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© Christian Postl
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Juli 2021

Clever und smart

Tablets ersetzen sämtliche Papierdokumente, die in den Cockpits der ÖAMTC Notarzthubschrauber für Flugvorbe­reitung und -betrieb benötigt werden. Dank laufender Updates sind sie stets auf aktuellstem Stand.

Die Christophorus-Flotte wird künftig um fast fünf Kilogramm pro Hubschrauber leichter – eine Verschlankung, die nichts mit neuen Konstruktionsmaterialien oder gar einem Fitnessprogramm für die Crews zu tun hat. Es ist vielmehr die Vision des vollkommen papierlosen Cockpits, die im wahrsten Sinne des Wortes für Erleichterung sorgen soll.

Denn als eines der ersten Luftfahrtunternehmen in Österreich setzt die ÖAMTC-Flugrettung auf das "Electronic Flight Bag", kurz EFB. Das bedeutet: Alles, was ein Notarzthubschrauber an Papier mit sich herumschleppt, wird künftig über ein Tablet digital von der Crew abrufbar sein.

Für das Projekt verantwortlich zeichnet ein Team um Daan Remie, selbst Christophorus-Pilot, der ähnliche Konzepte bereits aus anderen Ländern kennt und entsprechend internationale Erfahrung in diesem Bereich mitbringt.

Was im ersten Moment sogar relativ einfach umsetzbar klingt, ist freilich eine hochkomplexe Angelegenheit. Die genannten fünf Kilogramm Papier, die sich an Bord befinden, umfassen unterschiedlichstes Material: Checklisten, Handbücher, Karten, Anflugblätter, Reports – all das ist für den Flugbetrieb, aber auch für die Einsatzdokumentation wichtig und notwendig.

An dieser ­Aufzählung erkennt man aber auch als Laie, wo die Herausforderungen auf dem Weg zum "paperless cockpit" liegen: Die zu verarbeitenden Daten sind höchst unterschiedlicher Natur.

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Die Vorteile einer digitalen Variante ­liegen auf der Hand. Neben dem deutlich geringeren Gewicht braucht das ­Tablet auch entsprechend weniger Platz als beispielsweise eine Kartentasche. In der Enge des auf Effizienz getrimmten Christophorus-Cockpits ist das eine nicht zu unterschätzende Erleichterung.

Mindestens genauso wichtig, auf lange Sicht ­vermutlich sogar noch wichtiger ist aber ein anderer Aspekt: Sämtliches Material, das für den Flugbetrieb erforderlich ist, muss stets aktuell gehalten werden. Das betrifft beispielsweise Updates in den Handbüchern des von der ÖAMTC-Flug­rettung eingesetzten Hubschraubermodells H135: Diese werden vom Hersteller mehrmals pro Jahr herausgegeben, dem Flottenbetreiber obliegt es dann, die entsprechende Aktualisierung innerhalb eines gewissen Zeitfensters – und an Bord jedes seiner Fluggeräte – vorzunehmen. Dank EFB wird es künftig möglich sein, diese Daten elektronisch einzuspielen, statt Kopien zu verteilen – kostengünstig, effizient, schnell und ­einheitlich.

Die größte Veränderung für die Crews betrifft aber den täglichen Einsatzbetrieb, denn das EFB beinhaltet nicht nur ­statische Informationen, wie man sie auf Papier findet. Echtzeitinformationen zur Wetterlage, Zugriff auf Wetter­kameras, Infos über eventuell für den Luftverkehr gesperrte Gebiete, Hindernisdateien, Navigationskarten usw. – kurz: alles, was für den sicheren Flug von A nach B gebraucht wird, kommt künftig direkt auf das Tablet. Und das alles natürlich so, wie man das vom privaten ­Gerät kennt, also beispielsweise die übliche ­Bedienung mittels Wischen und Tippen am Touchscreen, Zoomfunktionen usw. 

Mit dem EFB sind wir die Ersten in Österreich, die in Sachen "paperless cockpit" internationales Niveau erreichen.

Daan Remie, ÖAMTC-Flugrettung

Noch in den Kinderschuhen stecken weitere Funktionen, die künftig über das Electronic Flight Bag laufen sollen – darunter eine Nachrichtenfunktion, die die Technik des Hubschraubers, z.B. Triebwerksdaten, beobachtet. Die Idee: Wenn das System Auffälligkeiten innerhalb eines vorher festgelegten Rahmens feststellt, bekommt die Crew automatisch einen Hinweis darauf – ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Sicherheitsplus im Flugbetrieb. Gleiches gilt beispielsweise auch für das gesamte technische Logbuch jedes einzelnen Helikopters, das künftig sozusagen "mit einem Wisch" abrufbar sein soll.

Zurück zur praktischen Umsetzung: Neben der herausfordernden Integration komplett unterschiedlicher Daten in ein einziges Gerät gilt es auch, Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Logisch: Was, wenn es z.B. plötzlich keine Internetverbindung mehr gibt – ein Problem, das ­jeder Smartphonebesitzer aus leidvoller Erfahrung kennt? Die Sicherheit für Crews und Patienten steht selbstverständlich an oberster Stelle – darum gehört es unter anderem zu den Anforderungen an das EFB, dass alle Funktionen offline verfügbar sein müssen.

Aber auch Dinge wie Ladezustand des Akkus oder eine Beschädigung der Datenbank sind Szenarien, zu denen bereits vorab eine Problem­lösung vorhanden sein muss. Darum sollen künftig zwei Tablets an Bord sein, eine Powerbank soll mitgeführt (noch gibt es in den Hubschraubern keine direkte Lademöglichkeit) und die Möglichkeit einer jederzeitigen Rücksetzung der Daten­bank um 24 Stunden implementiert werden, um etwaige Ausfälle schnell und sicher kompensieren zu können.

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