Rund 45.000 Menschen leben heute 50 Kilometer nordöstlich von Prag in Mladá Boleslav, die meisten direkt oder indirekt von Škoda. Die Stadt, die bis 1918 als Jungbunzlau zu Österreich gehörte, gilt als Wiege dieser Marke – obwohl die Fahrzeuge die ersten 30 Jahre lang noch einen ganz anderen Markennamen trugen, nämlich Laurin & Klement, nach den beiden Gründern des Unternehmens.
Heute stehen die beiden als Denkmal vor den ehemaligen Produktionshallen, in denen das Werksmuseum untergebracht ist.
10 Fun Facts zu Škoda
Seit genau 130 Jahren werden im tschechischen Mladá Boleslav Autos gebaut. Hier sind zehn Fakten zum Jubiläum, die viele vermutlich nicht einmal geahnt haben.
© Kurt Zeillinger
1. Ärger begründet ein Unternehmen
Über die schlechte Behandlung erzürnt. Garantiereparaturen an Fahrzeugen sorgten bereits 1894 für Verdruss. Ganz besonders beim Buch- und Fahrradhändler Vaclav Klement (1868–1938) aus Jungbunzlau. Wegen eines Konstruktionsfehlers sprang ihm ständig die Kette seines Fahrrads heraus. Er beschwerte sich – und wurde abgeschasselt. Das erzürnte ihn derart, dass er im Herbst 1895 gemeinsam mit dem Fahrräder produzierenden Techniker Vaclav Laurin (1865–1930), einem Workaholic aus dem 33 Kilometer entfernten Turnau (heute Turnov), ein Unternehmen begründete. Das Ziel dabei: robuste Fahrräder zu produzieren.
Der Fahrrad-Boom sorgte für volle Auftragsbücher und ein volles Programm – fünf Modelle und ein Tandem, dazu noch Motorräder ab 1899. Parallel arbeiteten Laurin und Klement bereits an Prototypen erschwinglicher Autos. 1901 entstanden zwei aus zwei miteinander verbundenen Motorrädern mit einem Lenkrad in der Mitte, zu sehen auf der 2. Automobilausstellung in Wien. Dort fanden beide auch sofort Käufer.
2."Simply clever" ist ein alter Hut
Leistbarkeit als schlauer Schachzug. 1905 wird das allererste Auto von Laurin & Klement vorgestellt, die Voiturette (dt. „Wägelchen“). Der wassergekühlte Ein-Liter-V-Zweizylinder wurde von den Motorrädern der Marke abgeleitet, leistete 5,2 PS und machte das in 44 Exemplaren gebaute Auto 40 km/h schnell.
Ob die Škoda-Marketingleute wissen, dass das heutige Marken-Versprechen "Simply Clever" schon 1905 für die Voiturette galt? Einen Regenschirm in der Fahrertür gab es (nicht nur in Ermangelung derselben) zwar noch nicht, das Auto war auch nicht der erste Kleinwagen auf dem Markt – aber auf alle Fälle einer der ersten halbwegs erschwinglichen: Er kostet nämlich nur 3.600 Kronen, das waren zwei Jahreslöhne eines Facharbeiters im Maschinenbau. Wahrscheinlich nicht bei Laurin & Klement: Da streiken die Arbeiter zu Produktionsbeginn. Nach vier Wochen nehmen sie mit einem Lohnplus von 15 Prozent ihre Arbeit wieder auf.
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3. Rennwagen mit Sitzkisten und Kindersitz
Improvisieren bringt Erfolg. Nach Siegen am Semmering und einem Weltrekord für Vierzylinder auf der Neunkirchner Allee (stehender Kilometer in 43 Sekunden) kommt der Laurin-&-Klement-Bolide nicht rechtzeitig zu einem Rennen bei Paris. Deshalb muss der bei dem Unternehmen im Aufsichtsrat sitzende spätere Wiener Filmproduzent Sascha Graf Kolowrat-Krakowsky am 10. Oktober 1908 mit seinem Serien-Dienstwagen des Typs F starten. Der ist aber zu schwer. Also werden unnötige Teile wie Motorhaube und Sitze abmontiert. Auf Holzkisten ohne Rückenlehne sitzend, rast er zum Klassensieg.
Zu den ersten Werksfahrern der jungen Marke Laurin & Klement gehörte auch Paul Draskovich von Trakostyän (1884 bis 1959) aus Güssing. Er pilotierte ebenfalls ein Modell F – und das auch privat. Weil dieses aber nur über zwei Sitze verfügte, der Graf jedoch zwei Söhne hatte, montierte er kurzerhand einen klappbaren Kindersitz auf das Trittbrett, sagt Michal Velebny vom Škoda-Werksmuseum. Dort ist das originale Auto heute ausgestellt.
4. Ein Auto mit zwei Markenlogos
Als Zeichen der Fusion mit Škoda. Nachdem der in Pilsen ansässige Maschinenbau-Industriekonzern Škoda Mitte der 1920er-Jahre bei Laurin & Klement als strategischer Partner eingestiegen war und die Firma bald übernahm, wurde die noch in der Laurin-&-Klement-Zeit konstruierte Modellreihe 110 mit beiden Markenzeichen ausgeliefert. Bis 1929 entstehen fast 3.000 Exemplare.
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5. Der allererste Volkswagen – und seine Nachfolger
Zuerst blieb es bei einem Einzelstück. Als Ferdinand Porsche 1937 begann, das von Adolf Hitler eingeforderte Auto fürs Volk zu entwerfen, war Škoda schon viel weiter. Bereits fünf Jahre zuvor hatte man den Typ 932 fahrbereit – mit luftgekühltem Boxermotor im Heck, also einem ähnlichen Konzept. Doch die Markenstrategen stoppten das Projekt. Sie meinten, dass es für die Serienproduktion eines Autos der unteren Mittelklasse noch zu früh sei.
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1934 ging dann der Škoda Popular in Serie, der war viel konventioneller gestylt, besaß aber immerhin als erstes Auto der Marke einen modernen Zentralrohrrahmen und Einzelradaufhängung. Das Modell verlieh auch der Rennabteilung einen kräftigen Schub. Zdenek Pohl und Beifahrer Jaroslav Hausman erregten viel Aufmerksamkeit, als sie 1936 mit einem Škoda Popular Sport, einer zweisitzigen Cabriolet-Variante, an der Rallye Monte Carlo teilnahmen und in ihrer Klasse Platz zwei belegten.
6. Ein frühes E-Auto für Kinder
Elektro-Pionier. Škoda bietet heute mit Elroc und Eniaq zwei elektrisch angetriebene Modellreihen an. Die Erfahrung mit dieser Antriebsart reicht aber sehr viel weiter zurück. 1908 gab es mit dem Kaurin & Klement E ein Hybridfahrzeug mit einem Elektromotor, für den ein 28 PS starker Benzinmotor an Bord den Strom erzeugte. Batterie gab es keine.
Anders im 1941 präsentierten Modell Puck, einem Luxus-Spielzeugauto für Kinder. Das für Parkanlagen und private Gärten konzipierte Vehikel wurde in zwei Größen für kleinere und größere Kids gebaut. Seine Karosserie wurde dem Popular Cabriolet nachempfunden.
1991, kurz bevor Škoda im Volkswagen-Konzern aufging, gab es noch eine kleine Serie elektrifizierter Favorit-Modelle. Passender Name: Eltra. Schwere Blei-Akkus lieferten nach 12 Stunden an der Steckdose Energie für 80 Kilometer.
7. Schicke Cabrios
Eine aussterbende Gattung? Offene Autos, eine Nische, die der tschechische Hersteller über Jahrzehnte besetzte, sind heute selten geworden. Früher gab es mehr Auswahl. Und Škoda bot richtig schicke Modelle an.
8. Škodas aus Neuseeland und Indien
1965 wollte man in Neuseeland die Zahl der Auto-Importe verringern und eigene Fertigungen fördern. Škoda witterte ein Geschäft und beschloss, eine Marktlücke zu nutzen. Der gerade pensionierte Karosserie-Entwicklungsleiter Josef Velebny entwickelte auf Basis eines etwas verkürzten Octavia-Fahrgestells den dreitürigen Trekka, quasi einen SUV-Vorläufer mit Geländereifen – und ohne Allradantrieb. Aber auf Wunsch gibt es ein Differenzial mit begrenztem Schlupf.
Neuseeland ist bzw. war aber nicht der einzige exotische Škoda-Fertigungsort. Nur wenige wissen, dass es heute ein indisches Werk gibt, in dem auch eigenständige Modellreihen gebaut werden.
9. Das tschechische Batmobil
Aus einem Horrorfilm. Der als Einzelstück aufgebaute Prototyp eines Škoda-Sportwagens namens Ferat wurde 1981 von Regisseur Jarai Herz, der sich bis dahin mit Märchen-Verfilmungen einen Namen gemacht hatte, in einem skurrilen Horror-Science-Fiktion-Film eingesetzt. Das Auto wird nicht mit Benzin angetrieben, sondern, wie es sich für Vampire gehört, mit Blut. Interessant: Der Ferat hat keine Türen, der Einstieg erfolgt durch Hochheben der Kanzel, also der Seitenteile mitsamt der Frontscheibe. Wie das aussieht, zeigt ein YouTube-Video. Im Netz finden sich auch Trailer des Films, die allerdings nichts für schwache Nerven sind.
© Kurt Zeillinger
10. Prototypen
Was wäre, wenn...? Jeder Automobilhersteller arbeitet an unzähligen Modellen, von denen schlussendlich nur wenige die Serienreife erlangen. Im Werksmuseum von Škoda gibt es einen eigenen Bereich, in dem solche Prototypen Spalier stehen. Ob manche wohl ein Erfolg geworden wären, wenn ihnen die Geschäftsleitung grünes Licht gegeben hätte?
Škoda feiert das 130-jährige Autobau-Jubiläum auch in Österreich: Im Konzernschaufenster der Porsche Holding Salzburg können Besucher bis Ende November zehn historische Fahrzeuge und ein Fahrrad bewundern, die die Entwicklung der Marke von den Anfängen bis zur Gegenwart zeigen. Zu den Highlights zählen das erste Škoda-Auto Voiturette A, der Superb 3000 OHV aus dem Jahr 1939 und der Rallyebolide 200 RS aus dem Jahr 1974.
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