Dieseldiskussion
Die Abgas-Manipulation bei Dieselfahrzeugen sowie die Diskussion um den Kraftstoff Diesel an sich verunsichert viele Autobesitzer. Der ÖAMTC informiert, setzt sich für Ihre Rechte als Betroffener ein und beurteilt die Maßnahmen der Hersteller.
© iStockphotoÖAMTC rät Betroffenen des VW-Abgasskandals zu dringendem Software-Update
Kraftfahrbehörden setzen Frist und drohen mit Aufhebung der Kfz-Zulassung.
Viele Zulassungsbesitzer:innen, deren Fahrzeuge vom VW-Dieselskandal betroffen sind, erhalten aktuell Post mit potenziell weitreichenden Folgen: Aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) fordern die Kraftfahrbehörden dazu auf, ein notwendiges Software-Update durchführen zu lassen. Wird nicht umgehend eine Bestätigung des Herstellers über die erfolgte Durchführung vorgelegt, soll die Kfz-Zulassung aufgehoben werden. Aufgefordert werden all jene Zulassungsinhaber:innen, die das Software-Update bis dato noch nicht haben durchführen lassen.
"Wer die Bestätigung über das Update nicht innerhalb der Frist vorlegen kann, läuft Gefahr, von heute auf morgen die Kfz-Zulassung zu verlieren und das Kennzeichen abgeben zu müssen", sagt ÖAMTC-Verkehrsjurist Matthias Wolf. In Österreich sind Tausende Fahrzeuge vom VW-Dieselskandal betroffen. Die aktuellen Aufforderungsschreiben richten sich insbesondere an Zulassungsbesitzer:innen von Fahrzeugen mit einem EA 189 Motor der ältesten Bauart.
"Betroffene Zulassungsbesitzer:innen sollten sich jedenfalls umgehend an eine Vertragswerkstätte des Herstellers wenden und das Software-Update vornehmen lassen", empfiehlt Wolf. "Wird der Behörde die Bestätigung fristgerecht vorgelegt, hat man keine weiteren Konsequenzen zu befürchten."
Vereinzelt nimmt der ÖAMTC Berichte von Betroffenen wahr, wonach es durch das Update zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und schnellerem Verschleiß bestimmter Teile kommen kann. "Auf jeden Fall sollte man in der Werkstätte darauf bestehen, dass die aktuellste Softwareversion installiert wird", rät der ÖAMTC-Jurist abschließend.
VW zu Schadenersatz verurteilt
Mit seinem am 25.Mai 2020 veröffentlichten Urteil hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dem deutschen Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Er erhält den für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises zurück, muss sich davon aber den gezogenen Nutzungsvorteil abziehen lassen und das Fahrzeug zurückgeben.
ÖAMTC zu "Abgasgipfel": Erste positive Signale – viele offene Fragen
Für den ÖAMTC ist es selbstverständlich, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Daher unterstützen wir auch die Initiative des Verkehrsministers zur Erarbeitung des "Aktionsplan für Sauberen Verkehr – Mobilitätswende 2030", erklärt ÖAMTC-Interessenvertreter Bernhard Wiesinger.
Der Club begrüßt Bekenntnis des BMVIT zum Bestandschutz für alle zugelassenen Pkw, fordert aber dennoch eine unbeschränkte Weiterfahrgarantie. Mehr zum "Abgasgipfel"
"Diesel-Skandal": Ein Schlagwort - drei Themenfelder
Die Diskussion über Fahrverbote in Deutschland sorgt auch bei heimischen Konsumenten für Verunsicherung. Dabei werden oftmals drei Themen miteinander vermischt - die bewusste Manipulation von Software bei bestimmten Fahrzeugen aus dem VW-Konzern, die drohenden Fahrverbote aufgrund schlechter Luftwerte sowie die Kartell-Vorwürfe gegen die deutsche Autoindustrie.
Beim verpflichtenden VW-Rückruf ging es darum, betroffene Fahrzeuge in einen Zustand zu bringen, der den rechtlichen Normen entspricht, die für die Zulassung notwendig sind. Das wurde mittels Software-Update gemacht. Der
ÖAMTC hat im Jahr 2016 geprüft, ob dem Kunden durch dieses Software-Update irgendwelche Nachteile – insbesondere in Leistung und Verbrauch – erwachsen. Bei der rechtlich relevanten Prüfstandsmessung lag der NOx-Wert vor und nach dem Rückruf unter dem gesetzlichen Grenzwert. Gleichzeitig machte der ÖAMTC bereits damals darauf aufmerksam, dass der NOx-Ausstoß durch das Software-Update nur geringfügig sinkt.
Bei der Diskussion rund um den deutschen Diesel-Gipfel geht es darum zu beurteilen, ob es möglich ist, den NOx-Ausstoß von völlig legal in Betrieb befindlichen Fahrzeugen durch ein freiwilliges Software-Update um 25 Prozent zu senken. Hinsichtlich dieses Zieles hat der ÖAMTC – eben aufgrund seiner Erfahrungen aus dem VW-Rückruf – erhebliche Zweifel. Eine signifikante Verringerung des NOx-Ausstoßes der Dieselflotte kann nur gelingen, wenn zumindest bei einigen Fahrzeug-Typen auch ein nachträglicher Einbau von SCR-Filtern erfolgt.
Diesel - die Fakten
Der ÖAMTC beteiligt sich nicht an dieser von vielen Irrtümern und Wunschvorstellungen geführten Debatte, er ist weder für die Verteidigung noch für die Verdammung des Diesels zu haben. Clubmitglieder haben das Recht auf ungefärbte, unbeeinflusste und faktenbasierte Information, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Deshalb hat das Mobilitätsmagazin auto touring die wichtigsten Begriffe, mit denen am Thema Interessierte jetzt konfrontiert wird, mit Hilfe der ÖAMTC-Experten erklärt.
Verbrenner-Debatte verunsichert mehr als Diesel-Diskussion
64 Prozent der Befragten befürchten einen niedrigeren Wiederverkaufswert ihrer Fahrzeuge und 27 Prozent sind durch die Diesel-Diskussion rund um die Reduktion der NOx-Emissionswerte verunsichert; Club fordert Weiterfahr-Garantie für Bestandsfahrzeuge da ansonsten eine enorme Wertvernichtung droht.
Die Online-Umfrage des Markt- und Meinungsforschungs-Institutes Integral, die von 12. bis 15. August 2017 im Auftrag des ÖAMTC unter 800 österreichischen Autofahrern durchgeführt wurde, zeigt auf, welchen Einfluss politische Debatten auf Vermögenswerte von Millionen Österreichern haben können. So gehen 64 Prozent der Befragten davon aus, dass die Diskussion um das mögliche Ende von Verbrennungsmotoren eine unmittelbar negative Auswirkung auf den Wiederverkaufswert ihrer Fahrzeuge hat.
Wenig Zustimmung finden auch die Inhalte der Debatte: Über zwei Drittel (68 Prozent) halten ein Auslaufen der Verbrenner-Technologie ab 2030 für unrealistisch. 73 Prozent wollen, dass die Politik lieber Zielwerte – etwa für Abgase – und nicht die Antriebsart selbst vorschreibt. 58 Prozent wollen ihre bestehenden Fahrzeuge unbeschränkt weiternutzen und -verkaufen können. Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung sieht in den Ergebnissen der Befragung die Clublinie bestätigt und leitet daraus eine klare Forderung ab: "Egal welche Rahmenbedingungen für Autos die Politik letztlich festlegt, es braucht hier und heute eine Weiterfahr-Garantie für Bestandsfahrzeuge. Ansonsten droht Wertvernichtung in Milliardenhöhe für Konsumenten."
27% der Befragten sind durch die Diesel-Diskussion rund um die Reduktion von NOx-Emissionswerten verunsichert
Auch die Diskussion über zu hohe NOx-Emissionswerte bei Dieselfahrzeugen verunsichert die österreichischen Autofahrern – allerdings weniger stark als die Debatte über ein mögliches Ende für Verbrennungsmotoren. 61 Prozent der österreichischen Autofahrer halten die aktuelle Diskussion über die Abgaswerte von Diesel-Pkw für übertrieben, 27 Prozent sind verunsichert.
"Die meisten davon trauen den Aussagen der Autohersteller nicht mehr, machen sich einerseits Sorgen um die Umwelt bzw. Luftqualität und fürchten andererseits Fahrverbote sowie einen geringeren Wiederverkaufswert für ihre Diesel-Fahrzeuge", fasst der Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung zusammen. Obwohl die jüngsten Verkaufszahlen noch relativ konstant bleiben, geben 25 Prozent der Befragten an, dass sie – falls sie demnächst einen neuen Pkw kaufen würden – aufgrund der aktuellen Diesel-Diskussion kein Dieselauto mehr in Betracht ziehen wollen.
Autofahrer wollen Hardware-Update und Grüne Welle für rasche NOx-Reduktion, Club fordert Maßnahmenbündel
Auf die Frage, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen für eine Senkung der NOx-Werte als erste ergriffen werden sollte, nennen 35 Prozent der Teilnehmer ein Hardware-Update auf Kosten des Herstellers, 24 Prozent die Optimierung der Ampelschaltung (Grüne Welle) und 19 Prozent ein Software-Update als bevorzugte Maßnahme. 13 Prozent sprechen sich für eine Verschrottungsprämie für alte Dieselfahrzeuge, aber nur neun Prozent für (teilweise) Fahrverbote in Städten aus. Umgekehrt reihte die Hälfte der Befragten Fahrverbote in Städten als die letzte Maßnahme, die ergriffen werden sollte.
Als Konsequenzen für den Dieselgipfel fordert der Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung daher ein Maßnahmenbündel ohne Kosten oder Verbote für die Autofahrer. "Konkret sind das die Ökoprämie-NEU für Euro 0 bis 3-Pkw, Umtauschprämien für Euro 4-Pkw, Software- und Hardware-Nachrüstungen für Euro 5 und 6-Fahrzeuge und eine Verstetigung des Verkehrs durch die 'Grüne Welle'", so Wiesinger. "Bei den Prämien müsste man ein System installieren, das garantiert, dass hier nicht die handelsüblichen Rabatte ersetzt werden, sondern ein zusätzlicher Anreiz für den Konsumenten geschaffen wird."
Realismus in Debatte über den Verbrennungsmotor
Die aktuelle Diskussion, die auf ein Verbot von Verbrennungsmotoren hinausläuft, ist laut ÖAMTC falsch und schädlich. "Es macht keinen Sinn, über ein Verbot oder Auslaufen von Technologien zu diskutieren, denn aus aktueller Sicht ist ein völliger Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis zum Jahr 2030 Illusion", erklärt Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung. "Allenfalls sollte es Vorgaben für Emissionsgrenzwerte geben. Diese hat die Industrie dann zu erreichen. Es muss den Unternehmen allerdings freigestellt sein, auf welche Art und Weise."
Wie kurzsichtig eine Diskussion alleine über die Art des Motors ist, zeigt die Tatsache, dass ein Verbrennungsmotor als klimaneutral gilt, wenn er mit biogenen Kraftstoffen der zweiten und dritten Generation betrieben wird. Außerdem ist es nicht seriös, die Debatte über Verbrennungsmotoren allein auf Pkw zu beschränken. "Warum wird ein Verbot von Verbrennungsmotoren bei Lkw, Traktoren, Diesel-Loks oder Schiffen nicht einmal ansatzweise diskutiert? Das riecht sehr nach Autofahrer-Bashing", kritisiert der Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung.
Objektive Analyse der Mobilitätsform
Gleichzeitig ist weitgehend ungeklärt, wie etwa die zusätzliche Energie, die man für eine mögliche Vollelektrifizierung des Individualverkehrs brauchen würde, erzeugt und verteilt wird. "Wir gehen nicht davon aus, dass Österreich zurück zur Atomkraft will oder zusätzlichen Kohlestrom importieren möchte. Damit wäre dem Umweltschutz nicht gedient", betont Wiesinger. Jede Mobilitätsform muss objektiv analysiert werden, wie sich das auf die Gesamtenergiebilanz auswirkt.
Der ÖAMTC unterstützt umweltfreundliche Mobilität. Es gilt, eine vernünftige Diskussion über sauberen und leistbaren Verkehr und die dafür notwendige Energie zu führen. "Es geht nicht an, Millionen österreichische Autobesitzer zu verunsichern, sei es wegen möglicher Fahrverbote oder eines drohenden Wertverlusts ihrer Fahrzeuge. Das wäre eine Vernichtung von Werten in Milliardenhöhe", stellt der Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung abschließend fest.
Kartellverdacht und Dieseldiskussion
Deutschen Autoherstellern wird vorgeworfen, ein Kartell gebildet zu haben. Was bedeuten diese Vorwürfe und was hat das mit dem Diesel-Abgasskandal zu tun? Wir haben die wichtigsten Fragen & Antworten für Sie zusammengefasst.
Wo wurde dieser Vorwurf geäußert und worauf bezieht er sich genau?
Den Vorwurf hat das deutsche Magazin „Der Spiegel“ in der Titelgeschichte seiner Ausgabe vom 22.07.2017 erhoben. Darin wird berichtet, dass die fünf deutschen Autohersteller Daimler, BMW, Audi, Porsche und Volkswagen Absprachen getroffen haben sollen, mit denen Wettbewerb und Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt worden sein sollen. In zahlreichen Arbeitsgruppen hätten Angestellte der Hersteller verschiedenste technische Fragen abgesprochen.
Was genau ist eigentlich ein Kartell und welche Fakten müssen vorliegen, damit es bewiesen werden kann?
Unter Kartellen versteht man insbesondere Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, die entweder zum Zweck oder zum Ergebnis haben, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verhindern. Dazu zählen in erster Linie Preisabsprachen, Quotenabsprachen und die Aufteilung von Märkten zwischen Wettbewerbern.
Kartelle behindern die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Unternehmen und wirken sich für den Verbraucher grundsätzlich preistreibend aus. Eine Studie der OECD ergab, dass Preise um ca. 16% höher als unter normalen Wettbewerbsbedingungen festgesetzt werden.
Kartelle sind deshalb in hohem Maße wirtschafts- und sozialschädigend. Zur Beantwortung der Frage, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aufgeworfen hat, ob also deutsche Autohersteller ein Kartell gebildet haben, müsste bewiesen werden, dass durch die regelmäßigen Treffen von Vertretern der deutschen Autoindustrie der Wettbewerb eingeschränkt oder behindert wurde – durch Absprachen über Preise, zur Verhinderung technologischer Neuerungen oder zur Verhinderung wirksamerer Schadstoffreduktionen.
Nach einer Selbstanzeige von VW und Daimler schon vor einem Jahr läuft dieses Verfahren bei der EU-Kommission. Damit die Behörde unbehindert ermitteln kann, werden solche Verfahren normalerweise nicht öffentlich. Erfahrungsgemäß dauern solche Verfahren zwischen fünf und zehn Jahren. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, kann die Strafe zehn Prozent des weltweiten Umsatzes des betroffenen Unternehmens ausmachen.
Warum sind Kartelle verboten? Welchen Schaden richten sie an?
Wettbewerb führt grundsätzlich dazu, dass konkurrierende Unternehmen versuchen, technische Entwicklungen voranzutreiben, um der Konkurrenz überlegen zu sein. Er führt auch zu niedrigeren Preisen für den Endverbraucher, weil solche Unternehmen einander zu unterbieten versuchen. Durch Absprachen werden dieser Wettbewerb außer Kraft gesetzt, der technische Fortschritt verlangsamt und Mindestpreise fixiert, sodass Preisvorteile nicht an den Konsumenten weitergegeben werden.
Was hat das Kartell, sollte es bewiesen werden, mit dem Diesel-Skandal zu tun, bei dem Autohersteller die Software ihrer Fahrzeuge für die Prüfzyklen bei Abgastests manipuliert haben, um dort die gesetzlichen Vorschriften einhalten zu können?
Laut „Spiegel“ haben die fünf Hersteller sich unter anderem auf eine einheitliche Größe jener AdBlue-Behälter geeinigt, die sie in Euro-6-Dieselfahrzeuge einbauen. Diese Behälter enthalten eine Harnstofflösung, die in den Abgasstrang eingespritzt wird. Durch eine chemische Reaktion im SCR-Katalysator wird so das schädliche Stickstoffoxid im Abgas neutralisiert. Der „Spiegel“ berichtet, durch die Beschränkung der AdBlue-Behälter auf 8 Liter Volumen sei die Abgasreinigung in den betroffenen Fahrzeugen nur unzureichend erfolgt.
Kann rein technisch betrachtet ein AdBlue-Tank, dessen Fassungsvermögen nicht für ein ganzes Serviceintervall reicht, dafür verantwortlich sein, dass ein Diesel die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte nicht einhalten kann?
Nein. Das Fassungsvermögen des AdBlue-Tanks steht nicht in Verbindung mit den Abgasgrenzwerten. Wie viel AdBlue zur Vermeidung von NOx in den Abgasstrang eingespritzt wird, wird durch die Motorensoftware gesteuert. Wird durch ein Software-Update die Einspritzmenge erhöht, muss lediglich der AdBlue-Tank öfter aufgefüllt werden. Hatten die Pkw-Hersteller anfangs noch versprochen, dass die Tanks nur zu den Service-Terminen (ca. alle 20.000 km) aufgefüllt werden müssen, liegt die Reichweite bei den neuesten Fahrzeugen bei rund 8.000 km.
Die deutschen Autohersteller sollen sich laut „Spiegel“ auch bei anderen Technologien, Preisen und Abgas-Betrügereien abgestimmt haben. Wie lauten diese Vorwürfe genau, wie sind diese Vorwürfe öffentlich geworden und wie sind sie belegt?
Seit Jahren sollen sich Daimler (Mercedes-Benz), BMW sowie Volkswagen mit den Töchtern Audi und Porsche in zahlreichen Arbeitsgruppen abgesprochen haben. Dies ist einmal nicht grundsätzlich illegal, wenn die Konsumenten davon profitieren, etwa bei der Normierung von Ladesteckern bei E-Autos. Allerdings stehen auch Vorwürfe im Raum, dass sich die Hersteller auch zum Nachteil der Konsumenten abgesprochen haben, etwa bei der Strategie zur Dieselmotoren-Entwicklung. Bekannt wurden die Vorwürfe durch Selbstanzeigen von Daimler und Volkswagen, die durch das deutsche Magazin „Der Spiegel“ veröffentlicht wurden.
In Deutschland wurde aktuell für den Porsche Cayenne Diesel ein Zulassungsverbot verhängt. Wer hat das verfügt und warum? Gilt dieses Verbot auch für Österreich? Was geschieht mit bereits zugelassenen Fahrzeugen dieses Typs?
Verfügt wurde das vom deutschen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Derzeit können keine Fahrzeuge des Typ Porsche Cayenne Diesel in Deutschland neu zugelassen werden, bereits zugelassene Fahrzeuge muss Porsche in die Werkstätten zurückrufen und mit einem Software-Update nachrüsten.
Dieser Zulassungsstopp gilt jetzt auch in Österreich, 427 bereits zugelassene Fahrzeuge werden vom Hersteller in den kommenden Monaten zurückgerufen und erhalten in der Werkstatt ein Software-Update.
Wo sind in Europa derzeit aufgrund der hohen Stickoxid-Belastung von Dieselfahrzeugen Fahrverbote in Kraft und welche weiteren Fahrverbote werden derzeit diskutiert bzw. sind in Planung und Vorbereitung?
In zahlreichen deutschen und manchen europäischen Städten gilt schon jetzt ein Fahrverbot für alte Diesel-Pkw (Abgasnorm Euro 3 und darunter), z.B. Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt/Main. Generell wird eine Ausweitung auf neuere Diesel diskutiert bis hin zum kompletten Fahrverbot für alle Diesel-Pkw.
Die deutschen Autohersteller haben zugesagt, ältere Dieselfahrzeuge mit einem (für den Autobesitzer kostenlosen) Software-Update zu versehen, um so deren Stickoxid-Ausstoß zu verringern. Das betrifft mehr als 5 Millionen Pkw, inklusive der bereits in Umrüstung befindlichen Dieselmodelle des Volkswagen-Konzerns. Kann das überhaupt funktionieren?
Ziel ist eine durchschnittliche Stickoxid-Reduzierung von 25 bis 30 Prozent. Die deutsche Bundesregierung und die Autoindustrie hoffen, dass Diesel-Fahrverbote in Städten dadurch nicht mehr notwendig sein werden. Die neue Software greift in den Verbrennungsprozess in den Zylindern ein, gestaltet ihn effizienter und sauberer als das bei diesen älteren Motoren (mit aus heutiger Sicht veralteter Motorsteuerungs-Software) bisher der Fall war. Ob das ausreichen kann, ist derzeit noch nicht abschätzbar.
Es wird behauptet, eine viel wirkungsvollere Maßnahme wurde nur aus Kostengründen verworfen: Die Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge mit einem SCR-Katalysator samt AdBlue-Einspritzung sei möglich, sei aber sehr teuer (die Rede ist von mindestens 1.500 Euro pro Fahrzeug), weshalb die Autoindustrie diese Möglichkeit ausgeschlossen habe. Stimmt das?
Nein, das stimmt so nicht. Es soll zwar Fahrzeuge geben, die derzeit Euro 5 erfüllen und die mit einem SCR-Kat nachgerüstet werden können. Das könnte bei diesen Fahrzeugen auch tatsächlich die versprochene Wirkung erzielen. Bei sehr vielen Euro-5-Modellen ist eine solche Nachrüstung aber nicht möglich, weil der Raum für den Einbau des SCR-Kat und/oder des AdBlue-Tanks fehlt oder bestimmte technische Voraussetzungen (z.B. Motor-management) fehlen. Auch könnte der finanzielle Aufwand der Nachrüstung den Zeitwert des Wagens übersteigen.
Kann ich mir noch einen Diesel kaufen oder bin ich mit einem Benzin- oder Elektroauto besser bedient?
In Österreich ist nicht mit Fahrverboten für Diesel-Pkw zu rechnen. Daher hängt Ihre Kaufentscheidung ganz vom Einsatzzweck des Fahrzeugs und Ihren Bedürfnissen ab. Vielfahrer sind aufgrund des niedrigeren Verbrauchs von Dieselmotoren nach wie vor mit einem Diesel gut bedient. Allerdings drohen in manchen Städten Europas Diesel-Fahrverbote. Welche Autos schlussendlich betroffen sein könnten, steht noch nicht fest. Empfehlenswert sind aus diesem Grund daher nur Dieselmodelle, die mit einem SCR-System (Adblue) zur Abgasnachbehandlung ausgerüstet sind. Hier ist es technisch möglich, die Realemissionen des Fahrzeugs stark zu reduzieren. Bei einem Neuwagenkauf macht es Sinn sich ein Fahrzeug der aktuellsten Abgasnorm Euro 6dtemp anzuschaffen. Bis September 2018 müssen alle zum Verkauf stehenden Fahrzeuge eine Abgasüberprüfung nach dieser Norm ausweisen. Bei kleineren Fahrzeugen, die keine hohen Kilometerleistungen zu erbringen haben und überwiegend innerstädtisch eingesetzt werden, sind tendenziell Benzinmotoren zu empfehlen, doch kommt es auch hier individuell auf die Bedürfnisse des Fahrers an. Wer hauptsächlich Kurzstrecken fährt, für den steht derzeit bereits eine breite Palette an Elektro-Fahrzeugen zur Verfügung. Gratis-Parken oder die Erlaubnis zur Nutzung von Busspuren könnten hier in Zukunft noch weitere attraktive Anreize setzen.
Muss ich aufgrund der aktuellen Diskussion rund um mögliche Diesel-Fahrverbote in Deutschland mit einer Wertminderung rechnen?
In Österreich ist nicht mit Fahrverboten für Diesel-Pkw zu rechnen. Dennoch hat die deutsche Diskussion Einfluss auf die Preise am österreichischen Gebrauchtwagenmarkt. Seit August 2017 hat etwa der Diesel-Gebrauchtwagenmarkt gegenüber jenen für Benziner um 3,5 % nachgegeben. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig, dass deutsche Städte als letztes Mittel auch Fahrverbote verhängen dürfen, ist kurzfristig ein weiteres Nachgeben des Diesel-Gebrauchtwagenmarktes nicht auszuschließen. Mittel- und langfristig rechnet der Club aber nicht damit, dass der Preis für gebrauchte Diesel-Pkw weiter verfällt. Einerseits erfüllen Diesel-Neufahrzeuge auch die verschärften Emissionswerte. Andererseits wird es notwendig sein einen beträchtlichen Dieselanteil zu erhalten, wenn man die Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen aus den Klimazielen einhalten will, weil Diesel-Fahrzeuge aufgrund der höheren Verbrauchseffizienz weniger Treibhausgase erzeugen, als Benziner.
Welche Fahrzeuge sind in Österreich bisher im Zuge des Dieselskandals von Rückrufaktionen betroffen und wie viele davon wurden schon durchgeführt?
In Österreich sind rund 388.000 Fahrzeuge des VW-Konzerns mit Dieselmotoren der Baureihe EA189 mit Hubräumen von 1,2, 1,6 und 2,0 Litern, die überwiegend der Abgasnorm EURO 5 entsprechen, betroffen.
Wohin können sich betroffene Fahrzeugbesitzer wenden, um Schadenersatz für den Wertverlust ihres Diesel-Pkw zu erhalten, und wie groß sind die Chancen, auch tatsächlich Schadenersatz zu erhalten?
Der Wertverlust im Sinne eines reduzierten Wiederverkaufswertes wird als Schadenersatz kaum geltend gemacht werden können. Abgesehen davon ist nicht klar, ob ein solcher eintritt. Es könnte ja auch ein Wertzuwachs entstehen, wenn das Auto sauberer ist als ein ab Werk ausgeliefertes. Diesen etwaigen Mehrertrag muss man dann eben auch nicht abführen.
Theoretisch denkbar ist eine Klage auf Feststellung eines Schadenersatzanspruches, zumal die Höhe des Schadens im Moment nicht festgestellt werden kann. Erst in einem zweiten Rechtsgang muss man dann beweisen, dass ein Anspruch in einer bestimmten Höhe besteht, der Anspruchsgrund steht dann aber schon fest. Das Kostenrisiko muss aber naturgemäß jeder Fahrzeugbesitzer selbst übernehmen. Eine „Sammel-Feststellungsklage“ oder Ähnliches ist in Österreich nicht möglich.
Wie hilft der ÖAMTC den vom Diesel-Skandal betroffenen Mitgliedern? Wo kann ich mich als Diesel-Besitzer und Mitglied individuell beraten lassen?
Jedes Mitglied darf sich immer gerne an die Rechtsberatung des Clubs wenden. Die Juristinnen und Juristen prüfen die aktuelle Situation und geben Empfehlungen ab, ob und in welcher Weise und welchem Umfang eine Verfolgung von Ansprüchen sinnvoll und möglich ist.
Die EU hat angedroht, dass manipulierte Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns (mit dem Dieselmotor EA189), die bis Ende des Jahres nicht im Zuge der kostenlosen Rückrufaktion umgerüstet wurden, ab 2018 nicht mehr fahren dürfen. Kann die Kommission ein solches Verbot durchsetzen? Ist daran in Deutschland oder Österreich wirklich gedacht?
Alle in der EU zugelassenen Fahrzeuge verfügen über eine EU-Typengenehmigung, die von der zuständigen Behörde eines Mitgliedslandes erteilt wurde. Wenn diese EU-Typengenehmigung für ein bestimmtes Fahrzeug etwa auf Grund der Nichteinhaltung von Abgasnormen wegfällt, erlischt automatisch auch die Betriebsgenehmigung in allen EU-Mitgliedsstaaten. Wie dieser Wegfall der Betriebsgenehmigung sich jeweils in einem Mitgliedsstaat auswirkt (etwa Einziehen der Nummerntafel) unterliegt jeweils nationalen Regeln.
Was hält der ÖAMTC davon, ab 2030 oder 2040 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zu verbieten? Welche Maßnahmen sind hier genau geplant und wie ernst sind solche Aussagen zu nehmen?
Der ÖAMTC ist generell gegen Verbote von Verbrennungsmotoren, ab welchem Zeitpunkt auch immer. Es macht keinen Sinn Technologien vorzugeben. Wenn man Rahmenbedingungen (wie z.B. Emissionsgrenzen) festlegt, dann muss es den Herstellern überlassen bleiben, wie sie diese erreichen.
Wenn attraktive technische Alternativen zum Verbrennungsmotor zur Verfügung stehen, wird der Markt diese ohnehin annehmen, daher braucht es keine Verbote. Der Zeitpunkt wann solche massentauglichen alternativen Antriebe verfügbar sein werden, lässt sich nicht verordnen.
Was bei jeder Debatte über künftige Antriebssysteme zuallererst außer Streit gestellt werden muss, ist der Weiterbetrieb von Bestandsfahrzeugen. Wenn man sich ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor kauft und legal zulässt, dann muss klar sein, dass der Weiterbetrieb für die gesamte Lebensdauer des Fahrzeuges möglich bleibt. Alles andere würde enorme Verunsicherung verursachen und eventuell einen Wertverlust in Milliardenhöhe bedeuten.
Die derzeit diskutierten Zulassungsverbote in Großbritannien und in Frankreich kann man durchaus auch im Zusammenhang mit den Brexit-Verhandlungen und einer starken französischen Atomstrom-Lobby sehen.