Krise_Mocher_CMS_cErichReismann.jpg Erich Reismann
© Erich Reismann
© Erich Reismann
Mai 2020

Freut Euch des Lebens

Die vergangenen Wochen waren für uns alle sehr besonders. Wir haben 15 Personen gefragt, was sie in dieser Zeit zu schätzen gelernt haben – und worauf sie sich nun besonders freuen. 

Und, was haben sie so in den letzten Wochen getan? Geliebt? Gestritten? Sich vielleicht sogar getrennt und daraufhin das Alleinsein auch erst so richtig genießen lernen müssen – wie Nici?

Oder hatten Sie eher Ihr Team im Kopf, die Inszenierung, das Schauspiel, das Publikum, die Verantwortung – so wie Daniel?

Möglicherweise wurden Sie in dieser Zeit ja auch hinreißend von Ihren Liebsten versorgt, haben aber trotzdem begonnen, lieb gewon­nene Alltagstätigkeiten schmerzlich zu vermissen? Die eigenhändige Auswahl von Obst und Gemüse im Supermarkt beispielsweise? Dann ging es Ihnen eventuell wie Ange­la und Othmar.

Vielleicht wollten Sie sich aber gerade in diesen vergangenen Wochen – wie Lena – einen Lebenstraum erfüllen und mussten, das Ziel vor Augen, die Realisierung auf unbestimmte Zeit verschieben?

Noch ein Beispiel: Sie sind jung, mit einem Schi-Star verheiratet, führen ein Hotel, das Sie aber wegen des Lockdowns vorübergehend schließen müssen – okay, das ist speziell, dennoch: Willkommen in der auch nicht ein­fachen Welt von Manuel und Anna.

Keine Frage, das waren entbehrungs­reiche Wochen und schicksalhafte Tage. Doch so emotional herausfordernd die Situation auch war – es geht weiter. Positiv vorausdenken, über das Vergangene nachdenken. So wie unsere 15 Gesprächspartner.

Wie Klaus, der sein Grätzl neu für sich entdeckt und wieder schätzen gelernt hat. Wie Heidemarie, die mehr denn je Kraft aus ihren Erinnerungen schöpft. Wie Thomas, der trotz seines Rampenlicht-Daseins das Entschleunigende am Leben zu schätzen gelernt hat. Sie und alle anderen freuen sich auf die Zeit, die jetzt kommt. Trotz, wegen, genau deshalb.

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Klaus Mocher, Arbeits-Assistent*

Schätzen gelernt habe ich: Bei kurzen Spaziergängen die Schönheit meines Grätzls im 16. Bezirk. Und dass dem sozialen Zusammenhalt wieder ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Aber auch Kleinigkeiten wie das bunte Treiben der Vögel im Vogelhäuschen auf meinem Balkon. Sie zu beobachten, freut und relaxt gleichermaßen.

Ich freue mich auf: Die Zeit, in der ein unbeschwertes Zusammensein wieder möglich ist, in der ich mein Gegenüber beispielsweise einfach umarmen kann, wenn es passt. Das ist mir privat und im Job sehr wichtig. Denn ohne den persönlichen Kontakt, ohne das Zwischenmenschliche, fällt die Zusammenarbeit viel schwerer. Außerdem freue ich mich schon sehr auf meine Outdoor-Kleidung und meine Wanderschuhe, weil ich in meiner Freizeit gern und viel mit Freunden in der Natur unterwegs bin.

*Klaus unterstützt Menschen mit chronischen Erkrankungen und körperlichen Behinderungen bei der Integration in den Arbeitsmarkt.

Krise_Mocher_CMS_cErichReismann.jpg Erich Reismann © Erich Reismann

Daniel Serafin, Künstlerischer Direktor Oper im Steinbruch

Schätzen gelernt habe ich: Meine Zeit effektiver und geordneter einzuteilen. Nicht von Termin zu Termin eilen und abends spät nach einer beruflichen Veranstaltung nach Hause zu kommen, um dann wenige Stunden später wieder im gleichen Hamsterrad zu enden. Man lernt seine Termine gezielter und bewusster zu planen. Ich habe selten so viele Videokonferenzen in meinem Leben geführt wie in Covid-Zeiten. In Zukunft werde ich öfters von diesen Kommunikationsmethoden Gebrauch machen

Ich freue mich auf: 2021 – weil wir fast das gesamte Ensemble dieser fulminanten "Turandot"-Inszenierung auf kommendes Jahr übertragen konnten. Für das Ensemble ist Auftreten wie eine Medizin, des Sängers Brot ist der Applaus und die Darbietung seiner Kunst. Für alle Künstlerinnen und Künstler ist der Beruf eine Berufung!

Krise_Serafin_CMS_cLisa Schulcz.jpg Lisa Schulcz © Lisa Schulcz

Anna und Manuel Veith, Schi-Olympiasiegerin, Hotelier

Schätzen gelernt haben wir:
ANNA: Als Reisende habe ich mein Zuhause und die Ruhe besonders schätzen gelernt. Gerade während der Corona-Zeit war es ein besonderes Gefühl, am Land zu wohnen. Ich konnte in der Natur viel Kraft tanken. Und zum ersten Mal war für mich wirklich spürbar, wie schnelllebig unser Leben geworden ist. Produktiv zu sein war in dieser Phase zwar schwieriger als sonst, aber mit weniger Hektik an die Dinge herangehen zu können, hat mich auch kreativer und lockerer gemacht. Das hatte etwas Positives.

MANUEL: Dass Zeit neben Gesundheit das wertvollste Gut ist. Viel Bewegung, groß­artige Kochsessions und ein wirklich cooles und lässiges Beisammensein mit der Familie, ohne beruflichen Druck. Pures Energietanken.

Wir freuen uns auf:
MANUEL: Motiviert und kreativ wie eh und je haben wir viel geplant und unser Hotel "Das Arx" weiterentwickelt. Ich hoffe, dass gesundheitlich die schwierigste Phase hinter uns liegt und die Wirtschaft sich rasch erholt. Viele Menschen trifft diese Krise hart. Wir sind unglaublich privilegiert, in einem Sozialstaat wie Österreich zu leben. Das versuche ich mir immer wieder vor Augen zu halten.

ANNA: Ich freue mich darauf, meine Familie und meine Freunde wieder zu sehen. Das Video-Telefonieren ist zwar eine super Erfindung, aber ich habe schon gemerkt, wie sehr mir der soziale Kontakt fehlt.

www.anna-veith.com/

Krise_Veith_CMS_cPrivat.jpg privat © privat

Stefanie Bertolin, alleinerziehende Mutter

Schätzen gelernt habe ich: Dass wir alles, was wir brauchen, bereits haben. Wir können uns glücklich schätzen. Es ist so schön, am Land zu wohnen. Durch die Kurzarbeit hatte ich viel Zeit für meine vierjährige Tochter Valentina. Wir haben die Zeit zusammen genossen – ganz ohne Hektik. Wir konnten in den Tag hineinleben und spontan entscheiden, ob wir aufs Feld, Radfahren oder in den Garten spielen gehen. Kinder werden auch kreativer, wenn ihnen zwischendurch fad ist. Das war bei meiner Tochter interessant zu beobachten.

Ich wohne mit meiner Familie am selben Grund. Unser Gasthaus Steyrerhof musste ja geschlossen werden und so haben mich meine Eltern unterstützt und auch auf Valentina aufgepasst, während ich gearbeitet habe. Ich habe mich auf die Werte Familie und Zusammenhalt besonnen, das ist gerade uns als Großfamilie sehr wichtig.

Ich freue mich auf: Den Alltag – Freunde und Familie zu treffen und auf den Spielplatz zu gehen. Ich habe das Laufen und Lesen wieder für mich entdeckt. Das soll so bleiben. Ich möchte zukünftig nicht mehr von einem Treffen zum anderen hüpfen. Stress macht man sich immer selbst. Weniger ist mehr. Ich werde etwas zurückschrauben und mir meine Zeit besser einteilen. Natürlich freue ich mich auch auf eine nette Bar und darauf, mit meinen Freunden auf das Leben anzustoßen.

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Kathi Kamleitner, Tourguide in Glasgow

Schätzen gelernt habe ich: Erst durch die aktuellen Umstände ist mir so richtig aufgefallen, mit wie vielen Menschen ich auf der ganzen Welt eigentlich in Verbindung stehe – und wie einfach es ist, sich online mit ihnen auszutauschen. Dieser zwischenmenschliche Kontakt war für meine Arbeit schon immer wichtig, aber jetzt steht er halt wirklich im Mittelpunkt. Erstaunlich ist auch, wie anders ich meine direkte Umgebung, die man hier in Schottland derzeit ja nicht verlassen soll, plötzlich wahrnehme. Ich entdecke nicht nur den Park ums Eck neu, sondern sogar den grünen Innenhof meines Wohnblocks.

Natürlich fehlt es mir momentan sehr, Menschen zum Reisen zu inspirieren. Das ist für mich schließlich nicht bloß ein Hobby, sondern mein Beruf, bei dem ich helfe, individuell angepasste Touren durch meine Wahlheimat zu planen (www.watchmesee.com). Aber das ist bei uns hier eben alles noch immer nicht möglich, weshalb ich zur Zeit leider niemanden persönlich in diesem wunderschönen Land begrüßen kann. Stattdessen mache ich einstweilen zum Beispiel virtuelle Stadtführungen durch Glasgow, mit denen ich zumindest ein wenig Ablenkung vom Alltag bieten kann.

Ich freue mich auf: Vielleicht klingt es ausgerechnet jetzt in der Isolation ironisch, aber ich vermisse meine einsamen Solo-Wandertage an der schottischen Westküste. Allein am Strand ein Zelt aufbauen, zum Sonnenuntergang ein Schluck Whisky, und frühmorgens weckt mich das Rauschen der Wellen auf. Pure Sehnsucht!

Krise_Kamleitner_CMS_cPrivat.jpg privat © privat

Angela und Othmar Langthaler, Pensionisten

Schätzen gelernt haben wir: Die gute Nachbarschaft; uns wurde immer wieder Hilfe angeboten. Und dass wir etwas abgelegen wohnen, einen Garten haben. Dadurch sind wir diesem Eingesperrt-Sein zu Beginn der Krise entgangen.

Wir freuen uns auf: Die Familienfeste. Und darauf, endlich wieder selbst einkaufen zu gehen. Zu Beginn der Krise haben uns Tochter und Schwiegersohn versorgt, aber selbst kauft und gustiert man doch ganz anders.

Krise_Langthaler_CMS_cChristian Rusa.jpg Christian Rusa © Christian Rusa

Alexandra und Inge Zehetner, Konservatoriums-Leiterin, Pensionistin und Alexandras Mutter

Schätzen gelernt haben wir: 
ALEXANDRA: Videokonferenzen. Weil mein Freund in den USA lebt, hatte ich schon Erfahrung damit. Und auch alle Kurse unserer Sunrise Studios für Schauspiel, Tanz, Gesang und Musical funktionieren damit recht gut, sagen mir die Lehrerinnen und Lehrer. Weil Home Office strukturierter abläuft, ohne spontane Ablenkungen durch Schüler/-innen, Kollegen/-innen, Sozialkontakte und berufliche Treffs, hatte ich auch mehr Zeit für mich als sonst. Die nützte ich zu innerer Einkehr und körperlicher Betätigung in den eigenen vier Wänden.  

INGE: Das Telefon. So konnte ich mit Alexandra sieben Wochen Kontakt halten und ihr sagen, was sie für mich einkaufen und vor die Tür stellen kann. Oft kochte sie sogar für mich. Rührend! Und an meinem 90er konnte sie mich erstmals wieder besuchen.

Wir freuen uns auf: Eine gemeinsame Reise ans Meer, wann immer das wieder möglich sein wird. Als Vorfreude darauf gönnen wir uns demnächst einen gegrillten Wolfsbarsch beim Italiener.

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Lena Stepanenkova, Studentin

Schätzen gelernt habe ich: Die politische und soziale Stabilität hier in Österreich, die gute Infrastruktur. In meiner Heimat, der Ukraine, wurde die Bevölkerung beispielsweise nicht so ausführlich über die diversen Covid-19-Aspekte informiert wie hierzulande. 

Ich freue mich auf: Das Radfahren! Ich möchte es endlich lernen. Aufgrund der Krise wurde mein Fahrradkurs beim ÖAMTC verschoben, aber nun ist es endlich bald soweit.

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Paul Rauecker, Maturant

Schätzen gelernt habe ich: Den Zusammenhalt mit meinen Freunden trotz plötzlicher Vollbremsung auf dem Weg zur Matura. Innerhalb der letzten acht Jahre sind wir so richtig zu einem guten Team zusammengewachsen, weit über eine normale Klassengemeinschaft hinaus. Auch außerhalb der Schule haben wir viel gemeinsam unternommen, da fehlten die persönlichen Kontakte um so mehr. Positiv überraschend war, dass es in der Familie auch mit vierfachem Home Office gut funktioniert hat. Mit meiner Schwester Sophie (im Bild) verstehe ich mich besser denn je.

Ich freue mich auf: Unsere Maturareise – Kärnten statt Spanien! Wir haben ein kleines Haus in Maria Wörth gefunden, direkt am Wörthersee. Und auf mein freiwilliges Umweltjahr ab September, das ich auf der Universität für Bodenkultur verbringen werde – am Council für nachhaltige Logistik. Die Klimakrise wird uns ja auch noch lange nach Corona beschäftigen. 

Krise_Rauecker_CMS_cGünter Rauecker.JPG Günter Rauecker © Günter Rauecker

Thomas Strobl, Musik-Kabarettist

Schätzen gelernt habe ich: Das Entschleunigende, die gemeinsame Zeit mit der Familie und dass man eigentlich nicht viel zum Leben braucht, solange wirklich notwendige Dinge wie Wasser, Strom und Essen vorhanden sind. 

Ich freue mich auf: Meine Auftritte, die Interaktion mit meinem Publikum. Ich freue mich sogar schon auf das Abhakerln der Packliste, bevor es zur nächsten Bühne geht. Und ich freue mich auf mein Bühnenoutfit, besonders auf meine Glücksschuh’, die sogar farblich zu meinem aktuellen Programm "Jukebox" passen. 

www.der-strobl.at

Krise_Strobl_CMS2_cMaria Altmann.jpg Maria Altmann © Maria Altmann

Heidemarie Kriz, Shop-Designerin & Retail-Expertin

Schätzen gelernt habe ich: Meine schnelle Datenleitung für Video­konferenzen und Webinare in diversen Zeitzonen – und Tausende Erinnerungsfotos aus meinen vorwiegend beruflichen Reisen in den vergangenen Jahren. Privat den Kontakt mit Familie und Freunden. Erstaunlich, wie kreativ die Kommunikation mit meinen Eltern stattgefunden hat – ungeahnte Talente haben sich aufgetan!

Ich freue mich auf: Aufs Reisen, da einige meiner Projekte im Ausland aufgrund von Covid-19 verschoben werden mussten und mein Fernweh dadurch zunimmt. Zum Glück war ich zu Jahresbeginn berufsbedingt einige Wochen in Europa unterwegs, von diesen Erinnerungen zehre ich.

Krise_Kriz_CMS_cMaik Büger.jpeg Maik Bürger © Maik Bürger

Nicole Weisz, Studentin, Dressur-Reiterin

Schätzen gelernt habe ich: Kurz vor der Krise habe ich mich von meinem Freund getrennt und war bis dahin eigentlich immer recht viel unterwegs. In dieser Zeit habe ich wieder gelernt, allein zu sein und mit mir selbst klarzukommen.

Ich freue mich auf: Wieder raus in die Natur zu kommen, Freunde zu treffen, meinen geliebten Reitsport ausüben zu können, uneingeschränkt zu meinem Pferd zu dürfen. Zwischendurch war das ja streng reglementiert.

Krise_Weisz_CMS_c Christian Rusa.jpg Christian Rusa © Christian Rusa

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