Trotz Slalom keine Hüttengaudi
0,8 bzw. 1,2 Promille auf dem Scooter sind gar nicht so wild? Falsch. Erfahrungen eines Selbstversuchs mit der "Rauschbrille".
Der Einfluss von Alkohol wird oft unterschätzt – bereits 0,8 Promille verändern unsere Reaktionsfähigkeit und haben Auswirkungen auf unseren Körper. Wir haben unseren freien Autor Philipp Schneider zu uns eingeladen, um genau das auszuprobieren, ohne jedoch einen Tropfen Alkohol zu trinken – er hat die sogenannten “Rauschbrillen” getestet. Soviel vorab: bei der Einladung hat er wohl im Traum nicht daran gedacht, dass er wankend wie ein Käfer auf Gummibeinen, durch die Garage am ÖAMTC-Stützpunkt in Wien Erdberg eiern und verzweifelt versuchen wird, mit einer "Skibrille" auf dem Kopf frech in einen "Slalomhang" einzufahren.

"Rauschbrillen"-Erfahrungsbericht
Von Philipp Schneider
Ich wurde gefragt, ob ich die "Rauschbrille" ausprobieren will? Natürlich, sehr gerne! Die sogenannte "Rauschbrille" sieht aus wie eine Skibrille und simuliert den Zustand unter Alkoholeinfluss. Also machte ich mich nach Erdberg auf.
Nach einer kurzen Erklärung von ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger ging es gleich in die Praxis. Zwei Brillen, die einen Alkoholgehalt von 0,8 bzw. 1,2 Promille im Blut simulieren und dabei hauptsächlich die optischen Einflüsse fühlen lassen, lagen bereit. Das Ziel war, mit einem E-Scooter einen kurzen "Verkehrshütchen-Slalom" zu absolvieren und danach eine Zielbremsung hinzulegen. Die Testrunden ohne Brille funktionierten ganz gut, die Zielbremsungen waren ziemlich genau.
Dann kam die "0,8er-Brille" zum Einsatz – in Österreich entspricht das der Promillegrenze für Rad- und Scooterfahrer:innen. 0,5 Promille sind es bei Autofahrer:innen. "Wird schon halbwegs funktionieren", dachte ich mir. Weit gefehlt. Der erste (und zweite und dritte) Eindruck war viel heftiger als erwartet – das eingeschränkte Sichtfeld, das Gleichgewicht, die Orientierung im Raum. Wo bin ich im Verhältnis zum Scooter, zum Asphalt? Vom aufgebauten Slalom ganz zu schweigen.
"Der schnelle Wechsel von 0,0 auf 0,8 Promille ist für den Körper heftig. An einem feucht-fröhlichen Abend trinkt man sich langsam und kontinuierlich an solche Werte heran. Der Körper hat Zeit, sich bis zu einem gewissen Grad an den Alkohol zu gewöhnen. Deshalb bemerkt man oft nicht, in welchem Zustand man sich wirklich befindet und schätzt die Situation falsch ein", erklärt Seidenberger. "Von Nüchtern auf 0,8 ist also der Gap viel größer. Du merkst sofort, dass du kaum mehr fahren kannst. Auf dieses Schockerlebnis setzen wir beim Einsatz der Rauschbrille, nicht zuletzt in der Zusammenarbeit mit Schulen und jungen Menschen."
0,8 Promille: Eher Glückssache
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase versuchte ich mich doch ganz vorsichtig an dem Slalom. Die eine oder andere (eher eine) Kurve gelang, ohne ein Hütchen zu berühren, aber es war mehr Glückssache als kontrolliertes Fahren. Mit einem ganz langsamen "Stehenbleiben, Anschieben, durch die Kurve gehen, Anschieben, Stehenbleiben…" kam ich zwar durch den Slalom, aber für eine sinnvolle Zielbremsung fehlte dann der Schwung. Nein, so konnte ich kein sicherer Verkehrsteilnehmer sein.

1,2 Promille: Jetzt geht gar nichts mehr
Vor der "1,2er-Brille" hatte ich jetzt doch ein bisschen Angst. Und es ging wirklich fast gar nichts mehr. 20 bis 30 Sekunden, bis ich überhaupt meine Fahrposition auf dem Scooter eingenommen hatte. Ganz vorsichtiges Geradeausfahren mit großem Sicherheitsabstand zur seitlichen Mauer. Den kurzfristig etwas lauteren Anweisungen von Marion zufolge dürfte dieser gefühlt große Sicherheitsabstand gar nicht so groß gewesen sein. Dann habe ich doch noch versucht, in den Slalom einzufahren. Eine Sekunde später spürte ich ein Hütchen umfallen.
Ok, Abbruch.
Es war sehr spannend und lehrreich, aber auch nach einer zweistündigen intensiven Sporteinheit fühle ich mich nicht weniger erschöpft.
Zum Abschluss durfte ich noch versuchen, mit der "1,2er-Brille" kleine Schaumstofffiguren zu fangen. Jetzt wusste ich schon, wie schwer das wird. Aber ich muss alles probieren, dachte sich der Sportler in mir. Oberkörper und Unterarme einsetzen, um das Teil zu verlangsamen und es irgendwie in die Hände gleiten zu lassen. Aber keine Chance, drei Fehlversuche. Zumindest ohne Brille gelang die Aufgabe dann.
Mein Resümee
Obwohl mir klar war, dass es eine intensive Erfahrung werden würde, habe ich die "Rauschbrille" bzw. ihre Auswirkungen und Einschränkungen unterschätzt. Und natürlich: Don’t drink and drive!
Die Tendenz geht in Österreich schon in die richtige Richtung (die Fakten - weiter unten - sprechen für sich), aber jeder Unfall ist einer zu viel!
Auf dieses Schockerlebnis setzen wir beim Einsatz der Rauschbrille, nicht zuletzt in der Zusammenarbeit mit Schulen und jungen Menschen.
Österreich und Alkohol
- 15 Prozent der Österreicher:innen (19 Prozent Männer/11 Prozent Frauen) konsumieren Alkohol in einem Ausmaß, das zumindest längerfristig als gesundheitsschädigend betrachtet werden kann.
- Durchschnittlicher Alkoholkonsum in Österreich (Bevölkerung ab 15 Jahren): 11,4 Liter Reinalkohol pro Jahr/24,7 Gramm Alkohol pro Tag – das ist etwas mehr als 0,5 Liter Bier pro Tag.
- Die Hauptdiagnose "Alkoholabhängigkeit" bei stationären Spitalsbehandlungen ist seit zehn Jahren konstant rückläufig.
- Chronische Lebererkrankungen in einem längerfristigen Trend sind ebenso rückläufig.
- Konsum- und Rauscherfahrungen mit Alkohol unter Schüler:innen haben seit Beginn der 2000er-Jahre deutlich abgenommen.
- Das Alkoholkonsumverhalten in Österreich bewegt sich in Richtung Mäßigung (von einem hohen Niveau weg betrachtet), die mit Alkohol verbundenen negativen Auswirkungen werden tendenziell geringer.
(Quelle: Statistik Austria)
Alkohol und Straßenverkehr
- 2022 waren acht Prozent aller Straßenverkehrsunfälle alkoholassoziierte Unfälle. Das entspricht dem höchsten Anteil seit Beginn der digitalen Aufzeichnungen (1992).
- Der Großteil, nämlich 85 Prozent aller alkoholisierten Unfallbeteiligten waren 2022 männlich.
- 77 Prozent der alkoholisierten Lenkenden mit gemessenen Alkoholwerten waren zum Unfallzeitpunkt mit einem Blutalkoholwert von mehr als einem Promille unterwegs, 16 Prozent sogar mit mehr als zwei Promille.
- Alkoholassoziierte Unfälle im Straßenverkehr sind im Monat Juli am häufigsten, tendenziell sind sie in den Sommermonaten häufiger.
- 58,6 Prozent der alkoholassoziierten Unfälle mit Personenschaden im Straßenverkehr betreffen Pkw.
- 23 Prozent der alkoholassoziierten Unfälle mit Personenschaden im Straßenverkehr betreffen die Kategorie "Fahrrad" – darin sind auch (derzeit noch) Scooter und E-Bikes enthalten.
- Junge Menschen sind am häufigsten bei alkoholassoziierten Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligt: auf Platz eins im Jahr 2021 liegt die Kategorie "20 bis 24 Jahre" (314), gefolgt von "25 bis 29 Jahre" (270) und "30 bis 34 Jahre" (264).
(Quelle: Statistik Austria)
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