Ein Coach für alle Fälle
Mein individuelles Pkw-Einzeltraining mit einem Fahrtechnik-Instruktor.

Vor ein paar Monaten habe ich mein Auto gewechselt. Nach über zwei Jahrzehnten mit Frontantrieb sollte es nun ein Fahrzeug mit Heckantrieb werden, dem mehr Fahrdynamik nachgesagt wird. Theoretisch kenne ich die Unterschiede. Aber wie fühlt sich das in einer Ausnahmesituation an? Und wie reagiere ich dann richtig?
Ich wollte das nicht irgendwo auf gut Glück ausprobieren – ein leerer Parkplatz ist in der Regel Privatbesitz und auch nicht besonders sicher. Also habe ich mich für ein Einzeltraining in einem ÖAMTC Fahrtechnikzentrum entschieden: Weitläufige Flächen, Gleitbeläge, Wasserhindernisse – dazu Instruktor:innen, die Profis sind, da kann nix passieren.
Tatsächlich habe ich mit jedem neuen Fahrzeug schon das ein oder andere Fahrtechniktraining absolviert – man lernt ja immer etwas dazu. Aber dieses Mal war es für mich trotzdem eine Premiere: ein sogenanntes “Personal Coaching”. Also eine ganz persönliche Trainingssession, allein mit einem Instruktor, ganz ohne Gruppe. Ideal für mich: Ich wollte herausfinden, wie sich mein heckgetriebener BMW in kritischen Situationen verhält – vor allem beim Ausweichen und Kurvenfahren. Wann greift die Fahrdynamikregelung ein? Wie spürbar ist der Unterschied mit und ohne Systemunterstützung?
Der erste Eindruck
An diesem sonnigen Tag in Teesdorf empfängt mich Fahrtechnik-Instruktor Michael Mungitsch – er wird heute mein Personal Coach sein. Nach einem kurzen Briefing – Fahrzeugbesonderheiten, Wünsche ans Training – legen wir gleich los. Drei Stunden haben wir im Vorfeld für das Training angesetzt. Die Zeit wird intensiv genutzt: Keine Wartezeiten, direktes Feedback über Funk, weiter in die nächste Runde, mit der nächsten Anweisung bzw. Steigerung des Schwierigkeitsgrads. Aber eins nach dem anderen.
Auf die Piste, fertig, los
Mein Coaching beginnt mit einem Slalom über eine Kuppe. “Eine beliebte und bewährte Einstiegsübung, um sich an Situation und Fahrzeug zu gewöhnen”, verrät mir Michael. Mit jeder Runde wird die Geschwindigkeit erhöht, dann kommt Wasser auf die Piste. Ich bin durchaus flott unterwegs, übertreibe es aber nicht. Meine innere Stimme rät mir aus 20-jähriger Fahrpraxis: “Vorsicht, viel mehr geht nicht.“ Aber Michael rät mir zeitgleich über Funk: “Trau dich ruhig. Um die Grenzen zu kennen, muss man sich herantasten – und im gesicherten Rahmen auch mal drüber gehen.”
Genau das mache ich also bei den nächsten Runden: Und trotz DTC (ESP) beginnt das Auto zu schwänzeln und “küsst” die ein oder andere Slalom-Stange. Es folgen Brems- und Ausweichübungen bergab vor einem Wasserhindernis. Eine erste Erkenntnis: Assistenzsysteme können physikalische Grenzen nicht aufheben. Zusätzlich merkt Michael an: “Das war jetzt natürlich eine gestellte Situation, ohne echte Überraschung. Im realen Straßenverkehr tritt das auch dann auf, wenn man nicht damit rechnet. Daher muss man üben, üben und nochmals üben, um diese Abläufe zu verinnerlichen.”
Auch das Sitzen will gelernt sein
Im Rahmen dieser Übung gehen wir auch kurz auf die richtige Lenkradhaltung und Sitzposition ein. Obwohl ich gut darauf achte, bemerkt Michaels geschultes Auge schnell, dass meine Beine zu durchgestreckt sind. “Bei diesem flachen Winkel im Knie kannst du bei einer Vollbremsung auf den letzten Zentimetern nicht mehr die ganze Kraft aufs Pedal bringen“, erklärt er mir einleuchtend. Ich rücke also mit dem Sitz etwas nach vorne, dafür muss das Lenkrad im Gegenzug angepasst werden. Immerhin die Sitzlehne ist bei mir schön aufrecht, wie sie sein sollte – damit ich bei einer Notbremsung den richtigen Rückhalt habe.
Kurvenfahren im Grenzbereich
Als nächstes steht die Kreisbahn an. Kein Schmäh: bereits mit 45 km/h fliege ich bei bewässertem Gleitbelag ab.
Dann will ich es natürlich wissen: Kann ich die Kreisbahn quer im “gepflegten Drift” nehmen? Naja, nicht wirklich. Ist das DTC aktiv unterstützt es nicht nur, sondern bremst auch einzelne Räder so weit ab, bis das Fahrzeug “geradegezogen” wird und beinahe zum Stillstand kommt – selbst, wenn ich absichtlich am Gas bleibe.
Und ohne Stabilitätsprogramm? Ja, da kommt das Heck leicht – und schnell. Wieder nix mit dem “gepflegten Drift”, mich dreht’s einmal im Kreis (mit der Handbremse übrigens ebenso). Hier macht das Spaß und darf es auch – auf der Straße brauche ich es nicht. Dort weiß ich jetzt, dass mein DTC keine “Spaßbremse” ist, die man leichtfertig deaktivieren sollte, sondern einen gewissen Sicherheitspolster bietet. Michael mahnt zur Vorsicht beim Verlass auf die Elektronik: “Wer es übertreibt und eine Kurve deutlich zu schnell anfährt, landet auch mit aktiven Assistenzsystemen im Straßengraben. Daher kommt es in erster Linie auf das richtige Verhalten der Fahrer:innen an.”
Mit Vollgas auf die Bremse
Übung Nummer 3 ist Bremsen und Ausweichen vor einem Hindernis. Hier kommen Wasserfontänen zum Einsatz, die beim Heranfahren plötzlich aus dem Boden schießen – und zwar per Zufall: mal links oder rechts. Gelingt das Ausweichen nicht rechtzeitig, gibt’s eine hörbare Dusche von oben und unten. Das tut nicht weh, aber vermittelt doch eine Vorstellung davon, was wäre, wenn das ein echtes Hindernis gewesen wäre. Ein “Aha-Effekt” war für mich die Vorübung: Während die Bewässerung der Piste noch lief, sollte ich daneben auf trockenem Boden eine Vollbremsung machen. Kein Problem, denke ich mir... “Das war nix. Das geht noch viel härter, da hättest du im Ernstfall einige Meter verschenkt”, höre ich Michael übers Funkgerät sagen. Zweiter Versuch: Mit aller Kraft auf die Bremse, der aufrechte Sitz hält dagegen, das Bremspedal vibriert. Ahja, genau – das ABS, das soll so sein. Hab ich (zum Glück) schon lang nicht mehr gespürt. Aber kein Grund es zu vermeiden und wichtige Meter zu verschenken. “Jetzt war es eine Notbremsung!”, sagt Michael.
Grande Finale auf der Schleuderplatte
Zum Schluss wartet natürlich noch die Königin aller Übungen auf mich: die Schleuderplatte. Man fährt mit einer vorgegebenen Geschwindigkeit über eine Bodenplatte, die dann das Heck des Fahrzeugs ruckartig in eine Richtung (links oder rechts) versetzt und so einen Heckausbruch auslöst. Da ist wirklich schnelles Gegenlenken angesagt – das geht weder einhändig, noch im üblichen Lenk-Tempo. Und auch das Ausmaß der Lenkarbeit muss stimmen - wer nicht mehr weiß, wie die Lenkung tatsächlich steht oder es übertreibt, gerät in den (oft schlimmeren) Gegenpendler.
Da muss die Reaktion sitzen, korrekt und schnell, sonst ist man im Notfall im Gegenverkehr oder Straßengraben. Und diese automatisch richtige Reaktion kommt nur, wenn sie “eingelernt” ist, wenn man nicht mehr darüber nachdenken muss. Auch hier macht sich das DTC eindeutig bemerkbar: Mit der Assistenzhilfe und viel Lenkarbeit gelingt mir das Stabilisieren ganz passabel. Michael warnt aber auch hier vor blindem Vertrauen in die Technik: “Die Systeme können hier mittels Bremseingriffen gut assistieren, aber in erster Linie hilft hier die richtige und schnelle Lenkarbeit.”
Ich für meinen Teil bin zufrieden mit dem Einzel-Coaching: Ich fühle mich jetzt sicherer in meiner “Heckschleuder”. Zum nächsten Training komm ich dann wahrscheinlich mit dem Motorrad.
Für alle was dabei
Egal ob Pkw oder Motorrad: Neben den verschiedensten Gruppentrainings kann man alle Inhalte auch nach individuellen Bedürfnissen kompakt als Personal Coachings machen. Und für Motorsport-affine Menschen gibt es sogar die Möglichkeit mit einem Rallye-Weltmeister oder einem x-fachen Motocross-Staatmeister als Fahrtechnik-Instruktor:in zu trainieren. Und wer gezielt Driften lernen oder auf einer Rennstrecke fahren will, für die:den ist auch das möglich.

Über den Autor:
Max Kudlacek ist seit 2006 beim ÖAMTC in der Öffentlichkeitarbeit tätig. Er greift auch privat immer wieder in die Tasten – dann gerne auf einer seiner gesammelten Schreibmaschinen. Oder fährt mit dem Motorrad durch die Gegend.