Zeitreise
Gleicher Ort, gleicher Pilot, aber mehr als drei Jahrzehnte dazwischen - ein Blick zurück und nach vorne zeigt die enormen Entwicklungsschritte der Flugrettung.
Wir schreiben das Jahr 1988. Es war am Vormittag eines schönen Spätsommertags, als die Bergrettung ein Notruf vom Dachstein erreichte. Ein erfahrener Kletterer war an einer schwer zugänglichen Stelle der Südwand abgestürzt, lebensbedrohlich verletzt und brauchte dringend Hilfe. Obwohl die Flugrettung noch in den Kinderschuhen steckte, wurde ergänzend zu den bodengebundenen Rettungskräften auch der Rettungshubschrauber des Bundesheeres in Aigen alarmiert. Im Cockpit der Alouette saß damals ein gewisser Oberleutnant Reinhard Kraxner.
Ein Blick zurück
Der Einsatz von Hubschraubern in derartigen Situationen war allerdings nur sehr eingeschränkt möglich, waren die Maschinen doch mit 23 Metern Seil an der Winde nicht in der Lage, Bergungen aus senkrechten Steilwänden dieser Dimension durchzuführen. Die Hilfe für den Verunglückten war mühsam und in erster Linie sehr zeitaufwendig. Zunächst wurden 14 Bergretter an eine Position etwa 400 Meter oberhalb der Unfallstelle am Westgrat des Dachsteins geflogen. Von dort aus mussten sie dann allein weiterarbeiten. Mit einem robusten, auf einem Felsvorsprung fix montierten Stahlseil wurden die Retter über mehrere Hundert Meter zum Abgestürzten abgeseilt – ein wahrer Kraftakt, der den Helfern alles abverlangte.
Das Team arbeitete sich stundenlang unter extremen Bedingungen an den Abgestürzten heran. Aber unten angekommen, begann erst die eigentliche Arbeit. Der Schwerverletzte wurde versorgt, sorgfältig in einen Bergesack gebettet und in weiterer Folge zu einem geeigneten Platz noch ca. 200 Meter weiter abgelassen, an dem der Hubschrauber den Verletzten dann mit der Seilwinde aufnehmen konnte. Jetzt musste der Patient nur mehr für einen längeren Transport stabilisiert werden. Dies erfolgte nach einem kurzen Flug im Krankenhaus Schladming im dortigen Schockraum. Von dort ging es dann direkt in die Klinik nach Salzburg, wo er umfassend medizinisch versorgt wurde. Alles in allem dauerte die gesamte Rettungsaktion weit über fünf Stunden.
- Der Helikopter im Anflug., © Bergrettung Ramsau
- Die Alouette schwebt über der Unglücksstelle., © Bergrettung Ramsau
- Aufwändige Bergung, © Bergrettung Ramsau
Effizienz und Sicherheit
Zurück in die Zukunft oder, besser gesagt, in die Gegenwart, in den Sommer 2023. Selber Schauplatz – eine Kletterin wurde in der Dachstein-Südwand von einem herabfallenden Stein getroffen. Binnen weniger Minuten nach Alarmierung ist Christophorus 14 aus Niederöblarn vor Ort. Pilot Reinhard Kraxner nimmt Kurs auf die imposante Wand, die beinahe 850 Meter senkrecht in den Himmel ragt. Dank modernster Technik wie einem Vier-Achs-Autopiloten, der den Helikopter automatisch im Schwebeflug hält, und dem Einsatz eines variablen Taus, das bis zu 140 Meter Länge erreicht, kann sich der Flugretter direkt zur Verunglückten abseilen. Der gesamte Bergungsvorgang, der vor 40 Jahren noch Stunden gedauert hat und für die Helfer mitunter auch sehr gefährlich war, kann heute in einem Bruchteil der Zeit durchgeführt werden.
Und auch der Quantensprung bei der medizintechnischen Ausrüstung – von der automatischen Überwachung sämtlicher Vitalfunktionen über handliche Beatmungssets bis hin zu westentaschengroßen Ultraschallgeräten – ermöglicht eine medizinische Stabilisierung bereits am Notfallort. Das heißt, dass die Patientin ohne Zwischenstopp in das für sie am besten geeignete Krankenhaus geflogen werden kann.
Enorme Entwicklungsschritte
Die zwei Geschichten der Bergrettung in der Dachstein-Südwand zeigen eindrucksvoll, wie sich Technologie und Engagement im Dienst der Menschen vereinen und sich weiter entwickelt haben. Was vor 40 Jahren eine waghalsige und vielleicht auch riskante Rettungsaktion war, ist heute dank moderner Technik und jahrelanger Erfahrung ein fast schon routiniertes und sicheres Unterfangen. Dies ist ein Verdienst der unermüdlichen Arbeit, der Leidenschaft und Vision des gesamten Teams der ÖAMTC-Flugrettung.