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Auf zum Nordkap

Über 7.000 km mit dem Motorrad in den hohen Norden – und zwar im Winter! Unser Fahrtechnik-Instruktor hat das gewagt. Sein Erlebnisbericht.

Nordkap Reise Hansjörg Franz

Was für viele wie ein Horrorszenario klingt, war für mich lange Wunschtraum: mit dem Motorrad im Winter aufs Nordkap. Letztes Jahr bin ich endlich aufgebrochen und habe über 7.000 Kilometer auf meinem Bike hinter mich gebracht. Über Schnee und Eis bis zur immens herausfordernden Hochebene von Alta – auf meiner Motorradreise bin ich nicht nur einmal an meine Grenzen gestoßen. Unterwegs traf ich auf Santa Claus, kämpfte mich über tief verschneite und vereiste Straßen Richtung Norden. Mit der richtigen Fahrtechnik und den passenden Reifen hats geklappt.

Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
Eine unbezahlbare Erfahrung: im hohen Norden in den Sonnenuntergang, © Hansjörg Franz

Der Kapitän hatte Zweifel

Die arktischen Regionen dieser Welt haben mich immer schon fasziniert. Bedenken, ob ich das überhaupt schaffen kann, hatten nur andere: Auf dem Schiff nach Norwegen sind der Kapitän und einige Mannschaftsmitglieder ganz entgeistert zu mir gekommen: "Weißt du, dass da oben der tiefste Winter herrscht? Das kannst du nicht machen, das geht mit dem Motorrad nicht – das funktioniert nie."

Die Zweifel der anderen kenne ich. Stimmen, die es für unmöglich halten, ambitionierte Pläne umzusetzen. Einerseits macht das natürlich mental schon etwas mit mir. Natürlich verunsicherten mich die Zweifel der anderen – vor allem, wenn es ein Kapitän, also ein Ortskundiger sagt, denn der sollte ja Ahnung vom Wetter und von der Umgebung haben. Aber genau diese Herausforderung reizt und motiviert mich auch: Etwas zu tun, was dem Großteil der Menschen unmöglich scheint.

Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
Die Reiseroute, © Hansjörg Franz

Die ersten Meter sind die schlimmsten

Ich war der Erste, der mit dem Motorrad von der Schiffsrampe runterkam. Hinter mir eine Kolonne an Fahrzeugen. Die ersten 200 Meter musste ich über zermatschten Schnee fahren, das war immens schwierig und ungewohnt. Und dann hatte ich auch noch eine Gruppe "Ungeduldiger" in ihren Autos hinter mir. Für einen Moment dachte ich kurz, ich dreh wieder um, das wars. Wie soll ich unter diesen Bedingungen 5.000 km fahren? Ich habe mich aber dann relativ schnell gefangen, tief durchgeatmet und zu mir selbst laut gesagt: "Ich lass mich von großen Herausforderungen nicht ängstigen. Ich schaff das."

Durch kleine mentale Ziele, die ich mir gesetzt habe, konnte ich mir selbst wieder Sicherheit geben. Meter für Meter bin ich weitergefahren. Schlussendlich hab ichs dann auf die reguläre Straße geschafft, die vom Schneematsch befreit war. Von da an lief wirklich alles gut.

Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
Die richtigen Reifen sind essenziell für die Reise, © Hansjörg Franz

Fahrtechnik will gelernt sein

Irgendwann fing es an zu schneien. Die ersten Meter auf frischem Schnee waren übel. Ich kannte die Strecke nicht, es war eisig und ungewohnt. Aber durch viele Trainingssituationen wusste ich, dass es geht. Ich habe im Vorfeld auf unserer Eisbahn im ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum in Saalfelden mit meinem Motorrad auf Schnee und Eis trainiert und auch mit Spikereifen geübt.

Somit wusste ich, worauf ich fahrerisch achten soll. Nur meine Sorgen musste ich in den Griff kriegen. Die Auswahl des richtigen Reifens und der Profiltiefe ist eine Herausforderung für sich, da man auch Spikes anbringen muss, um Grip zu haben. Vor der Tour habe ich mir daher genau überlegt, mit welchen Reifen ich fahren werde. Mit Spikes zu fahren, fühlt sich fast so an, als würde man mit dem Motorrad auf einer Schotterpiste fahren – das Bike ist ständig in Bewegung. Daran habe ich mich aber rasch gewöhnt.

1Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
2Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
3Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
  •  Auf geht's, ich bin bereit für mein Abenteuer, © Hansjörg Franz
  •  Hütten-Romantik, © Hansjörg Franz
  •  ...ein Fixpunkt jeder Lofoten-Reise: Am äußersten Ende liegt die Ortschaft , © Hansjörg Franz
Bei all den Abenteuern, die ich erlebe, bin ich immer vorsichtig und durchdenke alles, sonst würde ich heute vielleicht nicht mehr leben.
Hansjörg Franz

Die Hochebene von Alta: nur etwas für starke Nerven.

Vom Nordkap aus muss man auf der Rückreise über eine Hochebene fahren, um nach Alta zu kommen. Die Strecke habe ich vorab genau analysiert und daher gewusst: Das ist einer der härteren Abschnitte auf der Tour. Wenn das Wetter nicht mitspielt, ist die Straße gesperrt. Aber selbst wenn die Strecke befahrbar ist, ist dieser Abschnitt eine große Herausforderung. Diese Hochebene ist eine einzige weiße, glatte Fläche. Minus 20 Grad gilt dort als "warm". Und es geht immer, wirklich immer der Wind. Selbst unter besten Bedingungen habe ich für knapp 100 km fast vier Stunden gebraucht. Es war immens herausfordernd zu fahren, wenn dir der klirrend kalte Wind um die Ohren fährt. Ich brauchte viele Pausen, das geht auf die Konzentration und Energie.

Vor dem Trip war meine Sorge, dass das Wetter umschlägt – weil, das kann dort von jetzt auf gleich passieren. Dann sitzt du fest. Mindestens eine Stunde pro Tag habe ich daher damit verbracht, die Wetterkarte zu studieren. So war ich vorbereitet und sicher, dass es geht. In so einer Situation, auf so einer Tour verlässt du deine Komfortzone. Das fordert all dein Können und deine Sinne, du musst über deinen Schatten springen und wenn du es geschafft hast, stellt sich ein unglaubliches Hochgefühl ein.

Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
Faszinierend: In der Natur nächtigen und die Polarlichter genießen, © Hansjörg Franz
Wenn jemand sagt, das geht nicht, fängt es erst an, mich zu interessieren.
Hansjörg Franz

Raus aus der Komfortzone, aber ohne Leichtsinn!

Wenn jemand sagt, das geht nicht, fängt es erst an, mich zu interessieren. Schlussendlich werde ich dann nämlich mit unglaublichen Erlebnissen belohnt, die ich sonst nicht hätte. Bei all den Abenteuern, die ich erlebe, bin ich aber immer vorsichtig und durchdenke alles, sonst würde ich heute vielleicht nicht mehr leben. Man muss bei so einer Tour auch das richtige Zeitfenster in Hinblick auf Wetter und Umfeldbedingungen erwischen, sonst geht’s nicht. Glück braucht man auch.

Ich bin im Zuge meiner Abenteuer schon sehr oft an meine Grenzen gestoßen. Das Gefühl der Verzweiflung kenne ich gut, wenn ich mich wild verfahren habe. Ich habe nicht nur einmal gefroren und bin unzählige Male ratlos vor einem defekten Motorrad gestanden. Es geht nicht immer alles rund. Aber: Ich möchte keinen einzigen dieser Momente missen. An meinen Abenteuer-Reisen bin ich gewachsen. Ich habe gelernt, schwierige Situationen zu meistern, wichtige Entscheidungen in der Sekunde zu treffen und Verantwortung zu übernehmen.

Motorradreise zum Nordkap Hansjörg Franz
Endlich geschafft: Müde aber glücklich bin ich am Nordkap angekommen, © Hansjörg Franz

Mein Fazit: Es ist die Mühen wert!

Hoch im Norden offenbarte sich mir die märchenhafte Schönheit der winterlichen Polarregion. Unterwegs traf ich auf Santa Claus, kämpfte mich über tief verschneite und vereiste Straßen Richtung Norden. Bei Temperaturen von bis zu minus 30 Grad und Schneestürmen, die bis zu 100 km/h erreichen, wäre ich oftmals lieber im Bett geblieben. Doch mit guter Planung und dem nötigen Glück habe ich das Nordkap erreicht. Auf meinem Weg traf ich Krabbenfischer in Norwegen, bestaunte sprachlos die Nordlichter, übernachtete auf der Insel Senja im Zelt in atemberaubender Kulisse, sah Elche, Rentiere, Seeadler und Moschusochsen und bin bis heute begeistert von der atemberaubenden Schönheit der Lofoten.

Fahrerisches Fazit: Der Grat zwischen "es ist lässig" und "es geht in die Hose" ist schmal. Aber es lohnt sich. Wenn das Eis auf der Straße halbwegs gut beschaffen ist und die Reifen Grip haben, klappt so eine Tour. Aber wenn du eine Woche Schneefall hast, dann wird jeder Kilometer zur Qual. Dann wird es schwierig, dann geht man leicht an oder über seine Grenzen hinaus – da musst du dann wirklich einen ganz starken Willen haben – und leidensfähig sein. Aber du musst auch die Konsequenz haben, zu sagen "es war nix". So eine Tour kann schnell gefährlich werden, das darf man nicht vergessen. Daher: Niemals auf Risiko fahren und wenns nicht geht, absteigen.

Wenn du noch nicht genug hast von meinem Abenteuer:
An folgenden Terminen halte ich einen umfassenden Vortrag über meine Reise zum Nordkap. Darin gebe ich auch Tipps für Interessierte, die so eine Reise unternehmen möchten:

  • 29.11. Wien, ÖAMTC Mobilitätszentrum, 18:00 Uhr
  • 07.12. Wiesing, KTM Kini, 18:00 Uhr
  • 11.01. Kitzbühel, Hotel Tiefenbrunner, 18:30 Uhr


Weitere Infos dazu findest du auf meinem Blog.

Infos zum empfehlenswerten Trainingsangebot für Motorradfahrer:innen findest du auf der Seite der ÖAMTC Fahrtechnik. In der ÖAMTC-Länderinfo für Norwegen findest du viele hilfreiche Tipps für deine Reiseplanung.

Hansjörg Franz Hansjörg Franz

Autor:in

Hansjörg Franz ist Fahrtechnik-Instruktor bei der ÖAMTC Fahrtechnik in Saalfelden. Viele Jahre lang war er als Reisebürounternehmer tätig und erfüllte die außergewöhnlichsten Reiseträume. Aber auch privat hat der sympathische Tiroler eine Vorliebe für abenteuerliche Reisen und Expeditionen.

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