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Wer bremst, gewinnt!


Wie Kinder im Verkehrssicherheitsprogramm "Hallo Auto" alles rund um den Anhalteweg lernen.

Hand auf's Herz, wer kann schon – ohne nachschauen zu müssen – im Kopf ausrechnen, wie lange der Anhalteweg, der Reaktionsweg, oder der Bremsweg bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten ist? Sicherlich finden sich ein paar wenige Personen, die das auswendig wissen. Aber die Theorie ist das eine, die Meterangaben im Straßenverkehr richtig einzuschätzen nochmal was ganz anderes.

Immerhin wissen die meisten Erwachsenen, dass Autos nicht "einfach anhalten" können. Es vergehen Sekunden, in denen das Auto weiterhin Weg zurücklegt, bis es tatsächlich zum Stehen kommt. Für Kinder im Volksschulalter ist das mit dem Brems-, Reaktions- und Anhalteweg oftmals nicht so leicht nachzuvollziehen. Kurz gesagt: Ihnen fehlen altersbedingt dazu das Wissen und die Erfahrung. Um dem entgegenzuwirken, leistet der Mobilitätsclub seit fast vierzig Jahren mit dem Angebot "Hallo Auto", das er in Kooperation mit der AUVA bundesweit durchführt, einen aktiven Beitrag zur Verkehrssicherheit. Das Programm richtet sich an Kinder der 3. und 4. Schulstufe und bringt Ihnen alles Wichtige rund um den Anhalteweg näher.

Auf dem Bild sieht man ein schwarzes Auto. Es steht auf einer Betonfläche vor einem grünen Zaun. Das Auto hat ein weißes Nummernschild, mit Salzburger Kennzeichen. Links im Hintergrund sieht man ein rundes Gebäude. In der Glasfassade spiegelt sich der blaue wolkenhimmel. Am grünen Zaun ist ein gelbes Transparent befestigt auf dem Hallo Auto und Eingang gedruckt ist.
- In speziell umgebauten Hybrid-Fahrzeugen dürfen Kinder selbst auf die Bremse steigen., © ÖAMTC/Mikes

Lokalaugenschein

Meine Volksschulzeit ist zwar schon etwas her, aber ich bin ein neugieriger Mensch, und wollte mir mal anschauen, wie das eigentlich genau abläuft. Wie bringt man Kindern dieses wichtige Thema wirkungsvoll und kindgerecht nahe? Und kann ich als Erwachsener bei einem Kurs für Kinder vielleicht auch noch was lernen? Das alles veranlasste mich dazu, mich mal einer Volksschulklasse anzuschließen und sie beim Programm "Hallo Auto" zu begleiten. Und vielleicht kann ich gleichzeitig auch mein Wissen rund um die Verkehrssicherheit etwas auffrischen?

Warum sind wir hier?

Noch bevor es losgeht, merkt man, dass die Klasse unruhig ist. Offenbar wissen die Kinder nicht ganz, was sie erwartet, und so richten sich ein halbes Dutzend von ihnen noch vor Beginn des Verkehrssicherheitsprogramms mit der Frage an mich, ob Sie heute auch Auto fahren dürfen. Mit einem Schmunzeln weise ich sie daraufhin, dass sie später – wenn sie möchten - tatsächlich in einem fahrenden Auto sitzen werden und selbst bremsen dürfen. Viel mehr kann ich ihnen aber auch nicht verraten – ich bin schließlich selbst neugierig und gespannt, was uns hier alles erwartet.

Bevor sich die Spannung ins Unermessliche zieht, geht’s dann auch schon los. Die Instruktorin des heutigen "Hallo Auto"-Termins heißt Verena. Sie strahlt von Anfang an eine Souveränität und Ruhe aus, die mitunter auch dringend notwendig ist, um die Nervosität der Kinder (und meine eigene) etwas zu zügeln. Zu Beginn fragt Verena in die muntere Runde, ob denn alle wissen, warum sie hier sind. Erstaunt stelle ich fest, dass viele schon ganz gut Bescheid wissen. Ein Mädchen bringt sogar den Begriff "Verkehrssicherheit" ins Spiel. "Hut ab!", denke ich mir. In dem Alter konnte ich mit dem Begriff "Verkehrssicherheit" vermutlich noch nichts anfangen.

1Auf dem Bild sieht man zwei Reihen Kinder, die eine Asphaltierte Fahrbahn flankieren. Die Kinder sind bunt gekleidet. Auf der Fahrbahn steht eine Frau mit schwarzer Hose und weißem T-Shirt. Sie erklärt den Kindern etwas. Vor jedem Kind steht ein kleiner orange-weiß gestreifter Verkehrskegel.
2Auf dem Bild sieht man ein Mädchen von hinten. Das Mädchen hat einen Zopf und trägt einen schwarz-weiß gestreiften Pulli. Über ihrem Kopf schwingt sie eine schwar-weiß karrierte Fahne. Sie steht am Rand einer asphaltierten Fahrbahn. Im Hintergrund kann man ein schwarzes Auto erkennen. Seitlich der Fahrbahn sitzen noch andere Kinder.
3Auf dem Bild sieht man zwei Kinder, die schnell eine Fahrbahn entlanglaufen. Im Hintergrund steht eine Frau mit erhobenem Arm. Die Fahrbahn ist von einem grünen Zaun begrenzt. Am Ende der Fahrbahn steht eine Reihe orangener Verkehrskegel. Am Rand der Fahrbahn steht ein orange-weiß gestreifter Verkehrskegel.
  •   - Neben sehr viel Praxis gibt es auch ein wenig Theorie für die Kinder., © ÖAMTC/Daucher
  •   - Auf die Plätze, fertig, los - Bremsversuche der Kinder., © ÖAMTC/Daucher
  •   - Wie lang ist mein eigener Bremsweg beim Laufen?, © ÖAMTC/Daucher

Wer bremst, gewinnt

Weiter im Programm: Der nächste Punkt ist ein Rennen, aber kein Wettrennen, wie Verena zu betonen weiß. Die Kinder sollen nacheinander so schnell sie können über eine weiße Linie rennen und ab dieser so schnell wie möglich bremsen und stehen bleiben. Leichter gesagt als getan. Viele bremsen schon viel früher ab, sodass sie quasi genau auf der weißen Linie zum Stehen kommen. "Moment! So war das eigentlich nicht gedacht", denke ich mir.

Aber Verena kennt das Spiel und lässt die Kleinen erneut laufen. Diesmal aber mit dem feinen Unterschied: Die weiße Linie einfach vergessen – Verena hat jetzt nämlich eine Zielfahne, wie man sie aus der Formel 1 kennt. Sobald sie die Fahne senkt, sollen die Kinder versuchen stehen zu bleiben. Und siehe da! Die Kinder kommen erst Meter später zum Halt. Zufall? Ich denke nicht!

Das unmittelbare Erlebnis aus allen Perspektiven bleibt den Volksschulkindern gut in Erinnerung.
Verena, Instruktorin

Hallo Auto!

Im Anschluss kommt auch schon das Auto ins Spiel. Verena wird die Strecke nun mit dem Auto zurücklegen, und mit dem Signal der Fahne, welches diesmal die Lehrerin gibt, eine Vollbremsung machen. Davor sollen die Kinder jedoch noch mit kleinen Warnhütchen am Streckenrand jeweils die Stelle markieren, wo sie glauben, dass das Auto zum Stehen kommt. Nicht wenige Kinder stellen ihr Hütchen noch vor ihre eigene Bremsposition von vorhin, wenige Zentimeter hinter der weißen Linie und sind sich trotzdem sicher, dass sie das exakt berechnet haben. Nachdem das Auto dann losgefahren ist und bremst, stellt sich aber schnell Ernüchterung und gleichzeitig ein ehrfürchtiges Staunen ein. Das Auto ist sicher um rund 10 Meter an den meisten Hütchen vorbeigerauscht. Das "Experiment" macht also deutlich, wie sehr das Empfinden von Kindern in diesem Alter teilweise von der Realität abweicht.

Aber nun wissen die Kleinen Bescheid und Verena ruft sie für eine "Revanche" zusammen. Sie fährt die gleiche Strecke nochmal, diesmal aber bei nasser Fahrbahn und jedes Kind darf wieder sein Hütchen an der vermuteten Bremsposition platzieren. Gesagt, getan. Diesmal wissen die Kinder scheinbar, wo das Auto stehen bleiben wird und verschieben fleißig ihre Hütchen. Doch auch beim zweiten Durchgang rauscht das Auto an den meisten Hütchen vorbei. Ganze 23 Meter braucht das Auto, bis es stehen bleibt, und das bei gerade einmal rund 50 km/h. Verena, die Lehrerin und ich blicken in große Augen und offene Münder. Genau das ist meiner Meinung nach das Geniale an diesem Programm. Hier erfahren Kinder realitätsnah mit eigenen Augen, wie schwer es für Autofahrer:innen im Straßenverkehr in einer spontanen Situation zeitgerecht stehenbleiben zu können.

Auf dem Bild sind man eine Gruppe Volksschulkinder. Sie stehen, sitzen und liegen rund um ein schwarzes Auto. Auf der Motorhaube des Autos steht in weißer Schrift Hallo Auto. Die Kinder schauen in die Kamera und lachen. Auch zwei erwachsene Begleiterinnen sind zu sehen. Im Hintergrund kannn man eine grüne Böschung, einen grünen Zaun, sowie eine Brücke aus Beton erkennen. Das Auto steht auf eines aspahltierten Straße.Vor hellen Wohncontainern.
- Alle hatten viel Spaß., © ÖAMTC/Daucher

Wer nicht glauben will, darf fühlen

Natürlich gibt es trotzdem noch das ein oder andere Kind, das mit einem Schmunzeln behauptet, das Auto hätte ja "nicht g'scheid gebremst". Doch auch dafür ist Verena gewappnet und setzt die jungen Zweifler:innen kurzerhand selbst ins Auto. Da das Fahrzeug speziell umgebaut ist, können die Kinder die Bremse vom Beifahrersitz aus selbst betätigen. Das Signal zum Bremsen via Fahne gibt jeweils ein anderes Kind, sodass das Kind im Fahrzeug vorher nicht weiß, wann genau es bremsen soll.

Spätestens nach diesem "Spielchen" ist die ganze Klasse davon überzeugt: Ein Auto kann nicht einfach Anhalten. Es braucht Zeit bis die Lenker:innen reagieren und damit Meter, bis es wirklich zum absoluten Stillstand kommt. Verena fragt noch einmal abschließend in die Runde, was sie zukünftig beim Überqueren einer Straße tun werden. Fast schon im Chor kommt die Antwort zurück "Links-Rechts-Links schauen" und "Lieber warten, bis kein Auto mehr in Reichweite ist". Auch ich habe noch einmal gemerkt, wie trügerisch das eigene Gefühl für Entfernungen und Bremswegen sein kann – und dass man im Straßenverkehr lieber einmal mehr auf Nummer sicher geht. Am Ende des Tages gehen die Kinder mit einer wertvollen Erkenntnis nach Hause: Wer bremst, gewinnt – nämlich an Sicherheit. Und vielleicht wird ihnen dieses Erlebnis in Zukunft helfen, gefährliche Situationen frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden.

Ein Verkehrssicherheitsprogramm von vielen

Verkehrssicherheit ist vielschichtig und kann nicht mit einem Programm für alle abgedeckt werden. Um bei Kindern und Jugendlichen sukzessive ein größeres Bewusstsein für Verkehrssicherheit zu schaffen, hat der Mobilitätsclub neben "Hallo Auto" noch einige weitere Mobilitätsprogramme ins Leben gerufen. Erst vor kurzem feierte zum Beispiel das Verkehrssicherheitsprogramm "das kleine Straßen 1x1", das sich an Kinder im verpflichtenden Kindergartenjahr richtet, in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland sein 10-jähriges Jubiläum. Insgesamt haben österreichweit bereits mehr als 200.000 Kinder an dem Programm teilgenommen. Darüber hinaus bietet der ÖAMTC Programme wie beispielsweise "Blick und Klick", "Top Rider", "Fahrphysik erleben" an, bei denen allesamt spielerisch und altersgerecht die Verkehrssicherheit trainiert wird.

"Hallo Auto", die gemeinsame Aktion von ÖAMTC und AUVA leistet in allen Bundesländern einen wichtigen Beitrag, die Sicherheit der Kinder am Schulweg zu erhöhen und ihr Bewusstsein für die im Straßenverkehr lauernden Gefahren nachhaltig zu schärfen.

Info: Interessierte Lehrkräfte, die ihre Klasse gerne beim "Hallo Auto" anmelden möchten, können sich jetzt einen der begehrten Herbsttermine sichern!

Weitere Infos sowie Anmeldemöglichkeit unter: www.oeamtc.at/verkehrserziehung

Eine Aktion von AUVA und ÖAMTC
Eine Aktion von AUVA und ÖAMTC -  , © ÖAMTC
Max Daucher.jpg

Max Daucher ist gebürtiger Bayer und seit April 2024 beim ÖAMTC in der Öffentlichkeitsarbeit u.a. für die Fahrtechnik tätig. Besonderen Gefallen findet er daran diverse Sportevents in geselliger Runde anzuschauen. Den konträren kulturellen Ausgleich dazu sucht er in der Kunst, beim Malen, Lesen oder in Museumsbesuchen.