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Auf der Save zwischen Belgrad und Sremska Mitrovica.

© Roland Fibich/auto touring

Auf der Save zwischen Belgrad und Sremska Mitrovica.

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Mai 2017

Der stille Fluss

Eine Woche mit dem Kreuzfahrt-Schiff MS Prinzessin Sisi auf der Save, dem Schnittpunkt europäischer Kulturen.

Wo sind die alle her?" Der Herr in der Fußgängerzone von Brčko spricht mich auf Serbokroatisch und Deutsch an. Aus heiterem Himmel ist eine Hundertschaft österreichischer Touristen in die Kleinstadt eingefallen. Und ich bin einer davon. "Aha, Sie kommen aus Österreich? Ich habe Verwandte in Wien!" Mein Gesprächspartner kann gar nicht glauben, dass Brčko – samt Mini-Umland ein autonomer Distrikt innerhalb des jungen Staates Bosnien-Herzegowina – in der Lage ist, rot-weiß-rote Vergnügungsreisende anzulocken. Wir sind aber keine Gespenster, sondern tatsächlich vom Fluss Save heraufgekommen und spazieren jetzt – von ortskundigen Reiseleitern begleitet – entlang gut besuchter Cafés die Fußgängerzone hinunter zum Grand Hotel Posavina, wo Kaffee und Baklava serviert werden.

Die picksüße orientalische Blätterteig-Spezialität ist hier heimisch. Denn Brčko gehörte Jahrhunderte lang zum Osmanischen Reich, später – bis 1918 – auch zu Österreich-Ungarn. In jüngerer Zeit freilich war es einer der Brennpunkte des Bosnien-Krieges. Dass davon an diesem sonnigen Apriltag praktisch nichts mehr zu bemerken ist, gehört zu den vielen positiven Überraschungen dieser spannenden Reise.

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Fragen über Fragen

Die erste davon war schon das Ziel an sich. Save? Wo ist das jetzt genau? Der einzige Fluss Mitteleuropas, der im Tiefland noch heute seinem natürlichen Lauf folgt, entspringt in Slowenien nahe der österreichischen Grenze und mündet 945 Kilometer weiter in Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, in die Donau. Und die Save war und ist Grenzland: zwischen West und Ost, zwischen katholischen und orthodoxen Christen, zwischen Habsburger- und Osmanischem Reich sowie zwischen Kroatien bzw. Serbien einerseits und Bosnien-Herzegowina andererseits.

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Wenn die Frühlingssonne in den Julischen Alpen den Schnee schmelzen lässt, führt die Save meist genügend Wasser, sodass auch größere Schiffe wie die MS Prinzessin Sisi von Belgrad bis Sisak nahe der kroatischen Hauptstadt Zagreb den Fluss hinauf gleiten können. An Bord des 111 Meter langen Vier-Sterne-Schiffes unter österreichischer Leitung mit der Bordsprache Deutsch: 78 Kabinen in sieben Kategorien, elegantes Restaurant mit hervorragender Küche, Panorama-Salon mit Bar, Außenpromenade und ein phantastisches Sonnendeck, der Lieblingsplatz vieler Passagiere. Und auch meiner. Denn das Schöne ist, dass unsere Prinzessin Sisi auf der Save nicht während der Nacht umhergeistert, wenn die Passagiere in Tiefschlaf versunken sind. Meist legen wir kurz nach dem Mittagessen ab und können bis in den Abend hinein in den Liegen die Sonne genießen und ausspannen. Dazu vielleicht einige Bierchen oder Gläser Wein? Das ist keine Hexerei, denn viele Passagiere haben das Getränkepaket gebucht, mit dem diese und andere Drinks im Preis eingeschlossen sind.

Freilich gibt es auch andere Attraktionen. "Jetzt haben Sie schon wieder einen Fischadler verpasst", bemerkt der freundliche Mitreisende. Nur weil ich kurz für kleine Buben war! Wir sind mit Feldstecher und lichtstarkem Vierhunderter-Objektiv ausgerüstet, um nichts zu verpassen. Rasch kommen wir ins Gespräch. Die fast unberührte Naturlandschaft an der Save war für viele Mitreisende einer der Hauptgründe, ausgerechnet diese Flusskreuzfahrt zu buchen. Dazu natürlich die Tatsache, dass es in einen Winkel Europas geht, der auf den Reiselisten vieler Landsleute nicht gerade ganz oben gereiht ist. Bei so manchem Gast hat aber genau das den Entdeckergeist geweckt: Das könnten wir uns doch auch einmal anschauen! Zumal hier hinter fast jeder Ecke ein Geschichtsbezug nach Österreich wartet, wenn auch oftmals ein kriegerischer: Auch in Novi Sad, wo die Flusskreuzfahrt (zunächst noch auf der Donau) ihren Anfang nimmt. 1716 versuchten die Osmanen die gigantische Festung Peterwardein am anderen Ufer der Stadt zu erorbern. Doch das "Gibraltar an der Donau" bzw. "Grab der Fremden" – so die Kosenamen des 1,5-Milliarden-Ziegel-Klotzes – widerstand. Die Türken wurden schließlich vom Prinzen Eugen und, so die beliebte Legende, von einem Schneesturm vertrieben, den die heilige Jungfrau Maria schickte. Im August. 

Von Belgrad zu den Störchen Kroatiens

Vier Stunden Stadtrundfahrt samt Besichtigungen ist am nächsten Reisetag für die serbische Hauptstadt Belgrad natürlich eine geradezu lächerlich kurze Zeitspanne. Aber so ist das eben bei einer Kreuzfahrt, da darf man sich nicht beschweren. Manche Passagiere wünschen sich aber doch, dass das in der Schnelle Gesehene und die komplizierten aktuellen politischen und kulturellen Verwicklungen in dieser Gegend Europas Thema vertiefender Vorträge an Bord wären. 

An den Reiseführern in Belgrad und andernorts ist das freilich keine Kritik. Sie bemühen sich mit hohem Engagement, in der kurzen Zeit die komplizierten Balkan-Realitäten für die Besucher/-innen aus Österreich fassbar zu machen. Warum wird der Staat Serbien seinen schlechten Ruf in der Welt nicht los? Wie ist die Stadt wirklich? Und warum bauen die Belgrader wie die Verrückten an einer neuen Kirche, die der einstigen Hagia Sophia in Byzanz, dem heutigen Istanbul, gleichkommen soll? Konflikte jedenfalls sind in Belgrad immer zu Hause gewesen. Mehr als 30 Mal wurde die Stadt am Zusammenfluss von Donau und Save seit der Antike zerstört oder erobert. 

Ab Belgrad beginnt die MS Prinzessin Sisi ihre – wie es Kreuzfahrtdirektorin Romana Tichy ausdrückt – "Expedition in unendliche Weiten, in die noch nie ein Flusskreuzfahrtschiff vorgedrungen ist". Zumindest kein österreichisches. 1,7 Meter Tiefgang hat unsere Prinzessin, das sollte sich ausgehen. In engen Windungen gleiten wir entlang dicht bewachsener Ufer flussaufwärts, beäugt von Kormoranen, Fischreihern und Adlern. 

Wir legen in Sremska Mitrovica an, von wo aus es zunächst mit dem Bus in die Fruška Gora (Frankengebirge) mit dem sehenswerten Kloster Krusedol und retour geht. Die Stadt am Fluss war als Sirmium gegen Ende des Römischen Reiches eine der Metropolen des Imperiums. Kaiser Konstantin regierte hier lange Zeit, 583 kamen die Awaren und machten der Herrlichkeit Sirmiums ein Ende. Ausgrabungen und ein Museum erzählen die faszinierende Geschichte dieser Stadt am Schnittpunkt der Zeiten und Kulturen.

Eben waren wir noch in Serbien, schon sind wir in Bosnien-Herzegowina. Von Brčko fahren wir – neuerlich mit dem Bus – entlang schön gepflegter Gärten, in denen Obstbäume prächtig blühen, und vorbei an Moscheen samt Minaretten zum Franziskanerkloster Tolisa, wo wir von den Mönchen herzlich empfangen werden. Im Grenzort Drašje soll es im Motel-Restaurant gleich neben der Brücke über die Save rechts die besten Ćevapčići aller Zeiten geben – schwört zumindest Reiseleiterin Dara Meier. Ausprobieren können wir das nicht, schließlich wartet auf dem Schiff das vorbereitete Mittagessen.  

Am fünften Tag ist – Überraschung! – die Fahrt in der kleinen Stadt Županja außerplanmäßig zu Ende, denn flussaufwärts versperrt eine Sandbank die Weiterfahrt. Da kann man nichts machen, für die folgenden Ausflüge sind entsprechend längere Busfahrten erforderlich. Zum Glück fällt der Besuch im Naturpark Lonjsko Polje nicht aus, wo auf den Dächern restaurierter Bauernhäuser zahlreiche Störche brüten – eine der größten Storchen-Populationen Europas. 

Zurück an Bord, kurz vor dem Abendessen, ist das Deck menschenleer. Es ist absolut still. Den Flügelschlag des Storches höre ich, bevor ich ihn sehe. Er zieht seine Kreise um das Schiff, verschwindet nach Minuten hinter einer Flussbiegung. Später klirren im Panorama-Salon beim Abschiedsempfang des Kapitäns die Sektgläser, während draußen die Sonne über der Save sinkt. An diesem Schnittpunkt der Kulturen und Religionen ist nun ein bisschen Frieden eingezogen. Und das ist heutzutage wahrlich kein kleiner Trost.

Im Frühjahr 2018 bietet das ÖAMTC-Reisebüro wieder Flusskreuzfahrten mit der MS Prinzession Sisi auf der Save an

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