Ein türkises Rennauto fährt auf einer Landstraße an Menschenmassen, die auf der Seite stehen, vorbei.
© Sebastian Weissinger
© Sebastian Weissinger
Juni 2025

Wirtschaftsmotor(sport)

Benzin und Business treffen Ruhe und Idylle: Beim Rechbergrennen treibt Motorsport nicht nur Herzen, sondern auch die regionale Wirtschaft an.
 

Die Lackner Reith ist an ganz normalen Tagen eine ganz normale Wiese in der Ost-Steiermark. Saftig grün und von Wäldern sowie sanften Hügeln umgeben. Dazwischen verschwindet eine Landstraße aus dem Blickfeld, die sich davor fast schon lasziv durch das Grün windet. Sie ist gemeinsam mit einem Hof und ein paar Einfamilienhäusern eines der wenigen Zeichen von Zivilisation. Aber eben nur an ganz normalen Tagen.

Werbung
Datenschutz Zur Anzeige von Werbung benötigen wir Ihre Zustimmung.
Menschenmassen auf einer Wiese beobachten ein Rennauto auf einer Landstraße.
© Sebastian Weissinger

Motorsport-Mekka am Rechberg

Ein Mal im Jahr pilgern rund 25.000 Menschen ins Almenland, das zwischen Graz und Bruck an der Mur liegt. Sie kommen, um eines der größten Motorsport-Spektakel des Landes zu sehen, das, wie es Organisator Christian Ferstl nennt, absolute Highlight des Jahres in der Region: das Rechbergrennen.

Startbereich eines Bergrennens mit rotem Rennauto. © Sebastian Weissinger
Rund 25.000 Menschen zieht das Rechbergrennen ins Almenland.

Bergrallye: Rennauto-Vielfalt

Bei der Bergrallye battlen sich die unterschiedlichsten Fahrzeuge – von historischen Rallye-Klassikern bis zu Formel-Boliden – auf einem 4.440 Meter langen, abgesperrten Abschnitt der B 64 um die schnellste Zeit. auto touring war vor Ort, sprach mit Politikern, Touristikern, Organisatoren und ging der Frage nach: Was macht so ein Event mit einer Region?

Rennautos stehen auf einer Landstraße, drumherum gehen Menschen. © Sebastian Weissinger
Von Rallye-Klassikern über Formel-Boliden – bis zur Mercedes C-Klasse: alles dabei am Rechberg.

Rennsport boostet Regionaltourismus

"Wir sind voll ausgelastet." Roman Gruber sitzt in der Bar des Vital-Hotel-Styria. Er ist Geschäftsführer des Betriebes und Obmann des Tourismusvereins Fladnitz/Teichalm. 49 Zimmer haben sie hier. An diesem Wochenende sind alle ausgebucht. "Für die Region ist das Rechbergrennen eine Top-Werbung", sagt er. Gruber glaubt, dass viele Menschen, die das Rechbergrennen besuchen, auch so wiederkommen. Auch der steirische Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) erzählt dem auto touring kurz vor der Eröffnung des Rennens Ende April, dass der Motorsport ein wichtiger Faktor für den Tourismus in der Steiermark sei. Nachsatz: "Besonders die Formel 1 zieht da an."

Zwei Personen unterhalten sich in einem Kaffee. © Sebastian Weissinger
Roman Gruber vom Vital-Hotel-Styria im Gespräch mit auto touring-Redakteur Maximilian Barcelli.

Red Bull Ring: 300.000 Menschen bei Formel 1

Wer über die wirtschaftlichen Effekte von Motorsport in Österreich sprechen will, kommt an der Rennstrecke im Murtal nicht vorbei. Rund eine Stunden mit dem Auto vom Rechberg entfernt ist sie das Epizentrum des heimischen Rennsports und hat mit Formel 1 und MotoGP die schnellsten Rennserien der Welt zu Gast. 300.000 Menschen zog der Große Preis von Österreich 2025 am letzten Juni-Wochenende abermals an und kürzlich gab der Ring bekannt, dass der Formel-1-Zirkus bis 2041 in Spielberg Halt machen wird.

Rennstrecke sorgt für Milliarden-Umsatz

Das macht sich massiv in der Region bemerkbar. So kommt eine von der Österreichring GmbH in Auftrag gegebene Studie letztes Jahr zum Schluss, dass durch die Events am Ring zwischen 2013 und 2023 ein Umsatz von 1,07 Milliarden Euro in Österreich, 671 Millionen Euro davon in der Steiermark, lukriert worden sind. Die jährlichen Nächtigungszahlen im Murtal haben sich im selben Zeitraum auf rund 600.000 fast verdoppelt. 183,3 Millionen Euro an Steuern konnten in den zehn Jahren durch den Ring eingenommen werden.

Tribüne auf einer Rennstrecke, die voller Menschen ist. © Helmut Eckler
183,3 Millionen Steuern entstanden durch den Red Bull Ring in zehn Jahren.

EY-Studie bestätigt Motorsport als Wirtschaftsmotor

Eine von der FIA in Auftrag gegebene und von EY-Parthenon durchgeführte Studie hat die weltweiten ökonomischen Auswirkungen der Motorsport-Industrie im Jahr 2019 untersucht. Das Ergebnis: Der Bruttoproduktionswert von Rennsport weltweit betrug im Vor-Pandemie-Jahr insgesamt knapp 160 Milliarden Euro. Der direkte Produktionswert betrage der Studie zu Folge immer noch rund 60 Milliarden Euro. Zur Einordnung: Das Bruttoinlandsprodukt von Ungarn betrug 2019 nur 144 Milliarden Euro.

Ein Rennauto fährt vor Publikum auf einer Landstraße. © Sebastian Weissinger
Die Motorsport-Industrie: 2019 für einen indirekten und direkten Bruttoproduktionswert von 160 Milliarden Euro verantwortlich.

Kosten für öffentliche Hand

Es gibt aber auch Studien mit anderen Ergebnissen: In einer 2020 im Fachmagazin "Regional Studies" erschienenen Untersuchung kommen die Autoren zum Schluss, dass Formel-1-Rennen keine positiven Einflüsse auf die Wirtschaft eines Landes haben. Zwar weisen die Forscher auf viele andere Studien hin, die durchaus einen hohen ökonomischen Output für Regionen, die Formel-1-Rennen austragen, attestieren. Doch meistens werden dort die Kosten für die öffentliche Hand außer Acht gelassen. Wie sieht das am Rechberg aus?

Dort kommt Organisator Christian Ferstl gerade im Fahrerlager an. Auch er hat hier seine Basis, immerhin fährt er wie seine Frau mit einem Formel-3-Wagen selbst beim Rechbergrennen mit. Also, Herr Ferstl, wie steht‘s um die Finanzen?

Eine Person steht vor einem Formel-Rennwagen. © Sebastian Weissinger
"Jedes Hotel oder Appartement von Graz bis ins Almenland ist ausgebucht", sagt Organisator Christian Ferstl.

Leitschienen für 200.000 Euro

Genau beziffern könne er die wirtschaftlichen Effekte zwar nicht, aber von Graz bis ins Almenland sei jedes Hotel oder Appartement ausgebucht. Klar sei das Finanzielle eine der größten Herausforderungen. Mal müssen Leitschienen für 200.000 Euro angeschafft werden, mal Betonleitwände oder Verkehrszeichen. Aber dank Sponsoren, Startgeldern und Tickets gehe sich das alles aus. Von finanzieller Unterstützung von staatlicher Seite – und die Sinnhaftigkeit ebendieser stellen die Forscher in ihrer Untersuchung infrage – ist hier überhaupt keine Rede.

Ein rot-weißes-Formel-Rennauto fährt durch eine Kurve auf einer Landstraße. © Sebastian Weissinger
Organisiert nicht nur, sondern fährt auch mit: Christian Ferstl in seinem Formel-3-Boliden.

Fanzone statt Wiese

An ganz normalen Tagen ist die Lackner Reith eine ganz normale Wiese. Heute ist kein normaler Tag, heute ist Raceday – und die Wiese Fanzone. Tausende Menschen sitzen auf ihren Campingstühlen, verfolgen das Renngeschehen, essen Schnitzelsemmeln, trinken Bier. Die Stimmung ist ausgelassen. Dann fightet sich ein BMW E30 328i über die Strecke. Die Menge grölt, denn der Fahrer nimmt die langgezogene Linkskurve frech im Drift. Für das Rechbergrennen sind solche Showeinlagen natürlich Top-Werbung.

In zwei Tagen aber schon wird von der Show nicht mehr viel zu sehen sein. Landstraße, Hof und Einfamilienhäuser werden wieder die gewohnt wenigen Zeichen der Zivilisation sein. Nur die Wiese wird ein wenig von ihrem normal-saftigen Grün eingebüßt haben.

Kommentare (nur für registrierte Leser)