketten, trägt Diamanten und Rapper-Sound im Ohr. Er trifft Obama, feiert mit Popstars wie Rihanna ab. Auf Parties trinkt der Apfelsaft-Junkie gern ein paar Tequilas und er hat weder Zeit noch Lust auf eine feste Beziehung. Außer zu seinen Hunden: Die englischen Bulldoggen Coco und Roscoe begleiten ihn zu fast allen Rennen. Doch der Lebemann, aufgewachsen in der Arbeiterstadt Stevenage nördlich von London, hat auch eine soziale Seite. Er kümmert sich rührend um seinen behinderten Bruder und unterstützt viele Charity-Projekte. Da ist sie wieder: die Nähe zu Senna.

Sebastian Vettel tickt völlig anders. Er ist besessen, ein Tüftler, den die Mechaniker lieben. Allein schon wegen seines reichen Wortschatzes an englischen Slang-Schimpfwörtern. Früher gab der Deutsche seinen Boliden schlüpfrige Namen wie Randy Mandy oder Kinky Kylie. Aber dennoch war Vettel immer Familienmensch. Er lebt in langjähriger Beziehung mit seiner Hanna und ist schon zweifacher Vater. Er ist erdig, schlagfertig, humorvoll. Wie sein Vorbild Michael Schu­macher lebt er in der Schweiz, schirmt wie kein anderer sein Privatleben vor der Öffentlichkeit ab. Und statt auf Rapper-Rhythmen steht der Heppenheimer auf die Beatles auf Vinyl.

Fast & Furios

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1955: Juan Manuel Fangio in Buenos Aires. Als einziger Spitzenfahrer fuhr Fangio das Rennen ohne Ablösung durch und gewann überlegen.
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Lewis Hamilton auf einer Zauberrunde in Bahrain. Gewinnt er heuer seine fünfte Weltmeisterschaft?
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Auch Sebastian Vettel will den fünften Titel. Doch die Performance seines Ferraris SF71H ist ein Unsicherheitsfaktor.

Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel: Beide hassen es, zu verlieren, an beiden zerbrechen permanent Teamkollegen. Vettel – ­typisch deutsch – gibt nie auf. Hamilton fährt Zauberrunden. Im Raunzen am Funk sind sich die beiden Alphatiere ebenbürtig, vor allem wenn FIA-Renndirektor Charlie Whiting mithört.

Vorteil für Vettel ist seine mentale Stärke. Hamilton verliert, wenn es nicht läuft, schnell die Motivation. Und weil Vettel eh schon die Fünf am Auto hat, glaubt der Schreiber dieser Zeilen, dass der Deutsche heuer seine fünfte Weltmeisterschaft einfahren wird. Aber dafür braucht er von Ferrari ein standfestes, schnelles Auto; und immer die beste Strategie. Da hatten Hamilton und die Mercedes-Boys aus Brackley zuletzt immer die Nase vorn. Also hat Hans Herrmann vielleicht doch richtig getippt?

Fangio_65768_CMS Kopie.jpg Daimler-Benz
© Daimler-Benz

High Five von Fangio

Die Bestenliste der Formel-1-Weltmeister

7 WM-Titel: Michael Schumacher 1994, 1995, 2000–2004.

5 WM-Titel: Juan Manuel Fangio 1951, 1954–1957.

4 WM-Titel: Alain Prost 1985, 1986, 1989, 1993.
Lewis Hamilton 2008, 2014, 2015, 2017.
Sebastian Vettel 2010–2013.

3 WM-Titel: Jack Brabham, Jackie Stewart, Niki Lauda, Nelson Piquet und Ayrton Senna.

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