Kapitän Vincent Cofalka gestikulierend im Interview mit auto touring
© Sebastian Weissinger
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November 2025

Von den Bergen auf die Brücke

Der Vorarlberger Vincent Cofalka ist Kapitän auf einem der umweltfreundlichsten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Warum er sich für ein Leben auf See entschieden hat, wie die Schifffahrt nachhaltiger wird und ob er im Notfall wirklich als Letzter von Bord geht.

Was hat Sie dazu bewegt, Kapitän eines 337 Meter langen Schiffes zu werden, mit dem rund 7.000 Menschen unterwegs sind?

Ich wollte nach Abschluss der Schule einfach ­etwas anderes machen. Zufälligerweise fiel mir damals ein Flyer über neue Ausbildungswege in der deutschen Seeschifffahrt in die Hände. Das fand ich so spannend, dass ich mich bewarb. Ich wurde ausgewählt, erhielt also tatsächlich einen Ausbildungsplatz, und setzte im Jänner 1997 zum ersten Mal in meinem Leben einen Fuß auf ein Schiff. Das war der große Vorteil dieser Ausbildung zum nautischen Offiziersassistenten: Man startete direkt mit der Praxis und wusste schnell, ob es einem liegt.

Wurden Sie in all den Jahren seitdem auch einmal seekrank?

Es gibt die Redewendung, wonach man keinem Seemann trauen soll, der noch nie seekrank war (lacht). In jüngeren Jahren hat es mich öfter erwischt. Heute passiert mir das kaum noch.

Was hilft dagegen?

An Deck gehen, den Horizont fixieren. Das löst die Diskrepanz zwischen Sehsinn und Gleichgewichtsorgan. Denn im geschlossenen Raum meint der Sehsinn, dass alles gerade ist. Das Gleichgewichtsorgan im Ohr meint jedoch, dass gleichzeitig alles schief ist, weil es die Bewegungen des Schiffes registriert.
Was noch hilft, ist, eine Kleinigkeit im Magen zu haben.

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Capitän Vincent Cofalka lachend mit auto touring Redakteur Alexander Fischer
© Sebastian Weissinger

Die See fasziniert Sie, weil…

… sie nie gleich ist und mich auf eine bestimmte Art magisch anzieht. Und so wie die See nie gleich ist, ist auch mein Job nie gleich, sondern sehr abwechslungsreich. Für mich bietet die Seefahrt einen eigenen Mikrokosmos mit ständig wechselndem Umfeld, das mag ich.

Was schätzen Sie an Ihrem Job besonders?

Dass sich mein Arbeitsplatz bewegt. Jede Reise unterscheidet sich von der vorherigen. Dazu kommt das komplexe Arbeitsumfeld. Ich weiß morgens nicht, welche Herausforderungen der Tag bringt. Wir vereinen auch viele Nationen, Kulturen und Mentalitäten auf engstem Raum.

Erleben Sie Stress an Bord?

Wir arbeiten ähnlich standardisiert wie in der Luftfahrt, folgen strengen Sicherheitsstandards und Protokollen. Für nahezu jede Situation existieren Verfahrensanweisungen. Wir üben permanent verschiedene Szenarien, auch im Simulator. Natürlich entstehen manchmal stressige Situationen, aber wir besitzen Methoden zur Analyse, Entscheidungsfindung und Verifikation. Der große Unterschied zur Luftfahrt: Wir arbeiten weitgehend operativ autonom und übernehmen Verantwortung für unsere Entscheidungen.

Was empfinden Sie als unangenehm?

Es sind eher die vielen Kleinigkeiten, die sich summieren. Manchmal herrscht schlechtes Wetter oder etwas geht kaputt. Außerdem wächst der Verwaltungsaufwand. Ich verbringe sehr viel Zeit am Computer.

Die See zieht mich auf eine bestimmte Art magisch an. Sie ist nie gleich, so wie mein Job. Ich mag das. 

Vincent Cofalka, Kapitän des Kreuzfahrtschiffs Aida Cosma

Wie verläuft ein typischer Arbeitstag?

Bei einer 7-Tage-Reise besuchen wir meist fünf Häfen. Wir fahren in der Nacht und liegen ­untertags vor Anker.
Eine Stunde vor Anlege-Manöverbeginn ­stehe ich auf, dreißig Minuten später erscheine ich auf der Brücke. Nach Lageaustausch und ­Manöverbriefing folgt das Manöver selbst. ­Hinterher Nachbesprechung, Frühstück und ­Büroarbeit. Ich hole Infos von meinen direkten Ansprechpartnern ein, dem Staff Captain, dem Chief Engineer und dem General Manager. Danach inspiziere ich verschiedene Abteilungen, erledige Büroarbeit.
Nach dem Mittagessen folgt die Manöverbesprechung fürs Auslaufen, dann das Manöver. Abends mache ich oft einen Rundgang durch die Outlets, um Belegung und Stimmung zu prüfen.

Kennen Sie jeden Winkel Ihres Schiffes?

Vielleicht nicht jeden Millimeter, aber ich kann mich überall orientieren.

Der Verkehr- bzw. Transportsektor gilt als einer der größten CO2-Verursacher weltweit. Dazu zählen Straßen- und Flugverkehr, aber auch die Schifffahrt. Wie kann die Schifffahrt in Zukunft noch grüner werden?

Viele vergessen, dass über 90 % des internationalen Warenverkehrs über See läuft. Pro Tonne und Kilometer entstehen bei der Seefracht also schon jetzt deutlich weniger Emissionen als beim Landverkehr. In puncto Nachhaltigkeit kann aber noch einiges gemacht werden.

Zum Beispiel?

Mit Flüssigerdgas-Antrieben hat AIDA Cruises eine nachhaltigere Brückentechnologie eingeführt, obwohl man dabei in der Branche anfangs oft auf Widerstand stieß.
Durch Big-­Data-Analyse der etwa 40.000 unterschiedlichen Messpunkte unseres Schiffes optimieren wir laufend die Treibstoffeffizienz. Wir testen Batterie-Pack-Systeme mit zehn Megawattstunden und erforschen Biokraftstoffe. So kann das auf der Aida Prima installierte Batteriepacksystem beispielsweise während eines Manövers genutzt werden, um Emissionen zu reduzieren.

Langfristig könnten Technologien wie die Brennstoffzelle interessant werden. Die Branche ist aber davon abhängig, wie die technische Entwicklung voranschreitet. Bis 2050 soll die Flotte Netto-Null-Emissionen haben.
Außerdem optimieren wir die Vorgänge an Bord, etwa die Versorgungslogistik, und reduzieren Müll durch das Einsparen von Verpackungen.

Apropos Versorgung: Wie viele TonnenAusrüstung werden für eine Reise geladen?

Alle 14 Tage etwa 200 bis 300 Tonnen, das entspricht 10 bis 15 Lkw-Ladungen.
Das Logistik-Management ist sicherlich herausfordernd. Passagiere wollen an Land, Ausrüstung muss an Bord. In beiden Fällen handelt es sich um große Mengen… Zeitgleich befinden sich maximal 40 % der Passagiere an Land. Unsere Shore-Excursion-Abteilung plant die Ausflüge gestaffelt. Wir koordinieren dies mit der Auslastung der Restaurants an Bord. Es bedarf einer präzisen Abstimmung, damit nicht alle Gäste zur selben Zeit am selben Ort sind.

Wie gehen Sie mit der Verantwortung um?

Man muss sich der Verantwortung bewusst sein, darf sich von ihr aber nicht erdrücken lassen.

Das klingt so einfach…

Ich persönlich sehe die Verantwortung weniger als Last, sondern als Versprechen an die Gäste. Wir sorgen dafür, dass sie den Aufenthalt sicher und angenehm bei uns verbringen.

Gehen Sie im Notfall als Letzter vom Schiff?

Dies ist ein sehr unrealistisches Szenario. Aber wenn es wirklich nötig ist, werde ich das tun.

Detailaufnahme des Namensschildes von Capitän Vincent Cofalka am weißen Hemd © Sebastian Weissinger

Zur Person

Vincent Cofalka (49), aufgewachsen in der Bodensee-Region, schließt 2001 das Studium der Nautik und des Seeverkehrs ab. Er ist zunächst mit Frachtschiffen unterwegs, wechselt 2010 in die Kreuzschifffahrt-Branche. Ab 2019 hat er das Kommando auf der Aida Nova, dem weltweit ersten Kreuzfahrtschiff mit Flüssiggasantrieb. Aktuell ist er Kapitän der Aida Cosma.

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