Eine milde Brise streicht mir durchs Haar, angenehme Müdigkeit erfasst mich, ich lege mein Buch zur Seite. „Anleitung zum Müßiggang“, vor 12 Jahren ein Bestseller und genauso lange ungelesen daheim im Regal. Damit wollte ich jetzt auf den Kanaren entschleunigen. Nur: Es ist nichts daraus geworden. Sicher, man kann im Urlaub auf Teneriffa, der beliebtesten der sieben Sonneninseln im Atlantik, ganz herrlich dem Nichtstun frönen. Das machen ziemlich viele und reservieren frühmorgens eine Woche lang mit Badetüchern Liegen, um den ganzen Tag am Pool des Hotels zu verbringen. Normalerweise nichts für mich. Doch heute ist eine Ausnahme. Ich bin ganz oben, auf dem Dach meines Hotels in Los Cristianos. Das Arona Gran Hotel hat zwar einen Garten mit zwei großen Pools, doch oben auf dem Gebäude gibt es einen aufpreispflichtigen Bereich mit Infinity- und Whirlpools, Schampus, Cocktails und Sonnenliegen, die für einen freigehalten werden. Die Spätnachmittagssonne sinkt langsam den Bergen der Nachbarinsel La Gomera entgegen, ich nehme noch einen Schluck Cava (die spanische Spielart des Champagners mag ich lieber als den echten), schließe die Augen und lasse die letzten Tage Revue passieren.
Teneriffa und La Gomera: Zwei auf einen Streich
Ein guter Fang, die beiden Inseln, die sich perfekt kombinieren lassen: Teneriffa bietet optimale touristische Angebote, La Gomera üppige Natur.



Womit die Kanaren punkten
Warum ich mir gerade die Kanarischen Inseln aus dem riesigen Angebot der Reiseveranstalter gefischt habe? Und ausgerechnet Teneriffa, wo so viele Beton-Bettenburgen hingeklotzt wurden? Nun ja, ich wollte weg aus dem trüben heimischen Winter. Kanaren deshalb, um Frühling und Sommer vorwegzunehmen, aber ganz ohne Hitzestress oder feuchtes Tropenklima, ohne echte Langstreckenflüge und teure Roamingkosten – schließlich bleibt man ja in der EU. Dass die Strände meist aus feinem Lavasand bestehen – ausgenommen ein paar mit Saharasand aufgeschüttete – macht gar nichts, da alle Hotels über Pools (oder sogar Pool-Landschaften) verfügen.
Apropos Hotels: Die meisten neueren sind durchaus liebevoll gestaltet. Viele der älteren erfuhren bereits Upgrades. Manche bieten all inclusive, andere Halbpension oder gesetzte Menüfolgen. In praktisch allen Orten mit touristischem Angebot gibt es Lokale für jeden Geschmack, von Fast Food bis hin zu Michelin-Sternen. Discos, Bars, Supermärkte und Apotheken sowieso. Die volle Infrastruktur also. Was will man mehr?
Ich wollte mehr. Mehr als nur Urlauber, Überwinterer und massentaugliche touristische Angebote rund um mich. Ich wollte mich unter die Tinerfeños mischen, unter die ständigen Bewohner der Insel.
Mein Urlaubsziel sollte an der Westküste liegen, weil da die Sonnenuntergänge am schönsten sind und die Nachbarinsel La Gomera am nächsten ist. So bin ich in Los Cristianos gelandet. Mein Hotel liegt direkt am Ende der Strandpromenade, die sich über zehn Kilometer nordwärts bis La Caleta erstreckt. Es gibt da ausschließlich Zimmer mit Meerblick.
Unabdingbar für eigene Entdeckungen des „anderen“ Teneriffa: ein Leihwagen, zumindest tageweise. Denn all das, was ich sehen wollte, lässt sich inklusive Rückfahrt an einem Tag erreichen. Zum Beispiel Santa Cruz, die quirlige Hauptstadt. Dort leben in etwa so viele Menschen wie in Linz, nur haben sie statt der Donau den Atlantik vor Augen.
Städtetrip nach Santa Cruz
Für diesen Trip an meinem zweiten Tag hätte ich auch den Linienbus nehmen können, doch ich will unabhängig sein. So geht es in nicht einmal einer Stunde über die Autobahn bis zum modernen Wahrzeichen der Stadt, dem Auditorio de Tenerife. Die ikonische schneeweiße Konzerthalle von Santiago Calatrava. Wie eine gigantische Betonwelle sieht sie aus und zeigt deutlich, dass sie vom gleichen Architekten stammt wie der Umsteigebahnhof am Ground Zero in New York oder die markanten Bauten in Valencias trockengelegtem Flussbett.

Von dort ist es zu Fuß oder mit der Tram nicht weit ins geschäftige Zentrum, in das sich nur wenige Urlauber verlaufen – schade, denn es gibt viel zu entdecken: pittoreske Häuser, das Szeneviertel Noria mit Dutzenden Lokalen, eine Markthalle oder Boutiquen ohne peinliche T-Shirts, dafür mit günstigen Preisen. Mir hatte man die Konditorei „100 % Hojaldre“ (so heißt Blätterteig auf Spanisch) empfohlen – wunderbar, die beinahe künstlerischen Kipferl-Kreationen! Danach eine kurze Entspannung auf einer schattigen Bank im Parque García Sanabria, umgeben von Palmen, Goldkugelkakteen (böse Menschen nennen sie auch Schwiegermuttersitze) und orangefarben blühenden Strelitzien. Die gelten quasi als Signature Flower der Kanaren.
Hinauf nach La Laguna
Nicht weit vom Park steige ich in die Straßenbahn, die sich bis hinauf auf 600 Meter Seehöhe nach San Cristóbal de La Laguna schraubt. In La Laguna, wie die Stadt auch genannt wird, spaziere ich wie ein Zeitreisender durch die schnurgeraden Straßen mit ihren niedrigen Häusern und Palästen aus dem 15. Jahrhundert. Die übliche Leuchtreklame über Geschäftsportalen ist hier genauso wenig erlaubt wie Plastikgestühl für Schanigärten. Man sitzt auf hölzernen Sesseln vor den unzähligen Cafés und Tapasbars. Die sind allesamt gut bevölkert mit jungem Publikum. Die Stadt beherbergt eine Universität mit rund 25.000 Studierenden. Sie war übrigens die erste spanische Stadt ohne Wehrmauer – da wegen ihrer Lage in großer Höhe keine Gefahr durch vorbeiziehende Piratenflotten bestand. Heute ist sie UNESCO-Weltkulturerbe.
Trockener Süden, üppiger Norden
Teneriffas Süden, in dem ich auf der Dachterrasse die wieder ein Stück herabgesunkene Sonne genieße, ist die wärmere, trockenere Seite der Insel. Hier ist die Vegetation in Meeresnähe, wenn nicht künstlich bewässert wird, spärlich, der vorherrschende Farbton der Landschaft ist Braun. Aber nur bis zu einer gewissen Höhe.

Wer mit dem Auto in Richtung zum Teide fährt, der mit seinen 3.715 Meter fast genauso hoch ist wie unser Großglockner, kommt durch eine höchst alpin anmutende Gegend mit Nadelbäumen, bevor es durch eine Mondlandschaft bis hin zur Talstation der Seilbahn geht.
Diese Route habe ich mir fürs nächste Mal aufgehoben. Nach einem weiteren Tag am Pool erschien mir eine Fahrt in den klimatisch anderen Norden am besten. Weil der Nordost-Passat die feuchte Atlantikluft gegen die Berge weht, ist alles üppig grün und stets um ein paar Grad kühler als im Süden. Im großen Stil werden da Bananen angebaut, tropische Früchte und auch das meiste Gemüse, das auf der Insel serviert wird.
Dazu passender ein Tipp am Rande: Unbedingt Papas arrugadas probieren, das sind die kanarentypischen kleinen und faltigen Schrumpfkartoffeln, die man zu einer grünen Kräuter- oder roten, meist schärferen Paprika-Chili-Sauce isst.
Eine kleine Tour durch den Norden
Sobald die vom Meer kommende, von Santa Cruz hinauf nach La Laguna führende Autobahn die Stadt passiert hat, geht es bergab direkt zur Nordküste. Erst einmal nach Puerto de la Cruz und seiner Playa Martiánez. Der Blick von diesem mitten in der Stadt am Atlantik gelegenen Schwimmbadkomplex mit seinem künstlichen, smaragdgrünen See hinauf zum schneebedeckten Teide ist eindrucksvoll.
Weiter geht es westwärts an der Küste nach Icod de los Vinos. Um die Besichtigung dieser ältesten Teneriffa-Ikone kommt keine Insel-Rundfahrt herum: Der Drago, der 16 Meter hohe und berühmteste aller kanarischen Drachenbäume, soll mindestens 380 Jahre alt sein. Er hat aber keinen Stamm, sondern ein schwammartiges Netzgeflecht. Woher der Name kommt? Schlägt man ihm einen Ast ab, wächst der – wie in der Sage bei einem Drachen – schnell wieder nach.
Das letzte Ziel an diesem Tag war Garachico, ein wunderschöner Ort mit einem Meerwasser-Schwimmbecken. Gleich daneben an den Molen bestückte der Fischer im Aufmacherbild ganz oben seine Angel.
Am Rückweg kehre ich noch in einem Guachinche ein. So heißen die Pop-up-Heurigen in Teneriffas Weingärten. Sie sind meist bessere Pawlatschen und werden von Winzerfamilien betrieben, die hier ihren Vino tinto ausschenken und einfache regionale Gerichte anbieten. Die meisten gibt es an der Nordseite der Insel – Meerblick inklusive.
Krönender Abschluss: La Gomera
Gestern fuhr ich mit der Fred Olsen Express-Fähre in 50 Minuten hinüber, direkt in den Hafen des Hauptorts San Sebastián de La Gomera – und in eine ganz andere Welt.
Gomera ist naturbelassen, üppig grün. Hierher zieht es Wanderer statt Partytouristen. Es gibt weder einen Bauboom noch hässliche Hotels, nur welche, die in die Landschaft passen, in San Sebastián etwa den Parador, das staatliche Schlosshotel hoch über dem Hafen. In seiner blau-weiß gekachelten Bar nippte ich an einem Café Cortado, dem Pendant des italienischen Espresso Macchiato, schlenderte durch den Garten und ließ meine Füße – die Seele sowieso – im Pool baumeln.
Wieder unten in San Sebastián sind die Straßen leer, alles scheint zu schlafen: klar, Siesta. Nur am großen Platz unter den Platanen erfrischen sich ein paar Gäste mit kühlen Getränken – oder einem Barraquito, dem Vierschicht-Kaffeedrink der Kanaren (siehe Fotogalerie unten). Nur das kleine Museum in dem Haus, in dem Columbus angeblich Wasser aus dem Steinbrunnen im Hof trank, ist geöffnet. Die Ortschaften auf Gomera sind überschaubar und klein.
Die Insel mit dem Auto zu durchqueren, erfordert Zeit, viel Zeit, denn statt Autobahnen gibt es fast nur Bergstraßen. So wie die hinauf von null auf 600 Meter zum spektakulärsten Aussichtspunkt der Kanaren. Da schraubt sich die Straße in 20 Minuten Fahrzeit ganz nach oben zur Kante des gewaltigen Massivs, wo die Vegetation fast schon alpin wirkt. Ziel ist ein gläserner Finger über dem Abgrund, vor dem ich mich fotografieren lasse (Bild unten). Kaum jemand zuckt nicht beim ersten Schritt auf den Glasboden der sieben Meter langen, balkonartigen Plattform zusammen. Der spektakuläre Aussichtspunkt mit Blick bis nach Teneriffa ist, so finde ich, die Auffahrt von Agulo aus ganz bestimmt wert.

Nach diesem Tagesausflug wusste ich: La Gomera bleibt auf meiner Bucket List. Zumal jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, das mir empfohlene Hotel Jardín Tecina nach einer viele Monate dauernden kompletten Renovierung wieder geöffnet ist.



Mittlerweile ist die Sonne ganz untergegangen, das Cava-Glas ist leer und meine Müdigkeit weg. Ich verlasse die Dachterrasse, wechsle auf den Balkon meines Zimmers und beginne endlich mit dem Lesen der Anleitung zum Müßiggang. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Urlaub, vielleicht sogar hier oder auf Gomera. Oder eine Woche hier und die zweite dort. Denn genau diese Mischung macht’s. Auf Wiedersehen, Teneriffa!

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