Angelika_Wild_Slacklinerin_2015-03_HH_194_CMS.jpg Heinz Henninger
© Heinz Henninger
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Mai 2015

Tanz in luftiger Höhe

Slacklinerin Angelika Wild packt in ihren Kofferraum das 2,5 Zentimeter breite Slackline-Band, ihren Klettergurt und, für sie am allerwichtigsten: den MP3-Player samt ihrer Musik. 

Angelika Wild ist schon Hunderte Male auf der Slackline balanciert. Aber heute ist sie doch ein wenig nervös: Kameramann und Fotograf haben sie permanent vor der Linse. Sie lacht und scherzt mit uns. Sie weiß, dass sie es kann. Die Line ist nicht besonders lang: 30 Meter sind es quasi von "Ohrwaschl" zu "Ohrwaschl" auf der Besucherplattform des Hauses des Meeres in Wien. Angelika vertraut ihrem Können. Plötzlich wird die 31-Jährige ernst: Sie steckt sich die Kopfhörer des MP3-Players in ihre Ohren, fokussiert einen Punkt am anderen Ende des Bandes, blendet uns alle gänzlich aus. Auch die Schulklasse, die – mucksmäuschenstill und mit offenem Mund – zuschaut, wie sie akribisch einen Fuß vor den anderen setzt.

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Slacklinen am Peilstein.
Angelika_Wild_Slacklinerin_2015-03_HH_242_CMS.jpg Heinz Henninger © Heinz Henninger
Angelika Wild im Interview.
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Hohe Wand mit traumhaften Ausblick.

— Warum ist die Musik während des Slacklinens so wichtig für dich? 

ANGELIKA WILD:  Die Musik bringt mich auf positive Gedanken. Bucovina Club oder Russkaja höre ich oft, bevor ich losgehe. Auf der Line selbst spiele ich mir immer das selbe Lied vor: "Killing me softly" (lächelt schüchtern). Das ist zwar nicht meine Musikrichtung, aber ich habe einfach den Text intus. Ich muss ihn immer und immer wieder hören, um konzentriert zu bleiben. Das ist wie ein Mantra für mich. Deswegen habe ich zwei MP3-Player mit. Das ist mir sogar wichtiger als das Slackline-Equipment, das ich mir zur Not ausborgen kann. Aber ohne meine Musik kann ich nicht über die Line laufen. 

— Woran denkst du, bevor du losgehst?

ANGELIKA WILD: Ich sage mir vor: Ich kann das. Ich will das. Wenn ich nicht will, geht es auch nicht. Es ist reine Kopfsache. Man braucht eigentlich auch nicht viel Kraft. Ab einer gewissen Länge ist es natürlich die eigene Masse, die man im Zaun halten muss. Wichtig ist einfach, dass man im Kopf stark ist. 

Eigentlich ist es absurd: Ich suche mir die schönsten Plätze zum Slacklinen und dann fixiere ich während dem Balancieren nur einen einzigen Punkt.

Angelika Wild, Slacklinerin

— Was ist der Unterschied zum Seiltanzen?

ANGELIKA WILD: Na ja, das Material. Wir gehen auf einem Poly­ester- oder Polyamid-Band, Seiltänzer auf einem Stahlseil. Das ist statisch, das gibt nicht nach. Unsere Line bricht seitlich stark aus. 

— Was gefällt dir am Slacklinen? 

ANGELIKA WILD: Mir geht’s ums Rausgehen, an entlegene Orte zu gelangen, wo sonst niemand hinkommt. Die Kulisse in den Dolomiten ist einfach ein Wahnsinn. Von dem Plateau auf dem Monte Piana habe ich einen 360-Grad-Blick über die Berge. Aber das Absurde am Highlinen ist, dass man sich die schönsten Spots aussucht und dann klammert man ja eigentlich alles andere aus, fixiert nur einen einzigen Punkt am Ende der Line. Dieser Tunnelblick gibt mir Gleichgewicht. Je länger die Lines sind, desto schwieriger ist es, den Punkt zu halten.  

— Du legst viele Kilometer für deine Leidenschaft zurück. Immer mit deinem Auto?

ANGELIKA WILD:Ja. Ich bin gerne unabhängig und in die Berge komm’ ich einfach nicht anders. Wenn ich mit meinen Freunden auf Slackline-Tour bin, haben wir doch sehr viel Material mit. Ehrlich gesagt benötige ich noch das passende Auto dafür. Ich fahre ein VW-Cabrio – das ist nicht optimal. Letztes Jahr bin ich mit dem Škoda Octavia Combi meines Vaters bis in die Niederlande gefahren. Das war praktisch: Ich hatte Küche und Kabinett im Kofferraum.

— Deine Urlaube werden also nach denLines in Europa geplant?

ANGELIKA WILD:Ja, denn neben meinem Vollzeitjob schaffe ich es leider nicht öfter als zweimal die Woche zum Slacklinen. Vor ein paar Wochen war ich in Geyikbayırı südwestlich von Antalya in der Türkei beim Highline Carnival – diesmal war ich aber mit dem Flugzeug unterwegs. Eigentlich mag ich Festivals nicht. Es ist mir einfach zu viel los, und man wartet lange, um dranzukommen.

— Warum hört und liest man so wenigüber weibliche Slackliner?

ANGELIKA WILD:Hm. Frauen sind nicht so mediengeil. Ich habe ja nichts davon.(lacht)

— Gibt es Slackline-Meisterschaften?

ANGELIKA WILD:Nein, aber es werden fast täglich neue Weltrekorde gelaufen.

— Und was ist dein nächstes Ziel?

ANGELIKA WILD:Die 66-Meter-Line auf der Hohen Wand ist gerade mein Projekt.

— Wo können Slackline-Interessierte ihre ersten Schritte wagen?

ANGELIKA WILD:Sie können zum Vereins-Slack auf der Arenawiese im Wiener Prater kommen – jeden Freitag ab 14 Uhr! Dort treffen sie Gleich­gesinnte. Nähere Informationen dazu bekommt man bei meinem Slackline-Verein (www.vienna-slackliners.at).

Die porträtierte Slacklinerin möchte nicht mit vollem Namen genannt werden.

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