Container Schiff am Meer
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Oktober 2025

Methanol & Ammoniak statt Wasserstoff

Die Wasserstoffwirtschaft hat weltweit Startprobleme. Mit grünem Methanol und Ammoniak soll die CO2-Reduktion auch im Mobilitätsbereich leichter und billiger gelingen. Von Maria Brandl.

Der Andrang war enorm. Geely, einer der größten Autohersteller Chinas, zu dem auch Volvo gehört, präsentierte heuer auf dem Internationalen Wiener Motorensymposium einen seiner Hauptpfeiler zur Dekarbonisierung des Verkehrs: Methanol statt Wasserstoff.

"Ein Liter Methanol enthält eineinhalb Mal so viel reinen Wasserstoff wie flüssiger Wasserstoff", sagte Yuan Shen, Chefentwickler der Zhejiang Geely Holding in China. Methanol kann ohne große Umbauten die bestehende Tankinfrastruktur nützen und in Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. "Methanol ist obendrein viel sicherer als Wasserstoff."

Dessen Einsatz kennt zwei weitere Hürden: Die Brennstoffzelle erfordert von Wasserstoff eine extrem hohe Reinheit von 99,999 Prozent. Im Verbrennungsmotor löst er nach wie vor problematische Verbrennungsanomalien aus.

"Wasserstoff ist die Diva der Kraftstoffe", meint Andreas Wimmer, Berater für Großmotoren an der TU Graz.

China am Vormarsch

Geely will mit "grauem" Methanol, das aus fossilen Quellen erzeugt wird, starten. Das während der Fahrt entstehende CO2 soll an Bord abgeschieden und wieder in den Methanolkreislauf zurückgeführt werden, an dem in China seit Jahrzehnten gearbeitet wird. "Damit können wir den Großteil des durch den Verkehr verursachten CO2 einfangen. So wird die CO2-Neutralität insgesamt viel einfacher zu erzielen sein", sagte Shen. Geely will Lkw mit Methanolantrieb und einem integrierten CO2-Abscheidesystem noch heuer in China auf den Markt bringen.

Ein anderer chinesischer Hersteller, FAW, stellte auf dem Symposium "Sustainable Mobility, Transport and Power Generation" der TU Graz diesen September ein Forschungsprojekt mit Ammoniak als Sprit für Lkw vor.

Während Europa nach wie vor darüber diskutiert, ob grüne E-Fuels (siehe Zusatzartikel unten) sinnvoll und leistbar sind, arbeitet China intensiv an der Industrialisierung und Verwendung von E-Fuels aus unterschiedlichsten Quellen in Verbrennungsmotoren. Diese sollen samt passender Antriebe quer über alle Mobilitätsbereiche nach den Batterien die nächsten weltweiten Exportschlager werden. China will bis 2050 null CO2-Ausstoß aus dem Auspuff erreichen, aber verbietet Verbrennungsmotoren nicht.

Aufwendig, aber günstig

Obwohl E-Ammoniak und E-Methanol aufwendiger zu produzieren sind als Wasserstoff aus der Elektrolyse, sind sie günstiger, weil sie leichter zu speichern und damit billiger zu transportieren sind. Wasserstoff benötigt laut Wimmer einen zwei bis drei Mal so großen Tank wie Ammoniak oder Methanol.

Methanol ist bei Umgebungstemperatur flüssig, Ammoniak lässt sich mit Drücken von nur rund 10 bar bei Umgebungstemperatur verflüssigen. Wasserstoff ist dagegen erst ab minus 253 Grad Celsius flüssig, Tanks verlieren pro Tag wegen der Verdampfungsverluste rund ein Prozent ihres Energieinhalts.

Schiffe als Transportlösung

Die Transport- und Speichereigenschaften der einzelnen Energieträger sind umso wichtiger, als Europa auch in Zukunft einen großen Teil seines Energiebedarfs wird importieren müssen. Die tragende Rolle kommt dabei der Hochseeschifffahrt zu, die heute mehr als 90 Prozent des Welthandels abdeckt. Denn "die Übertragung von Strom und der Transport von Wasserstoff haben Grenzen", erklärt Uwe Grebe, Institutsvorstand an der TU Wien. "Wenn aber grüne Energie etwa aus Chile als E-Ammoniak per Schiff nach Europa transportiert wird, ist es sinnvoll, auch den Schiffsmotor mit Ammoniak zu betreiben, ähnlich wie sich dies beim Transport von Flüssigerdgas, LNG, etabliert hat", sagt Wimmer.

Für die rund 100.000 Hochseeschiffe, die derzeit unterwegs sind, "wird bis 2050 CO2-Neutralität angestrebt", erklärt Wimmer. Sie fahren weitgehend mit Verbrennungsmotoren "und das wird noch längere Zeit so bleiben."

Die größten Motoren leisten 80 Megawatt und mehr. Die CO2-Neutralität der Schiffe soll neben dem Einsatz von Biokraftstoffen vor allem durch E-Ammoniak und E-Methanol erreicht werden. Erste CO2-Einsparungen erlaubte der Einsatz von Flüssigerdgas. Kleinere Fährschiffe in Norwegen sind bereits batterieelektrisch unterwegs.

Grüner Transport

Drohende CO2-Strafzahlungen beschleunigen den Umstieg auf alternative Kraftstoffe in der Hochseeschifffahrt trotz der höheren Spritkosten. Weltweit werden eigene "grüne Korridore" mit CO2-neutralen oder CO2-armen Schiffen etabliert. Große Schiffe sind mehrere Jahrzehnte im Einsatz und kosten hunderte Millionen Euro. Reeder wollen daher langfristig ihre Versorgung mit CO2-neutralen Kraftstoffen absichern. Der Containerriese Maersk etwa will ab 2027 mehr als 50 Prozent seines Methanolbedarfs durch Biomethanol, vor allem aus China, abdecken, um seinen CO2-Ausstoß gegenüber fossilen Kraftstoffen um mindestens 65 Prozent über den Lebenszyklus gerechnet zu senken.

"Ausgerechnet der Marinebereich, früher immer Nachzügler, wird plötzlich Vorreiter bei der CO2-Reduktion", meint Wimmer.

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Ammoniak und Ethanol im Überblick

1. Anwendung

Methanol und Ammoniak sind wichtige Grundchemikalien für die Industrie. Das flüssige Methanol hat zudem eine jahrzehntelange Tradition als Kraftstoff für Motoren, entweder als Beimengung zu fossilem Sprit oder zu 100 Prozent, sowie für Brennstoffzellen. Weit verbreitet als Kraftstoff ist Methanol etwa in China für Lkw, in Brasilien als grünes Methanol auf Zuckerrohrbasis laut VW auch für Pkw sowie immer mehr für die Hochseeschifffahrt. Für Letztere ist Ammoniak unter den Kraftstoffen der Aufsteiger. China forscht an Ammoniak für Lkw-Motoren. In Rumänien fuhren in den 1940er-Jahren auch Pkw damit.

2. Produktion

Die weltweite Herstellung von Methanol und Ammoniak erfolgt noch überwiegend auf fossiler Basis (Kohle, Erdgas). Ziel ist jedoch für beide eine CO2-neutrale Produktion auf Basis von Biomasse oder von grünem Wasserstoff ("E-Fuel"). E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die via Elektrolyse mit erneuerbaren Quellen erzeugt werden.

Das erste Produkt ist grüner Wasserstoff. Der Vorgang ist energieintensiv. "CO2-freier Wasserstoff aus Erdgas in Kombination mit einem Dekarbonizer (Anm. CO2-Abscheidesystem) braucht dagegen nur ein Achtel der Energie und ist somit viel billiger", sagt Peter Hofbauer, früher VW-Bereichsleiter Aggregateentwicklung und nun in den USA im Wasserstoffbereich tätig.

In Österreich wurde diesen September ein Großprojekt zur Produktion von grünem Ammoniak in Linz von der LAT Nitrogen (früher Borealis) und dem Verbund aus Kostengründen gestoppt. Für grünes Methanol laufen in Österreich viele Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Mit nennenswerten Mengen an E-Methanol und E-Ammoniak rechnet Andreas Wimmer, TU Graz, "frühestens in zehn Jahren. Dieser Prozess geht insgesamt viel zu langsam." Investoren wollen die nötigen Milliarden erst investieren, wenn sie gesicherte Abnahmechancen sehen.

3. Tankinfrastruktur

Im Straßenverkehr lässt sich die bestehende Tankinfrastruktur für Benzin und Diesel relativ einfach und kostengünstig auf den ebenfalls flüssigen Kraftstoff Methanol umstellen. Für Ammoniak wird sich die Infrastruktur vorerst auf große Häfen konzentrieren.

4. Motorverträglichkeit

Für beide Kraftstoffe stehen verschiedene Motorbrennverfahren zur Auswahl. Beide sind korrosiv. Motor- und Einspritzkomponenten sind zu adaptieren, ebenso ist eine adäquate Schmierung vorzusehen. Punkto Energiedichte erreichen beide knapp 50 Prozent von Benzin und Diesel. Für die gleiche Reichweite sind also größere Tanks nötig.

5. Kosten  

Selbst wenn beide E-Fuels zwei bis drei Mal mehr kosten als Schweröl, sind sie sogar im preissensiblen Marinebereich attraktiv, "da pro Tonne CO2-Ausstoß Strafzahlungen von bis zu 380 US-Dollar drohen", sagt Wimmer.

6. Umwelt

Als E-Fuel gelten Methanol und Ammoniak als CO2-neutral. Ob dies auch für damit fahrende Vehikel gilt, hängt von der jeweiligen Gesetzgebung ab. Gegen die Schadstoffemissionen bedarf es entsprechender Abgasnachbehandlungssysteme.

7. Sicherheit

Beide gelten als giftig, aber nicht als kanzerogen. Die Explosionsgefahr ist gering. Problematisch bei Methanol ist die unsichtbare Flamme, daher wird es oft künstlich eingefärbt. Ammoniak ist als Gas beim Einatmen ähnlich gefährlich wie Kohlenmonoxid, allerdings ist es schon bei ungefährlicher Konzentration sehr geruchsintensiv. Die Industrie hat weltweit mit beiden Energieträgern jahrzehntelange Erfahrung.

8. Vorreiter

"In der Forschung ist Europa stark. Aber in der Umsetzung ist China vorne. Auch bei Straßenfahrzeugen sind Chinesen viel experimentierfreudiger", sagt Helmut Eichlseder, TU Graz. Anders bei Großmotoren: "Bei den Zweitaktern im 80-Megawatt-Bereich haben in Europa entwickelte Motoren einen weltweiten Marktanteil von mehr als 90 Prozent", sagt Wimmer. Ganz vorne mit dabei ist Österreichs Großmotorenbranche. Diese Expertise nützen auch Google & Co. für ihre riesigen Datencenter im KI-Bereich, wo hunderte Großmotoren mit einer Gesamtleistung im Gigawattbereich als Rückfallebene bei Blackouts dienen können.

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