Ein "Aus-Flug"
Verkehrsinformationen aus der Luft: Die ADAC-Flugbeobachter.

Sowohl für unsere ÖAMTC-Stauberatungen als auch zur Verbreitung von Verkehrsinformationen sind wir auf Echtzeitdaten angewiesen. Eine Quelle dafür sind die ADAC-Flugbeobachter:innen, die uns mit Transit-Verkehrsinfos aus der Luft versorgen. Im Sommer wurden wir eingeladen, einen der Flüge zu begleiten.
Es gab ein Problem: Zusammen mit mir hätten wir die Gewichtsobergrenze gesprengt. Ich musste also, so leid es ihnen auch tat, am Boden bleiben.
Am Höhepunkt des Sommerreiseverkehrs
Es ist Samstagmorgen, 7 Uhr, Ende Juli, Dienstbeginn in den ÖAMTC-Mobilitätsinformationen – und erstes "Bayern-Wochenende". Mit einem Blick auf das Verkehrsgeschehen sehe ich das Erwartbare: Aufgrund des Urlaubsreiseverkehrs staut es seit den Nachtstunden, und zwar um einiges stärker als sonst. Generell markiert der Ferienbeginn in Bayern für uns jährlich den Höhepunkt des Sommerreiseverkehrs, schlägt er sich doch im österreichischen Verkehrsnetz am stärksten nieder: Schon um 7 Uhr stehen meist zehn Kilometer lange Kolonnen vor dem Walserberg bei Salzburg. Und vor den ersten Tunnelportalen auf der Tauernautobahn (A10) wurde Blockabfertigung verhängt, um Staubildung in den Tunnels zu verhindern. Ähnliches passiert auch in Tirol am Fernpass und der Brennerautobahn.
Wir haben also alle Hände voll zu tun, die Stauinfos auf den aktuellen und vollständigen Stand zu bringen.
Das "fliegende Auge"
Etwa um 9:30 Uhr läutet das Telefon. Es ist eine deutsche Nummer und ich ahne schon, wer da in der Leitung ist:
Ich: "ÖAMTC-Mobilitätsinformationen."
Robert Sandler: "Hallo nach Wien. Hier spricht das fliegende Auge des ADAC."
Ich: "Hallo, Robert. Lange nicht gehört."
Robert: "Ja, wir sind gerade zum ersten Mal in dieser Saison abgehoben."
Im Hintergrund höre ich leises Motorgeknatter. Es kommt von einer Cessna 172N. Die Stimme gehört Robert Sandler, dem ADAC-Flugbeobachter. Er überfliegt an den Wochenenden während der Ferien in Bayern die Haupttransitrouten. Aus der Luft hat er einen optimalen Überblick über die Lage und übermittelt seine Verkehrsbeobachtungen live aus dem Flieger an diverse Radiostationen – etwa an die Antenne Bayern, wo er nach den Nachrichten und dem Wetter ein fixes Zeitfenster für Interviews hat. Und auch für den ÖAMTC übernimmt Robert Radio-Einstiege, vor allem für Salzburger und Tiroler Radios. Außerdem laufen über ihn auch Panneneinsätze am Boden, da er aus der Vogelperspektive Unfälle und liegengebliebene Fahrzeuge oft als erster bemerkt. So auch heute.
Robert: "Wir sind gerade über Irschenberg geflogen. Da ist ein Caravan auf der zweiten Spur liegen geblieben. Der Verkehr kommt nur einspurig vorbei, es staut schon gewaltig. Kurzfristig gibt das bei euch eine Entlastung an der Grenze Walserberg. Aber sobald die Stelle frei ist, kommt der ganze Schwung dann umso stärker."
Ich: "Danke, Robert. Wie sieht es im Raum München aus?"
Der ADAC-Flugbeobachter: "Rund um München ist zwar momentan noch alles im Fluss, es herrscht aber dichter Kolonnenverkehr und es kommt noch einiges nach."
Das ist genau die Information, die wir brauchen. In der Presseaussendung, die eine halbe Stunde später über die APA (die Austria Presse Agentur) versendet wird, steht: "Mit einer Entspannung der Verkehrslage auf der Achse A10-A11 zum Karawankentunnel kann also erst am späteren Nachmittag gerechnet werden. Die Wartezeit vor dem Karawankentunnel beträgt nach wie vor ca. 45 Minuten."
Die Infos zur Verkehrslage aus dem Flugzeug bereiten wir auch intern für unsere Nothilfe- und Informationszentralen auf, damit die Kolleg:innen etwaige Anfragen rasch selbstständig beantworten können. Heute dringt auch eine direkt zu mir durch, was eigentlich nur passiert, wenn die Kolleg:innen im Call-Center vor Telefonaten übergehen: Eine Frau will über die A10 nach Kärnten und fragt an, ob sie gleich fahren kann, oder noch etwas abwarten soll. Ich empfehle ihr: "Essen Sie noch in Ruhe zu Mittag und trinken Sie auch noch gemütlich einen Kaffee. Wenn Sie am frühen Nachmittag losfahren, bleiben Ihnen die Staus erspart."

Einladung zum "Aus-Flug"
Aufgrund der guten Zusammenarbeit lud Robert uns schließlich ein, ihm bei der Arbeit aus der Luft über die Schulter zu blicken. Es hieß, wir können fachkundige, flugangstfreie, magenfeste, hitzeverträgliche und gesellige Kolleg:innen mitbringen. Obwohl ich das Anforderungsprofil nur zu rund 50 Prozent erfülle, meldete ich mich freiwillig. Gemeinsam mit meiner Frau machte ich mich an einem Wochenende Anfang September auf den Weg Richtung Bayern – schließlich ließ sich so das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.
Das "fliegende Auge" Robert Sandler begrüßte uns am Flugplatz in Landshut-Ellermühle. Robert ist ein drahtiger, freiluftgebräunter, bayerischer Naturbursch, aus dessen Augen etwas blitzt, dem man sich schwer entziehen kann: Schalk. Heute blitzte es etwas weniger, denn es gab ein Problem: Der vorgesehene Pilot ist ausgefallen und der Ersatzpilot um einiges schwerer. Zusammen mit mir hätten wir die Gewichtsobergrenze gesprengt. Ich musste also, so leid es ihnen auch tat, am Boden bleiben. Gottseidank war meine Frau mit von der Partie. Sie sprang gerne für mich ein. Ich wartete auf dem Boden, während Margit sich mit unseren ADAC-Kollegen in die Lüfte schwang.
Margits Flug-Bericht
Und so kommt es, dass ich das "fliegende Auge" Robert Sandler auf einem seiner Beobachtungsflüge begleiten darf. Um 9:30 Uhr geht es los. Robert und Pilot Thomas treffen noch einige Vorbereitungen, schieben die viersitzige Cessna aus der Remise des Flugplatzes – wo übrigens auch die ADAC-Hubschrauber gewartet werden – während ich mich auf das kleine, exklusive Abenteuer freue. Ein bisschen mulmig wird mir dann allerdings doch, als Thomas im Rahmen einer kleinen Einweisung auf die Tasche auf der Hinterseite seiner Rückenlehne zeigt. Darin steckt nämlich ein Speibsackerl. "I kannt hint‘ ned mitfliagn", meint er. Dieser kleine Anflug von Nervosität ist jedoch rasch verflogen.
Kurz nach dem Start genieße ich schon die wundervolle Aussicht auf das niederbayerische Hügelland. Das ist zwar nicht der eigentliche Zweck des Fluges, wohl aber ein netter Nebeneffekt. Unsere Mission – oder besser gesagt Roberts – ist es ja, die Autofahrer:innen auf den Haupt-Ferienrouten über das aktuelle Verkehrsgeschehen auf dem Laufenden zu halten. Live aus dem Flugzeug gibt er seine Meldungen an die Antenne-Bayern-Hörer durch. Nach vielen Jahren als ADAC-Stauberater kennt er sich bestens mit der Bildung und der Dynamik von Staus aus. Und zwischen seinen Radio-Durchsagen findet er Zeit, mir interessante Dinge zu erklären, über die ich mir als Laie noch nie Gedanken gemacht habe.
Von Staupunkten und tiefen Flugmanövern
Ein Punkt, an dem der Verkehr häufig zähflüssig wird, befindet sich das Autobahndreieck München-Süd, von der A 99 hin zur A 8. Weiter südlich fungiert der Irschenberg als Bremse. Lkw und – vor allem in der Hauptreisezeit – Wohnwagengespanne tun sich schwer mit der Steigung, nachkommende Fahrzeuge müssen abbremsen. Dies verursacht eine Kettenreaktion, die oft noch kilometerweit spürbar ist. Ein weiterer klassischer Staupunkt auf der A8 befindet sich südlich des Chiemsees. "Wenn die Autofahrer:innen den Chiemsee sehen, ist deren Aufmerksamkeit kurz abgelenkt und sie drosseln das Tempo", weiß Robert. Im Bereich zwischen Übersee und Grabenstätt löst sich der sogenannte Schau-Stau meist jedoch wieder auf. Ich jedenfalls darf mir diesen wunderschönen See aus luftigen Höhen anschauen, ohne einen Stau zu verursachen. Wobei Höhe hier relativ zu sehen ist.
Das ADAC-Staubeobachter-Team hat nämlich eine Tiefflieger-Sondergenehmigung. Bis zu 200 Meter tief darf Thomas seine Cessna fliegen – eine besondere Herausforderung für den Piloten, gibt es in dieser Zone doch auch weitere Verkehrsteilnehmende, wie etwa Drohnen oder Paragleiter. "So a Paraglider macht si ned guad im Propeller", sagt Thomas trocken. Und, er hat alles bestens im Griff. Überhaupt sind Robert und sein Pilot offensichtlich ein gut eingespieltes Team – eines, das mittlerweile Hunger hat, und so steuert Thomas den Flugplatz Mühldorf am Inn an. Der Hauptgrund für die Zwischenlandung ist jedoch, dass das Flugzeug aufgetankt werden muss. Bei der Landung applaudiere ich, wie sich das gehört.
Nach der Mittagspause geht es in die nächste Runde. Adlerauge Robert sichtet einen Pkw, der auf der Autobahn-Mittelspur zum Stillstand gekommen ist. Auf wundersame Weise können die nachfolgenden Fahrzeuge rechtzeitig reagieren, sodass es glücklicherweise nicht zu einem Auffahrunfall kommt. Aus der Luft kann Robert gut beobachten, ob bereits ein Einsatzfahrzeug unterwegs ist bzw. abschätzen, wie lange sich der Verkehr in diesem Bereich noch verzögern wird. Wir drehen drei Runden um die Staustelle, dann ist das havarierte Fahrzeug wieder in Gang. Robert kann Entwarnung geben.
In München erlauben mir Robert und Thomas noch ganz besondere Einsichten in die Allianz-Arena von oben. Nicht, dass ich mir persönlich besonders viel aus Fußball mache, aber vor Freund:innen und bekannten Menschen lässt es sich damit ein wenig angeben. Dann geht es wieder zurück zum Flugplatz Landshut, wo die Cessna butterweich aufsetzt. Danke, Robert, danke Thomas!

Autor:in
Alfred Obermayr feiert im nächsten Jahr 25 Jahre "Übergangslösung" bei den ÖAMTC-Mobilitätsinformationen. Die schwarz-gelbe Farbgebung des Clubs hat sich inzwischen auch auf seine Freizeitgestaltung übertragen: Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist die Imkerei.
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