Stars, Spaceships und Geisterstädte
Strandurlaub war gestern, warum nicht mal eine etwas außergewöhnlichere Reise? Stars nachreisen oder wortwörtlich nach den Sternen greifen? Kurzum: Urlaub mal anders.
Sonne, Strand und Meer – nicht umsonst haben die meisten Österreicher:innen Sehnsucht nach einem klassischen Sommerurlaub. Laut ÖAMTC Reisemonitoring verbringen sie diesen am liebsten in Italien oder Kroatien. Neben diesen „0815-Urlauben“ wählen Tourist:innen aber immer öfter skurrile Reise-Alternativen abseits des Mainstream. Was das alles mit Weltstars wie Taylor Swift oder Beyoncé, Weltraum, Tschernobyl oder dem wohl restriktivsten Staat der Welt zu tun hat? Tourtorism, Spacetourism und Dark Tourism statt Overtourism.
Konzert und Urlaub verbinden – Tourtourism
Kurz nach den Absagen der Taylor-Swift Konzerte kam ich am Hauptbahnhof in Wien zufällig mit einer Familie aus LA ins Gespräch. Sie sind extra für das Konzert um die halbe Welt geflogen. Die Swifities, so werden die Fans bezeichnet, gelten als besonders loyal und nehmen für ein Konzert auch eine längere Anreise in Kauf. So auch die Familie aus LA: Nachdem die Konzerte abgesagt wurden, haben sie sich nicht entmutigen lassen und fliegen nun nach London – tatsächlich haben sie dafür noch Tickets im Re-Sale ergattern können. „Tourtourism“ nennt man das Phänomen, wenn Fans ihren Idolen für Konzerte nachreisen. Und das freut auch die Wirtschaft im jeweiligen Land: Der Standard berichtet, dass aufgrund der geplanten Taylor Swift Konzerte in Wien ein Plus von 246 Prozent bei den Hotelbuchungen verzeichnet wurden. Und auch wenn die Konzerte abgesagt werden mussten, waren viele Swifties bereits in Wien – Clubs haben Partys veranstaltet, bei denen nur Taylor Swift Songs gespielt wurden. Viele Geschäfte und Lokale haben spezielle Angebote für Swifites offeriert und alles in allem, war die Stadt voll von Fans, die extra für die Konzerte angereist waren.
Der Begriff Tourtourism kam vor allem auch bei Beyoncés Renaissance Tour auf und auch die Adele Konzerte in München kurbelten Tourtourism ordentlich an.
Von verlassenen Orten und restriktiven Ländern – Dark Tourism
Ein etwas unkonventionelle Urlaubstrend, der immer mehr Menschen in seinen Bann zieht: Dark Tourism. Dabei wollen Reisende in Orte eintauchen, die von tragischen Ereignissen oder düsteren Zeiten gezeichnet sind. Es gibt sogar eine eigene Netflix-Serie, die genau solche Dark Tourism-Destinationen, wie beispielsweise Tschernobyl, der Ort der Nuklearkatastrophe von 1986, zeigt. Klingt verrückt? Nun, für manche ist das eben der ultimative Kick im Urlaub.
Tschernobyl
Ich selbst habe Dark Tourism auch schon mal ausprobiert – und das, obwohl ich eigentlich eher Team entspannte Kultur- und Städtereisen inklusive guter Kulinarik aber ohne viel Action bin.
2016 besuchte ich im Zuge einer Recherchereise in der Ukraine während des Studiums zusammen mit Kommiliton:innen Tschernobyl. Vom Hotel in Kiew wurden wir mit einem Bus der offiziellen Reiseveranstaltung abgeholt. Nachdem wir Einverständniserklärungen und Haftungsausschlüsse unterschrieben hatten, ging es los. Während der Fahrt lief an den kleinen Fernsehern im Bus bereits eine Dokumentation über die Nuklearkatastrophe, gefolgt von einer Präsentation über die Verhaltensregeln während der Tour und als Abschluss, kurz vor Ankunft, wurde noch ein Musikvideo abgespielt, das ebenfalls die tragischen Ereignisse zum Thema hatte.
Angekommen in Tschernobyl und nach ein paar Kontrollen durften wir das erste Mal aus dem Bus aussteigen. Sofort drückte mir einer der Tourguides einen Geigerzähler in die Hand mit den Worten, ich könne ja gerne mal herumgehen und während der Tour messen, am Ende vergleichen wir und wer höhere Ausschläge gemessen hat, gewinnt. Ich war nicht gerade ambitioniert diesen Wettkampf zu gewinnen.
Grundsätzlich sind solche offiziell geführten Touren, die ja meist nur ein paar Stunden dauern, aber nicht besonders gefährlich. Die Tourguides führen die Besucher:innen zu bestimmten Orten, die als sicher markiert sind, und vermeiden Gebiete mit erhöhter Strahlung. Denn es gibt noch Bereiche in Tschernobyl mit sehr hoher und gefährlicher Strahlenbelastung – diese Orte sind abgeriegelt, und werden auf solchen Touren nicht besichtig.
Leere Schulen, verlassene Schimmbäder und Sporthallen, unbewohnte Häuser und langsam verfallende Freizeitparks – das ist Prypjat. Die einst blühende Stadt nahe dem Kernkraftwerk ist eine gespenstische Geisterstadt, eingefroren in der Zeit seit der nuklearen Katastrophe von 1986. Ursprünglich als Vorzeigestadt für die Arbeiter:innen des Kernkraftwerks konzipiert, sollte Prypjat ein modernes und fortschrittliches Wohnkonzept repräsentieren. An ihr kann man die Tragik und das Chaos der Katastrophe nur erahnen.
Nach einigen Stunden inklusive Mittagessen im Hotel/Restaurant, indem man auch übernachten hätte können, war die Tour zu Ende. Bevor wir das Gebiet verlassen durften, gab es wieder einige Kontrollen, damit ja niemand verstrahlte Gegenstände rausschmuggelt. Übrigens: den „Mess-Wettbewerb“ mit den Geigerzählern hatte ich zum Glück verloren.
Nordkorea
Vor rund 20 Jahren war ein kleiner österreichischer Reiseveranstalter gerade dabei eine neue Reisedestination in Asien in das Programm aufzunehmen. Bevor das passiert, besucht üblicherweise jemand vom Reiseveranstalter das Land, sieht sich alles an und lernt die lokalen Reisebedingungen kennen. So bekam Yvette, mittlerweile Reiseexpertin beim ÖAMTC, die Möglichkeit nach Nordkorea zu reisen. Auch 20 Jahre später zählt sie wohl zu einigen wenigen, die das Land von innen gesehen haben – nicht gerade ein Mainstream-Reiseziel.
Ihre Erfahrungen vor Ort beschreibt sie als einzigartig und interessant, aber auch bedrückend. Sie konnte nur mit den ihr zugewiesenen Personen wie dem Chauffeur, dem Reiseleiter und dem lokalen Partner in Kontakt treten und hatte keinen Zugang zur Bevölkerung. Dies führte dazu, dass sie das Gefühl hatte, immer irgendwie unter Beobachtung zu stehen und ihr Aufenthalt stark reglementiert war. Selbst das Verlassen des Hotels war ohne Begleitung nicht möglich. Entspannt war die Reise nicht besonders, weil auf Dinge geachtet werden musste, die zu Hause keine Rolle spielen. Auch wenn es für uns unvorstellbar ist, war es beispielsweise verboten, Tassen auf eine Zeitung stellen, auf der der Machthaber abgebildet war, da dies als respektlos angesehen wurde.
Besonders im Gedächtnis blieb ihr das U-Bahn-Fahren: „Mit den Öffis fahren ist ja eigentlich nicht so aufregend. Aber als wir, sprich die Reisegruppe natürlich in Begleitung unseres offiziellen Nordkorea-Guides, mit der U-Bahn fahren wollten, wurde extra für uns ein eigener Wagon geräumt. Ein ganzer Wagon nur für uns allein. Auch hier, bei so etwas alltäglichem wie die Öffentlichen Verkehrsmittel nutzen gab es keine Chance mit Locals in Kontakt zu kommen. Eine authentische Erfahrung war das nicht, aber dafür sehr einprägsam, ein Eintreten in eine ganz andere Welt“, erzählt Yvette.
Angst hatte Yvette während der Zeit in Nordkorea zwar nicht, aber ständig das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen. Eine Reise in ein so restriktives Land lehrte sie vor allem auch, die Freiheiten zu Hause mehr zu schätzen und sie nicht als selbstverständlich anzusehen. Ein authentisches Bild vom Leben und Alltag in Nordkorea konnte sie sich nicht machen – ein derart abgeschottetes und restriktives Land, lässt das einfach nicht zu.
Eberharter Anna (she/her) ist seit Jänner 2022 beim ÖAMTC im Team der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Ihre Themenschwerpunkte beim Mobilitätsclub sind Reisen und Tourismus sowie Diversität und Inklusion. In ihrer Freizeit setzt sich Eberharter für Feminismus und Gleichstellung ein. Sie ist kunstinteressiert, mag Bücher und Podcasts und hat ein Faible für Zimmerpflanzen.