Der Berg ruft
Interview mit Stefan Hochstaffl über sichers Wandern

Immer mehr Menschen zieht es in die Berge – sei es zum Wandern, Klettern oder mit dem E-Bike. Doch mit der wachsenden Begeisterung für alpine Sportarten steigen auch die Herausforderungen für die Einsatzkräfte. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Über 10.000-mal pro Jahr rücken die ehrenamtlichen Bergretter:innen in Österreich inzwischen aus. Die ÖAMTC Flugrettung hat allein im Jahr 2024 knapp 740 Personen nach Unfällen mittels Taubergung aus unwegsamem Gelände gerettet.
Wir haben den Präsidenten des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Stefan Hochstaffl, zum Interview gebeten. Er erklärt, warum die Einsatzzahlen seit Jahren steigen, wie Prävention im alpinen Raum funktioniert und welche einfachen Regeln helfen, Unfälle zu vermeiden.

Herr Hochstaffl, die Einsatzzahlen der Bergrettung steigen seit Jahren. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?
Stefan Hochstaffl: Zum einen sind immer mehr Menschen in den Bergen unterwegs: Vom gemütlichen Wandern über Trailrunning bis hin zu ambitionierten Kletter- und Skitouren. Viele Berg-Sportarten die früher nur alpinen Profis vorbehalten waren, sind mittlerweile weit verbreitet. Dazu kommt, dass sich die Ausrüstung stark verändert hat: Mit dem E-Bike oder modernen Aufstiegshilfen kommt man schneller und weiter ins Gelände. Gleichzeitig wird das Wetter immer unberechenbarer, plötzliche Gewitter oder Stürme überraschen auch erfahrene Bergsteiger:innen. All das führt dazu, dass wir mittlerweile über 10.000 Einsätze pro Jahr haben.

Was bedeutet das für die Arbeit der Bergrettung?
Zunächst einmal eine große Belastung für unsere fast 13.000 Ehrenamtlichen, ganz speziell natürlich in Gebieten mit viel Tourismus. Alle Einsätze werden neben Beruf und Familie abgewickelt. Umso wichtiger ist uns die Prävention, denn jeder Unfall, der gar nicht erst passiert und jede Notsituation, die verhindert werden kann, ist die beste Hilfeleistung. Wir versuchen deshalb, ein Bewusstsein für die Gefahren im alpinen und unwegsamen Gelände zu schaffen und den Menschen einfache, aber wirksame Verhaltens-Tipps mitzugeben.
Welche Regeln sind das konkret?
Es geht nicht darum Aktivitäten in den Bergen zu verkomplizieren, ganz im Gegenteil. Mit ein bisschen Vorbereitung lässt sich schon viel vermeiden. Wer ehrlich einschätzt, was er oder sie kann und die Tour entsprechend plant, hat schon viel getan. Dazu gehört auch, das Wetter im Auge zu behalten und sich nicht zu scheuen, rechtzeitig umzukehren. Im Idealfall ist man immer in der Gruppe unterwegs, wobei sich das Tempo nach den Schwächsten richtet. Und was oft unterschätzt wird: Ausreichend trinken und essen, sonst geht irgendwann gar nichts mehr.
Geht hinaus, genießt die Natur, aber nehmt die Vorbereitung ernst. Wer umsichtig unterwegs ist, senkt sein eigenes Risiko und unterstützt zugleich jene, die im Notfall zur Stelle sind.
Viele verlassen sich stark auf ihr Mobiltelefon. Welche Rolle spielt es im Notfall?
Das Handy ist ein wichtiges Werkzeug, keine Frage. In Österreich wählt man den alpinen Notruf 140, europaweit die 112. Wichtig ist, sparsam mit dem Akku umzugehen bzw. eine geladene Powerbank für Notfälle im Rucksack zu haben.

Was muss man beim Absetzen eines Notrufs beachten?
Je genauer die Angaben sind, desto schneller erreichen wir die Betroffenen. Wo ist es passiert, was genau ist passiert, wie viele Personen sind verletzt, welche Verletzungen liegen vor und wer meldet den Unfall. Wenn das klar und ruhig durchgegeben wird, können wir gezielt losstarten und kostbare Zeit sparen. Die Mitarbeiter:innen in den Leitstellen sind natürlich bestens geschult und geben je nach Notsituation auch entsprechend per Telefon erste Anweisungen.
Wie würden Sie den Österreichischen Bergrettungsdienst in wenigen Worten beschreiben?
Wir bestehen aus sieben Landesorganisationen und dem Bundesverband als Dachorganisation. In den 289 Ortsstellen engagieren sich fast 13.000 ehrenamtliche Bergretter:innen und natürlich unsere rund 270 Such- und Lawinenhunden. Sie alle investieren unzählige Stunden in Einsätze, Übungen und Ausbildung. Diese Zahlen beeindrucken auch mich immer wieder.
Und am Ende geht es uns allen um dasselbe: Menschen in Not schnell und professionell zu helfen.

Euro-Notruf 112 - So funktioniert's
In Tälern und Schluchten kann es manchmal zu Funkschatten kommen, die ein Anwählen des Alpin-Notrufs 140 oder des Rettungs-Notrufs 144 in einem bestimmten Netz unmöglich machen.
Abhilfe bietet der Euro-Notruf 112, über den man ohne SIM-Karte Hilfe holen kann. Man braucht nur sein Handy abzuschalten, um dann beim Wiedereinschalten statt dem PIN-Code die Euro-Notrufnummer einzugeben. Unabhängig vom Betreiber wird das beste Netz gesucht und eine Verbindung hergestellt.
Besteht nach wie vor keine Verbindung zum Netz, bleibt nur, die verletzte Person abzusichern und einen entsprechenden Standort mit Empfang zu suchen. Oft hilft es einige Höhenmeter aufzusteigen oder eine freie Fläche wie einen Kamm oder eine Lichtung aufzusuchen.
Hier oben fühle ich mich frei, ich kann alle Verpflichtungen hinter mir lassen. Am Berg habe ich ein anderes Lebensgefühl als im Tal. Das Bergsteigen ist einfach mein Leben.
Die wichtigsten Tipps für den nächsten Wanderausflug: Bergwandern - 10 Tipps | ÖAMTC