Es ist aber genau diese Widersprüchlichkeit, die uns an der Scrambler irritiert. Ihre optischen Reize lassen andere Eigenschaften vermuten als jene, über die sie tatsächlich verfügt – sie sendet die falschen Signale aus.
Die Scrambler ist kein gemütliches und bequemes Motorrad. Sie ist gemacht für jene, die zwar Gefallen an vagen Vintage-Looks finden, aber keinen modernisierten Oldtimer wollen. Deshalb verfügt sie auch nur über ein einseitig angeschlagenes Federbein, nicht aber über Stereo-Federbeine. Sie ist für jene ideal, die lieber flott als genüsslich unterwegs sind. Denen Temperament wichtiger ist als Kultiviertheit.
Zurück zur Testmaschine, nächstes Kapitel: der Motor. Erstmals entkommt uns ein Lächeln. Denn im schwarzen Gitterrohrrahmen hängt ein 90-Grad-V2 mit 803 Kubikzentimetern Hubraum, 75 PS stark. Er wiederum passt hervorragend zur Scrambler, ist nicht zu stark und nicht zu schwach, treibt sie munter und gleichmäßig vorwärts. Es mag sanfter laufende Triebwerke in dieser Klasse geben, in punkto Emotionalität und Drehfreude liegt dieser Twin aber weit vorne. Festzuhalten ist vielleicht noch, dass sich das Aggregat der Testmaschine – selten, aber doch – beim Öffnen des Gasgriffs verschluckte. Was nur insofern unangenehm war, weil es jedes Mal in Schräglage am Scheitelpunkt der Spitzkehre passierte. Statt des erhofften Vortriebs gab’s daher zunächst einen kurzen Ruckler – und erst dann strebte die Scrambler eilig voran.
Wer vermutet, die Scrambler sei ein agiles Eisen, wird womöglich auch enttäuscht sein. Ja, sie ist handlich, ja, sie lenkt willig ein. Ja, sie ist dank des breiten, hohen Lenkers sowie der tiefen Sitzposition auch gut kontrollierbar. Ja, ihr Handling ist absolut gutmütig. Aber nein, agil ist sie nicht. Dafür liegt sie in eilig durchfahrenen Kurven stabil auf der Straße.
Bleibt noch die Bremsanlage. Der Optik zuliebe wurde es eine Einscheiben-Variante – macht nichts, die Bremsleistung ist auch so ausreichend. Das ABS regelt zwar erst relativ spät, dann aber sauber und flott.
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