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Gemeinsam queer


Ein Gespräch mit den Queer Angels über Communities und Queersein im Job

Auf dem Foto sind viele Regenbogenfahnen abgebildet. Im Vordergrund sieht man nur eine Hand, die ein Regenbogenarmband trägt und zwei kleine Regenbogenfahnen in die Luft hält.
DiversitätMenschen

Ein paar Wochen zuvor bin ich genau hier vorbeigekommen – am Schubertring, allerdings war ich mitten in der Vienna Pride Parade: Musik, Regenbogenflaggen, Menschen in Glitzer, auf Transparenten stand Love is love oder das Motto der Parade 2025: Unite in Pride. Heute ist es ruhiger. Es fahren wieder Autos über den Ring, deutlich weniger Menschen sind unterwegs, keine Parade – dafür steht aber ein Gespräch an, das nicht weniger wichtig ist.

Ich treffe nämlich drei Kolleg:innen im ÖAMTC Cityshop Schubertring: Edina, Ursula und Jürgen. Wir holen uns einen Kaffee, suchen uns ein ruhiges Plätzchen und beginnen unser Gespräch.

Es geht um die queere Community beim ÖAMTC – die „Queer Angels“. Wir reden über Sichtbarkeit, Zugehörigkeit, den Arbeitsalltag – und darüber, warum Queerness auch jenseits vom Pridemonth und Regenbogenlogo im Juni Aufmerksamkeit braucht.

Die queere Welt dreht sich nicht nur im Juni, sondern auch in den restlichen elf Monaten.
Edina
Am Foto sind die Sprecher:innen der Queer Angels zu sehen. Es sind drei Personen, die jeweils ein weißes T-Shirt mit dem Spruch "Pride @ ÖAMTC" tragen.
Sprecher:innen Queer Angels (v.l.n.r.: Edina, Jürgen und Ursula) © ÖAMTC

Wer sind die Queer Angels?

Die Unternehmens-Community besteht aus engagierten LGBTQIA+ Mitarbeiter:innen und Verbündeten im ​ÖAMTC, ​die sich für ein vielfältiges, inklusives und respektvolles Arbeitsumfeld einsetzen.  Ihr Motto: Niemand muss sich aufgrund der eigenen Identität verstecken! Sie stärken die Sichtbarkeit queerer Mitarbeiter:innen, fördern Sensibilität im Umgang mit Vielfalt, machen wichtige Aufklärungsarbeit und tauschen sich aber auch innerhalb der Community, sowie mit dem gesamten Unternehmen über ihre Erfahrungen und Queerness im Job aus. Dazu veranstalten die Queer Angels regelmäßige Stammtische, die von allen besucht werden können, planen Infoveranstaltungen und stehen beratend zur Seite – wieder sowohl für Community-Mitglieder als auch für alle anderen im Unternehmen. Die Queer Angels sind offen für alle Kolleg:innen, aber angesiedelt im Landesverein Wien, Niederösterreich und dem Burgenland.

Von einer Idee zur Community

Ihr habt euch vor einiger Zeit im Unternehmen mittels Intranet-Beitrag und interner Veranstaltung geoutet – sprich allen gesagt, dass es die Queer Angels gibt. Aber gegründet habt ihr euch ja schon etwas früher: seit wann gibt es euch als Community und wie waren die Anfänge?

Jürgen: Das war eigentlich eine ganz einfache Gschicht. Wir haben uns immer auch an anderen Unternehmen orientiert und uns dann die Frage gestellt, warum es beim ÖAMTC nicht auch ein Netzwerk gibt, wo man quasi alle Kolleg:innen abholen kann, die im ÖAMTC genau dieses Thema suchen. Nämlich dieses Zusammengehören – egal wie ich bin, wer ich bin, welche Orientierung ich habe. Die damalige Diversitätsmanagerin hat mich und einen Kollegen angesprochen, und meinte „mach ma doch was“ – wir waren sofort total offen und bereit uns hier zu engagieren. Der erste Schritt war in Richtung Deutschland zu unserem Schwesternclub ADAC. Der hatte damals schon eine solche Community und das Motto „Gelb ist bunt“ und wir haben uns mit einem sehr netten Kollegen ausgetauscht. Das erste sichtbare Zeichen nach außen war die Beklebung des gesamten Cityshops am Schubertring mit Regenbogenfarben im Zuge der Regenbogenparade. Das haben dann alle gesehen: wir, die Mitglieder aber eben auch Leute, die am Shop vorbeigegangen sind. Naja und dann wollten wir natürlich noch mehr. Wir haben angefangen andere Kolleg:innen anzusprechen, ob sie Interesse hätten, sich mit dem Thema zu beschäftigen und so hat sich ein Kernteam gegründet. Und dann haben wir begonnen uns auszutauschen, Ideen zu sammeln und Jour Fixe zu machen.

Ursula: Also ich bin zu den Queer Angels gekommen, als ich zum Schubertring gewechselt habe. Da hat mich der Jürgen sofort angesprochen und seit dem bin ich dabei.

Edina: Mich hat eine andere Kollegin gefragt, ob mich das interessieren würde. Sie hätte mich außerhalb vom Büro bei einschlägigen Events gesehen. Nachdem ich zu einer Chat-Gruppe hinzugefügt wurde, hat mich dann Jürgen, ganz offiziell in einem Meetingraum, sehr vorsichtig gefragt, ob ich Teil der Community bin – man siehts halt nicht jeder:jedem an – und ob ich mitmachen möchte.

Wie sind eure Erfahrungen bzgl. Queerness im Job?

Edina: Für mich war es beim ÖAMTC echt eine positive Erfahrung: also dass es einfach wurscht ist, wie du bist, woher du kommst, welche Haarfarbe du hast. Das hab ich in meinen früheren Jobs leider nicht immer so erfahren – da war der Fokus oft mehr auf das äußere Bild, auf traditionelle Geschlechterrollen oder die Migrationsgeschichte, die bei mir auch immer wieder ein Thema war. Das war dann eine schöne Erfahrung für mich, dass ich mich hier nicht verstecken oder verstellen muss – das möchte ich auch fördern und anderen Kolleg:innen zeigen.

Jürgen: Ich habe in den 20 Jahren beim ÖAMTC noch nie eine Diskriminierung aufgrund meiner Partnerschaft, die auch im Unternehmen bekannt ist, erlebt.

Ursula: Bei mir war das auch nie ein Thema. Ich bin jetzt auch schon 15 Jahre beim ÖAMTC und wurde z. B. gefragt, was ich am Wochenende mache. Wenn ich dann sage, dass ich mit meiner Partnerin einen Ausflug plane wurde nur gesagt: toll, erzähl uns dann wie es war. Ich finde das so großartig und möchte das auch allen Kolleg:innen weitergeben.

Aber wenn alles so super läuft, braucht es die Queer Angels dann überhaupt noch?

Jürgen: Zu viel Aufklärungsarbeit kann es ja eigentlich nicht geben. Zusätzlich gibt es schon noch Vorurteile, auch wenn wir keine Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Und wenn man sich die Außenwelt anschaut, wie sich grad alles wieder verändert und teils schwieriger wird, ist es meiner Meinung nach mehr denn je wichtig, einen Bereich zu schaffen, wo sich queere Mitarbeiter:innen aufgehoben und sicher fühlen und sich austauschen können.

Edina: Wir versuchen halt nachhaltig – Schritt für Schritt – mehr Sichtbarkeit zu zeigen und nicht nur Communitymitglieder zu unterstützen, Kolleg:innen zu sensibilisieren, sondern irgendwann auch andere Unternehmen zu inspirieren.

Es stehen fünf Personen vor einer gelben Wand. Die Personen halten jeweils Regenbogenfahne und andere Accessoires in Regenbogenfarben.
Veranstaltung der Queer Angels (v.l.n.r.: ÖAMTC-Direktor Ernst Kloboucnik, Edina, Ursula, Jürgen und ÖAMTC-Diversitätsmanagerin Pamela Rath) © ÖAMTC

Was bringt eine queere Community im Unternehmen?

Gemeinschaft stärken: Die Community schafft Verbundenheit und Raum für Austausch – für alle, die ähnliche Erfahrungen teilen.

Sichtbarkeit fördern: Queere Perspektiven werden im Unternehmen sichtbar und erhalten eine gemeinsame Stimme.

Sicherheit geben: Sie bietet Rückhalt im Arbeitsalltag und setzt sich gegen Diskriminierung ein.

Wissen teilen: Als Ansprechpersonen unterstützen die Mitglieder bei Fragen zu Identität, Sprache und inklusivem Miteinander.

Kultur mitgestalten: Die Community trägt aktiv dazu bei, Vielfalt im Unternehmen zu leben – glaubwürdig, dauerhaft und über den Pride Month hinaus.

Was zurückkommt, wenn man sichtbar wird

Habt ihr auch negative Rückmeldungen von Kolleg:innen bekommen?

Jürgen: Man hat immer auch kritische Stimmen, aber von den negativen Aussagen, darf man sich nicht zu stark beeinflussen lassen. Vor allem, weil die positiven und bestärkenden Rückmeldungen sehr stark überwiegen. Und sollte wirklich mal eine sehr kritische Rückmeldung kommen, was so noch nie passiert ist, würde ich den Dialog zu der Person suche. Wer Interesse oder Fragen hat, kann sich an uns wenden, aber wir zwingen ja niemanden. In meiner Funktion als Führungskraft hab ich nur positive Erfahrungen gemacht: Ich habe immer wieder erlebt, dass Mitarbeiter:innen meinen Lebensstil mitbekommen haben – ich geh ja auch sehr offen damit um – und die sich dann bei mir geoutet haben.

Edina: Wie Jürgen schon sagt, es gibt immer mal wieder einzelne kritische Stimmen, das sind zwar oft die besonders lauten. Aber in Summe sind das recht wenige. Man merkt schon, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Meinungen im ÖAMTC vielfältig sind, wie halt in der gesamten Gesellschaft. Wir akzeptieren auch andere Meinungen und wenn jemand mit uns – also den Queer Angels – nichts anfangen können, ist das auch ok für uns. Ich würd zu Kritiker:innen sagen: Wir akzeptieren auch dich, so wie du bist.

Ursula: Ich habe bis jetzt tatsächlich nur positive Rückmeldung bekommen. Die Leute freuen sich, dass es jemanden bzw. eine Gruppe gibt, an die sie sich wenden können und die für einen da ist.

Welche Erlebnisse mit der Community sind euch besonders in Erinnerung geblieben?

Jürgen: Wir machen ja monatlich einen Stammtisch in einem externen Lokal – da kann jede:r kommen. Also nicht nur die Community sondern auch Allies oder Interessierte und die können natürlich auch Freund:innen, die nicht beim ÖAMTC arbeiten mitnehmen. Einmal wars dann so, dass wir für rund zehn Personen reserviert hatten aber immer mehr Leute gekommen sind. Wir mussten dann gefühlt alle paar Minuten zum Wirt sagen, dass wir bitte noch einen Tisch brauchen und dann war plötzlich das ganze Lokal von unserem Stammtisch voll. Das war richtig schön und hat auch nach außen gezeigt: Der ÖAMTC ist halt wirklich für alle da, so wie es in der Werbung auch gesagt wird.

Edina: Auf der Pride 2024 hat mich tatsächlich ein Mitglied angesprochen und war begeistert, dass sich der ÖAMTC für die LGBTQIA+ Community einsetzt. Er hat mir dann stolz seine Mitgliedskarte gezeigt und sich dann mit den Worten „Jetzt bin ich noch lieber Mitglied“ verabschiedet.

Jürgen: Apropos Pride: ich hatte auch einen Gänsehautmoment, als wir zusammen mit dem ADAC bei der Parade im Frankfurt dabei waren. Und das war so schön, weil dieser Community-Gedanke sich auch dort so stark gezeigt hat: Wir waren mit Kolleg:innen unterwegs, die ich nicht kannte, von einem anderen Unternehmen und wir hatten aber sofort eine Verbindung. Gefreut hat mich natürlich auch, dass der ADAC uns bei jedem Posting und bei jeder Meldung genannt und sich für unsere Unterstützung bedankt hat. Auch sonst sind wir mit vielen anderen Unternehmen im Austausch bzw. sind in Kontakt mit anderen queeren Communities. Das ist sehr bereichernd und wichtig, dass wir uns auch außerhalb des eigenen Unternehmens vernetzten.

Ursula: Ich hab sofort unser erstes Community-Treffen im Kopf. Da haben wir uns alle zum ersten Mal getroffen und uns kennengelernt. Das war einfach großartig. Es war so ein gemeinsames Durchatmen: Endlich haben wir uns gefunden, endlich wird was gemacht. Es war eine wunderschöne Stimmung und ich fands toll, dass wir so viele waren. Es war der Startschuss.

Edina: Und beim letzten Stammtisch ist auch noch was passiert: Da war eine Kollegin mit Kopftuch dabei und sie war anfangs sehr unsicher, wie sie aufgenommen wird. Aber das ist ja komplett egal, ob sie Kopftuch trägt oder nicht. Und sie meinte dann, dass sie es so gut findet, dass es eine Gruppe gibt, wo man eben auch mit Kopftuch queer sein kann. Das war auch ein sehr schöner Moment. Weil genau das ist es eben – für alle da sein.

Diskriminierung am Arbeitsplatz

Leider ist es nicht die Realität von allen queeren Menschen, dass sie hauptsächlich positive Erfahrungen am Arbeitspatz sammeln oder in einer Community Austausch und Unterstützung finden – auch wenn es gesetzlich verboten ist Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung zu diskriminieren. Trotzdem: Die Arbeitsrealität schaut oft auch anders aus und viele wollen sich nicht am Arbeitsplatz outen. Laut dem Forschungsbericht „Arbeitssituation von LSBTI-Personen in Österreich“, durchgeführt von SORA (heute FORESIGHT) im Auftrag der AK Wien, aus dem Jahr 2017 haben 60 Prozent der befragten LGBTQIA+ Personen angegeben, bereits Benachteiligungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in ihrer Arbeitsstelle erlebt zu haben.

Wir sind nicht nur Party-Party, wir unterstützen und helfen auch bei konkreten Fragen oder Problemen.
Edina
Das Bild zeigt eine Frau von der Seite. Sie sitzt und stütz einen Arm am Kinn ab, sie trägt eine Brille und ein weißes Polo-Shirt.
Ursula im Interview über Queersein im Arbeitsalltag. © ÖAMTC_Eberharter Anna
Das Bild zeigt einen Mann, der auf einem roten Sessel sitzt. Er trägt eine dunkle Hose und ein weißes Hemd und lacht.
Jürgen spricht von seinen Erfahrungen beim ÖAMTC. © ÖAMTC_Eberharter Anna
Das Bild zeigt eine Frau von der Seite. Sie sitzt, trägt eine schwarze Brille und ein gestreiftes T-Shirt.
Edina erzählt von lustigen und schönen Momenten bei den Queer Angels. © ÖAMTC_Eberharter Anna

Mensch wird ja wohl noch träumen dürfen

Welche Projekte oder Themen stehen bei euch demnächst an?

Jürgen: Wir dürfen heute auch ein bisschen spoilern: Im Herbst wollen wir einen ÖAMTC-Folder zum Thema gestalten. Kurz und verständlich sollen unsere Ziele und wer wir sind erklärt werden – dieser kann dann bei jeder internen Veranstaltung aufgelegt und auch beim Onboarding-Prozess verteilt werden, damit wir auch die neuen Kolleg:innen direkt ansprechen können. Wir haben schon eine Basis mit dem Kernteam geschaffen und diese wollen wir auch in Zukunft immer weiter ausbauen.

Ursula: Ja und ganz konkret: Wir haben heuer unsere ÖAMTC-Pride-Party zur Einstimmung auf die Regenbogenparade aufgrund der schrecklichen Ereignisse in Graz und der damit verbundenen Staatstrauer abgesagt. Wobei abgesagt ist eigentlich falsch – auf Herbst verschoben. Das steht also auch bald an.

Was sind eure Ziele oder Träume für die Zukunft bezogen auf die Queer Angels?

Jürgen: Ich würde uns wünschen, dass wir auch in Zukunft die Freiheit haben, neue Ideen und Projekte umzusetzen. Dafür brauchen wir nicht nur eine starke Community, sondern natürlich auch die Unterstützung von Allies* und auch vom Management. Wir brauchen die Freiheit das tun zu können, was wir möchten.

Edina: Ich würd mir auch wünschen, dass wir als Community wachsen und es immer mehr Queer Angels werden. Ich hoffe einfach, dass ich andere inspirieren kann und wir uns gegenseitig unterstützen.

Ursula: Ich bin glücklich, wenn wir weiterhin so positiv angenommen werden und unser Ding machen können. Ich empfinde es als große Wertschätzung, dass wir die Freiheit bekommen, Projekte zu realisieren.

Was wünscht ihr euch von Kolleg:innen, was können wir Allies* tun?

Edina: Kommt zu unseren Veranstaltungen – spread the word.

Jürgen: Kommuniziert unsere Themen mit, plaudert darüber. Seid beim Austausch dabei – es ist auch lustig bei uns.

Edina: Ja wir sind nicht böse, sondern haben sehr viel Spaß.

Ursula: Es wird ja bei unseren Stammtischen auch nicht jedes Mal nur darüber philosophiert, wie es ist queer zu sein. Es ist ein Austausch unter Kolleg:innen.

* Ein Ally ist eine nicht-queere Person, die sich mit und für die Rechte und Würde von LGBTQIA+ Personen einsetzt und sich solidarisch mit ihnen verbündet.

Der ÖAMTC ist halt wirklich für alle da, so wie es in der Werbung auch gesagt wird.
Jürgen
Das Foto zeigt viele Menschen auf der Regenbogenparade, die neben den ÖAMTC Auto gehen. Am Rechten Rand des Bildes ist ein Banner mit der Aufschrift "Für alle da" zu sehen.
ÖAMTC auf der Regenbogenparade 2023 © Matthias Fenzl
Anna Eberharter

Eberharter Anna (she/her) ist seit Jänner 2022 beim ÖAMTC im Team der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Ihre Themenschwerpunkte beim Mobilitätsclub sind Reisen und Tourismus sowie Diversität und Inklusion. In ihrer Freizeit setzt sich Eberharter für Feminismus und Gleichstellung ein. Sie ist kunstinteressiert, mag Bücher und Podcasts und hat ein Faible für Zimmerpflanzen.