Eine Pressekonferenz in einem prunkvollen Saal
© ÖVK/Kaulfus
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Mai 2025

Umdenken für "Net Zero"

Beim 46. Internationalen Wiener Motorensymposium diskutierten zahlreiche Experten aus Forschung, Entwicklung und der globalen Industrie Antriebssysteme und Energien für klimaneutrale Mobilität zu Lande, Wasser und in der Luft.

Die zentrale Botschaft des 46. Internationalen Wiener Motorensymposiums am 15. Mai 2025 war klar: Um aus fossilen Energien aussteigen zu können, braucht es nicht eine, sondern alle technisch und wirtschaftlich möglichen Lösungen. Wie der Veranstalter, TU-Professor Bernhard Geringer, zur Eröffnung des Gipfeltreffens der globalen Fahrzeug- und Motoren-Entwickler sowie der Fahrzeugindustrie betonte, muss in der Bewertung von "Net Zero Mobility" nicht nur der Ausstoß während des Betriebes, sondern der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs von der Rohstoffgewinnung und Produktion bis zur Entsorgung betrachtet werden. "Korrekt sollte das Ziel als Defossilisierung anstatt Dekarbonisierung bezeichnet werden. Um dieses Ziel erreichen zu können, brauchen wir vereinte Anstrengungen und die gesamte physikalische Variantenvielfalt an klimaneutralen Energieträgern samt den dazu passenden Antriebstechniken."

Geringer fordert bei seiner Eröffnungsrede Planungssicherheit für die Industrie und damit einhergehend verlässliche Regelungen vonseiten der Politik. Das gilt nicht nur für den Verkehr, sondern auch die nachhaltige Energieindustrie benötigt entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen, um längerfristig zu planen. Eine Gesamt-Systembetrachtung – wie etwa in Japan – sieht Geringer als notwendigen Schritt. "Damit haben auch klimaneutrale Kraftstoffe und energieeffiziente Antriebe wie Range Extender (REX) eine Chance. China macht uns das mit den sogenannten New Energy Vehicles – u.a. BEVs und REX – vor."

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Eine Lösung für alle Hersteller

Horse Powertrain, ein 2024 in London gegründetes Joint Venture zwischen Geely sowie Renault und dem saudischen Aramco-Konzern, will ein zentraler Bestandteil eines neuen, ganzheitlichen Ansatzes sein. Die Firma bietet komplette Antriebsstränge für de facto alle Automobil-Hersteller der Welt an. "Bis 2040 werden noch eine Milliarde Verbrennungsmotoren auf den Straßen unterwegs sein. Horse Powertrain baut das fehlende Glied: Hybride, synthetische Kraftstoffe und ein modulares System, das für die Kompatibilität mit Elektro- und Multi-Fuel-Plattformen ausgelegt ist. Unsere Lösungen rationalisieren die Produktion und geben Erstausrüstern die Flexibilität, ihre Antriebsstrategien an die besonderen Anforderungen des jeweiligen Marktes anzupassen", erklärt CEO Matias Giannini.

China und Indien als Vorbild

Mit der neuen Rolle Asiens in der Automobilindustrie beschäftigte sich der Vortrag von Markus Heyn, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH und Vorsitzender von Bosch Mobility, Stuttgart: "China ist unter anderem Leitmarkt für Batterie- und Hybrid-Fahrzeuge. Neue Antriebstechnologien werden inzwischen vor allem im Reich der Mitte zuerst eingeführt. Zum Erfolgsrezept gehört eine enge Zusammenarbeit von Herstellern und Zulieferern sowie klug gesetzte Rahmenbedingungen. So ist es China gelungen, den Hochlauf der insbesondere für Lkw wichtigen Wasserstoff-Mobilität zu starten. Auch Indien hat inzwischen begonnen, eine eigene Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Von China und Indien müssen wir in Europa lernen."

Zwei Männer in Anzügen geben eine Pressekonferenz © ÖVK/Kaulfus

Neue E-Technologien

Mercedes-Benz präsentierte in Wien technologische Innovationen wie die neue Mercedes Modular Architecture (MMA), die besondere Vielseitigkeit ermöglichen soll. Neue Konzepte wie der kompakte Axialfluss-Elektromotor sollen in naher Zukunft neue Möglichkeiten im Bereich der Performance-Elektromobilität ermöglichen.

Frederik Zohm, Vorstand für Forschung & Entwicklung bei MAN Trucks & Bus, bekräftigte die Bedeutung von batterieelektrischen Antrieben für Nutzfahrzeuge: "Diese haben bei der Energieeffizienz und den Betriebs- und Energiekosten aktuell deutliche Vorteile gegenüber anderen Antriebskonzepten. Bis 2030 sollen bis zu 90 Prozent aller neuen Busse und 50 Prozent aller neuen MAN-Lkw mit batterieelektrischen Antrieben ausgestattet sein. Der MAN eTruck bietet dabei ein modulares Batteriekonzept, zahlreiche Radstände, verschiedene Fahrerhaus-Varianten, Nebenantriebe und Branchenausstattungen, was über eine Million Konfigurationsvarianten ermöglicht und die Bedarfe aller relevanten Branchen, Aufbaulösungen und Transportaufgaben erfüllt. Die Ausstattung mit dem Megawattladestandard MCS mit bis zu 1000 kW ermöglicht perspektivisch zudem das Wiederaufladen innerhalb der Lenkzeitpause des Fahrers."

Warum "Defossilisierung" und nicht "Dekarbonisierung"?

Ohne Kohlenstoff gibt es kein Leben auf dieser Welt, daher sei es falsch, vom Ziel der "Dekarbonisierung" zu sprechen, erklärte Professor Geringer: "Der Kohlenstoff ist das zentrale Element der organischen Chemie, gilt als der Ursprung allen Lebens und bildet die Grundlage für Proteine, Kohlenhydrate, Fette etc. Ohne Kohlenstoff im Kreislauf zu halten, wird es keine nachhaltigen Produkte wie Kunststoffe, Arzneimittel, Kraftstoffe wie E-Fuels, Chemikalien etc. geben. Zur Dekarbonisierung gehören Methoden wie Elektrifizierung und Effizienzsteigerungen, während bei der Defossilisierung fossile Rohstoffe (Erdöl, Erdgas) durch Alternativen wie Biomasse und recycelte Produkte ersetzt werden."

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