Vom Lehrling zum Leiter
Eine Erfolgsgeschichte mit ganz viel Herz und einigen wenigen Hürden.

Kurz vor Ausbruch des Balkankriegs im Jahr 1990 kam Samir Budimlic als Jugendlicher aus Bosnien nach Österreich. Heute, 35 Jahre später, leitet er den ÖAMTC-Stützpunkt in Bürs. Eine Geschichte, die zeigt, wie Integration durch Arbeit gelingen kann – ohne große Worte, aber mit viel Herz, Einsatz, Verantwortung und technischem Können.
Ein Neuanfang mit 15 irgendwo in Vorarlberg
Samir Budimlic war gerade einmal 15 Jahre alt, als er seine Heimat Bosnien verließ. Der Vater war bereits drei Jahre früher nach Bludenz gekommen, ebenso ein Teil der Familie. Samir folgte nach – nicht, weil er musste, sondern weil es eine Chance war. In Bosnien hatte er gerade die achte Schulstufe abgeschlossen. In Vorarlberg wartete zunächst das Polytechnikum, direkt danach begann er eine Lehre als Kfz-Techniker. Die Sprachbarriere war anfangs enorm, doch mit Ehrgeiz wurde sie zur Nebensache. Dass er der Technik treu blieb, war mehr als eine pragmatische Entscheidung. „Mein Vater war Maschinenbauschlosser. Wir hatten immer eine gut ausgestattete Werkstatt daheim. Ich bin mit dem Geruch von Öl, Werkzeugen und Traktoren aufgewachsen. Für mich war daher klar, dass ich das machen will.“
Handwerk, das verbindet
Über 17 Jahre blieb Samir bei seinem ersten Arbeitgeber – einem Betrieb in Bludenz. In dieser Zeit war er nicht nur als Mechaniker, sondern auch im Abschleppdienst im Einsatz.
Besonders ein Zwischenfall ist ihm in Erinnerung geblieben: „Wir hatten damals noch einen alten Hanomag-Henschel (Lkw). Statt Metallschienen hatten wir einfach Holzbretter zum Beladen. Beim Aufladen ist einmal das Seil der Winde gerissen. Das Fahrzeug ist rückwärts gerollt. Es war gefährlich, aber zum Glück ist nichts passiert.“
Es war eine Zeit, in der Technik und Teamarbeit Hand in Hand gingen. Improvisation war Teil des Alltags, vieles lief nach Gefühl – aber mit Verstand. Dass er irgendwann Führungsverantwortung übernehmen würde, war damals noch kein Thema. „Ich habe einfach immer gemacht, was nötig war.“

Ein Schritt verändert vieles
Ende 2007 schloss der Betrieb, in dem Samir arbeitete. Zunächst wollte er sich eine Auszeit nehmen, reisen und durchatmen. Doch es kam anders. Über einen Bekannten erfuhr er, dass der ÖAMTC Vorarlberg in Bürs einen Techniker suchte. „Ich bin einfach hingegangen. Kein Lebenslauf, kein Bewerbungsschreiben. Nur ein Gespräch.“ Der damalige Stützpunktleiter Josef Neyer erkannte sofort: Da steht einer vor ihm, der anpacken kann. Zwei Wochen später begann Samir – und blieb.
Was folgte, war ein kontinuierlicher Weg in Richtung Verantwortung. 2013 wurde er offiziell zum stellvertretenden Stützpunktleiter ernannt – eine Rolle, die er bereits informell ausfüllte. „Ich war immer dort, wo man mich gebraucht hat. In der Technikhalle, am Schalter, bei der Pannenhilfe. Die Ernennung war eine schöne und logische Konsequenz.“



Führung mit Bodenhaftung
2020 dann der nächste Schritt: Samir Budimlic wird Stützpunktleiter in Bürs. Die Bewerbung war für ihn keine strategische Karriereentscheidung. „Ich habe einfach gedacht, wenn ich das sowieso schon mache, kann ich mich auch offiziell bewerben.“ Dass er sich gegen rund 20 Mitbewerbende durchsetzte, war für ihn keine Selbstverständlichkeit. Die Freude über die Zusage ist ehrlich und spürbar. „Diesen Moment werde ich nicht vergessen. Ich saß im Büro, hatte das Telefon am Ohr und war einfach nur glücklich. Ich hatte es geschafft!“ Was sich seither verändert hat? „Wenig, ich mache nach wie vor Überprüfungen, fahre bei Bedarf in der Pannenhilfe. Ein reiner Bürojob wäre nichts für mich.“ Stattdessen ist er mittendrin – strukturiert den Alltag seiner 20 Mitarbeitenden, schichtet Pläne um, springt ein, wenn jemand ausfällt. Führung bedeutet für ihn nicht, oben zu stehen, sondern mit gutem Beispiel voranzugehen.
Erfolg ist nie eine Einzelleistung. Was wir hier leisten, schaffen wir nur gemeinsam. Dafür bin ich meinem Team aufrichtig dankbar.
Verlässlichkeit, Vielfalt und ein bisschen Heimat
Samir Budimlic ist angekommen – beruflich und privat. Er lebt mit seiner Familie in Braz, pflegt aber weiterhin enge Verbindungen nach Bosnien. Die Balance zwischen Herkunft und Heimat gelingt ihm mit Pragmatismus und Organisationstalent. Seine Frau war ebenfalls eine Zeit lang beim ÖAMTC beschäftigt, seine drei Kinder sind längst Teil der österreichischen Gesellschaft.
Integration ist für ihn kein abstraktes Konzept, sondern gelebte Normalität. Was ihn in all den Jahren am meisten motiviert hat? „Das mir entgegengebrachte Vertrauen und das gute Miteinander im Team.“
Dass Herkunft und Karriere sich nicht ausschließen, beweist sein Weg beim ÖAMTC Vorarlberg eindrucksvoll. Samir Budimlic ist jedoch keiner, der viel Aufhebens um sich macht. Er gehört zu jenen Menschen, die durch ihr tägliches Tun und das gelebte Miteinander überzeugen.

Autor:in
Darko Markovic ist beim ÖAMTC in Vorarlberg als Marketingexperte, Fotograf und Redakteur tätig. In seiner Freizeit lebt er seine Begeisterung für Foto- und Videografie aus, wobei ihn besonders verlassene Orte faszinieren. Er hat eine Leidenschaft für Storytelling und möchte die Welt aus seiner Perspektive darstellen.