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Schluss mit dem Glaspanorama-Dach – der aktuelle 911 Targa ist wieder zu den Wurzeln zurückgekehrt.

© Heinz Henninger

Schluss mit dem Glaspanorama-Dach – der aktuelle 911 Targa ist wieder zu den Wurzeln zurückgekehrt.

© Heinz Henninger
Mai 2015

Die Wieder-Geburt

Nach knapp zwei Jahrzehnten gibt es den Porsche 911 wieder als klassischen Targa – das ungeliebte Panorama-Glasdach ist Geschichte.

Porsche und Targa – zwei Namen, die untrennbar miteinander verbunden sind. 1965 stellte Porsche den 911 Targa vor. Das vordere Dachteil und das hintere Stoffverdeck konnten in etwas mühsamer Handarbeit entfernt und im Kofferraum verstaut werden. Übrig blieb der klassische Targa-Bügel – ohne den war aus Sicherheitsgründen an eine Zulassung im für Porsche wichtigen US-Markt damals nicht zu denken. Porsche selber bezeichnete den Targa als „Sicherheits-Cabrio“. Später wurde das Stoffverdeck hinter dem Bügel durch eine feststehende Glasheckscheibe ersetzt.

Rasch eroberte sich der Targa eine treue Fan-Gemeinde. Mehr als 110.000 „Sicherheits-Cabrios“ hat Porsche bis heute verkauft. Damit ist jeder siebte 911er in der Produktionsgeschichte ein Targa. Auch das Cabrio, das erst ab den 1980er-Jahren die dritte Karosserie-Variante des 911er wurde, konnte die eingefleischten Targa-Fahrer nicht locken.

1995 folgte mit der vierten Generation des 911 Targa (Typ 993) eine Enttäuschung für die Targa-Gemeinde: Das klassische Konzept wurde durch ein großes Panorama-Glasdach abgelöst, das sich beim Öffnen über die Heckscheibe schob. Auch die Nachfolger (Typ 996 und 997) erhielten 2001 bzw. 2006 die gleiche Dachkonstruktion und wurden von der Porsche-Gemeinde eigentlich nie als echte Targa akzeptiert.

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1 Das Original. 1965 von Porsche in Detroit vorgestellt, wurde das "Sicherheitscabrio" (Eigenbezeichnung durch Porsche) schnell ein Erfolg, vor allem in den USA. © Toni V.

2 Ab 1995 wurde das Targa-Konzept stark verwässert. Eigentlich blieb nur ein großes Glas-Schiebedach, das sich beim Öffnen über die Heckscheibe schob. Im Bild ein Typ 997 aus dem Jahr 2006. © Werk

3 Heute: "Targa is back!" Mit dem Typ 991 kehrt das klassische Targa-Erscheinungsbild zurück. © Heinz Henninger

2014 erfolgte mit dem Typ 991 die Rückkehr des klassischen 911 Targa. Das Softtop versenkt sich in einer aufregenden Choreografie unter die weit aufschwenkende Heckscheibe, die störenden Rahmen über den Seitenfenstern der Glasdach-Targas sind wieder Geschichte. Und nicht von ungefähr lautete ein Inseraten-Slogan von Porsche: „Stellen Sie sich vor, Sie treffen Ihre Jugendliebe wieder. Und sie ist noch schöner geworden.“ 

Wie bei Jugendlieben muss man auch beim aktuellen Targa einige Dinge beachten: So muss man vor dem Öffnen (oder Schließen) des Daches Abstand nach hinten halten – die Heckscheibe schwenkt bei ihrem Öffnen weit nach hinten aus. Die Einpark-Sensoren überwachen den Raum etwa 40 Zentimeter nach hinten und warnen vor zu knapp stehenden Fahrzeugen oder Wänden. Ob sie wirklich zuverlässig funktionieren, will man aber eigentlich nicht ausprobieren. Knapp 20 Sekunden dauert der Dach-Tanz und kann auch vom Straßen-Café gegenüber mit der Fernbedienung gesteuert werden. „Da capo“-Rufe der Kaffeehaus-Gäste sind nicht auszuschließen.

Wie den Vorgänger gibt es den Targa ausschließlich mit Allrad-Antrieb. Man könnte ihn daher als Schlechtwetter- oder Winter-Cabrio bezeichnen, muss aber nicht. Die hecklastige Auslegung der Kraftaufteilung sorgt einfach für Traktion in allen Lebenslagen, ohne die sportlichen Ansprüche einzuschränken. Leichtere Beherrschbarkeit gegenüber einem reinen Heckantriebs-911er kann man aber auf jeden Fall attestieren.

Schon im „Basis“-Modell leistet der Sechszylinder-Boxermotor mit 3,4 Liter Hubraum 350 PS. Zum Vergleich: 1965 musste der Ur-Targa mit 110 PS auskommen. Wem runde fünf Sekunden für die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 Stundenkilometer zu lang erscheinen, kann zum Targa 4S greifen. 0,3 Liter mehr Hubraum liefern 400 PS. Damit lässt sich der Sprint auf 100 km/h eine halbe Sekunde schneller erledigen. Wer’s braucht ...

Wem bei einem Basispreis von knapp 138.000 Euro noch etwas Kleingeld übrig bleibt (auf dem Sparbuch sind die Zinsen derzeit ja eher kapital-vernichtend), sollte noch in das famose Porsche-Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen investieren und sich auch die Sportabgasanlage gönnen. Per Knopfdruck lässt sich damit der Abgasstrang entdrosseln und die nochmals schärfere Akustik des Boxermotors ist ein mehr als lohnendes „Return-of-Investment“. Das Getriebe wechselt die Gänge ohne Schubunterbrechung und zieht den 911er wie an einem Gummiband nach vorn. Ja, ein extrem dickes Gummiband. Gleichzeitig beherrscht es die Fertigkeit des Segelns: Geht man vom Gas, kuppelt das Getriebe aus (merkt man zuerst nur am Drehzahlmesser) und der 911er rollt ohne Schwungverlust dahin. Diesen Sportwagen mit einem Verbrauch von deutlich unter 10 Liter/100 km zu bewegen, ist keine Kunst.

Das Video:

Bleibt noch die Frage, warum man nicht gleich zum 911er Cabrio greifen oder besser beim Coupé bleiben sollte. Auch in der auto touring-Redaktion waren kritische Stimmen zu vernehmen: „Nicht Fisch, nicht Fleisch.“ Doch der Targa hat einfach seinen eigenen Reiz. Und über 110.000 Targa-Käufer können nicht irren. Manchmal kann ein Kompromiss eben auch ein guter Kompromiss sein.

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