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Risiko Freilandstraße: Einfach unterschätzt

Acht von zehn Clubmitgliedern sehen im Wildwechsel die größte Gefahr auf Freilandstraßen – Bäume dicht am Straßenrand werden hingegen unterschätzt.

Kurvenspaß, Naturerlebnis, Freiheitsgefühl – Freilandstraßen bedeuten für viele Auto- und Motorradfahrer pures Fahrvergnügen. Dabei verunglückten im letzten Jahr zwei Drittel der Verkehrstoten auf Freilandstraßen – auf Autobahnen deutlich weniger, trotz der höheren Geschwindigkeit. Der ÖAMTC hat bezugnehmend auf diese Thematik eine repräsentative Umfrage unter 1.500 seiner Mitglieder durchgeführt um heraus zu finden, welche Situationen aus Sicht der Verkehrsteilnehmer als „Gefahr“ auf Freilandstraßen wahrgenommen und welche Maßnahmen für eine Verbesserung der Verkehrssicherheit auf diesen Straßen als zielführend angesehen werden. Dabei wurde auch zwischen Auto- und Motorradfahrenden differenziert um Unterschiede herausfiltern zu können.

Risiko Freilandstraße?

62% der in den vergangenen fünf Jahren auf Österreichs Straßen tödlich verunglückten Personen starben auf Freilandstraßen. Jährlich sind das rd. 272 Getötete. Der Großteil davon entfällt mit über 40% auf Landesstraßen B (ehemalige Bundesstraßen). Ein höheres Risikopotential ist nicht von der Hand zu weisen und hat dabei verschiedene Ursachen. Hierbei können beispielsweise die Heterogenität der Verkehrsteilnehmergruppen sowie deren unterschiedliches Geschwindigkeitsniveau genannt werden. Weitere Risikopotentiale bestehen durch wechselnde Fahrbahnoberflächen bzw. –qualitäten, oftmals schlechtsichtbare Bodenmarkierungen, verschmutze Fahrbahnen, Gegenverkehr, schlechte bzw. fehlende Überholmöglichkeiten, unübersichtliche Kreuzungen sowie ungeschützte Hindernisse wie Bäume und Masten direkt angrenzend an die Fahrbahn. 

Welche Freilandstraßenelemente nehmen Lenker als „gefährlich“ wahr?

Fahrten auf Freilandstraßen, so sie nicht nur als nötige „Überbrückungsfahrt“ zur Autobahn erledigt werden müssen, sind im Vergleich zu Fahrten in stark verbauten Orts- oder Stadtgebieten oder auf Autobahnen des Öfteren „Genussfahrten“, besitzen häufig einen gewissen Erlebnischarakter und dienen mitunter auch dem Fahrvergnügen.


Gemäß der durchgeführten Befragung empfinden 64% der Befragten das Autofahren auf Freilandstraßen als Vergnügen. Für 68% dieser liegt das Vergnügen im durchgängigen Fahren, 63% genießen gerne die Landschaft. Fast gleichauf liegen „gemütliches“ (44%) und „zügiges“ (40%) Fahren. Zum Vergleich: 80% der Motorradfahrer haben Spaß auf der Landstraße. 85% genießen besonders das Kurven fahren, 73% genießen gerne die Freilandstraße.

Worin liegt das Fahrvergnügen mit dem Pkw auf Freilandstraßen? ÖAMTC

Worin liegt das Fahrvergnügen mit dem Motorrad auf Freilandstraßen? ÖAMTC © ÖAMTC

Neben dem „Wohlbefinden“ beim Befahren von Freilandstraßen nimmt die Wahrnehmung der Gefahren eine bestimmende Rolle ein. 8 von 10 (80%) der Befragten, die mit dem Auto auf Freilandstraßen unterwegs sind, halten Wildwechsel für gefährlich. Es folgen desolate Fahrbahnoberflächen (63%) und verschmutzte Fahrbahnen (61%). Ebenfalls noch mehr als jeder Zweite nannte unübersichtliche Kreuzungen (54%) als Gefahr. Bei den Motorradfahrenden zeigt sich ein ähnliches Bild – nur mit einer noch stärkeren Fokussierung auf verschmutzte und desolate Fahrbahnen (90% bzw. 81%).

Welche Gegebenheiten auf Freilandstraßen werden aus Sicht von Pkw-Lenkern als "gefährlich" angesehen? ÖAMTC

Welche Gegebenheiten auf Freilandstraßen werden aus Sicht von Motorrad-Lenkern als "gefährlich" angesehen? ÖAMTC © ÖAMTC

Interessant ist zudem, dass dem Thema Baum wenig bis kaum Gefahrenpotential zugestimmt wird. Lediglich 26% der Befragten gaben an Bäume dicht am Fahrbahnrand als gefährlich wahrzunehmen, gar nur 7% Alleen. Bei den Motorradfahrenden nannten ebenfalls nur 34% Bäume am Fahrbahnrand sowie 11% Alleen als Gefahr.

Aber warum werden Bäume und Alleen nicht als Gefahr wahrgenommen? Gemäß einer Untersuchung des GDV (Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) beeinflussen Bäume am Straßenrand – neben einer Reihe weiterer landschaftlicher Rahmenbedingungen – das Bild einer Freilandstraße positiv. Die Präsenz von Bäumen steigert das emotionale Wohlbefinden beim Fahren auf Freilandstraßen etwa gleich viel wie gute Straßenoberflächen oder optimale Straßenzustände. Gründe für das Unterschätzen der „Gefahr“ durch Bäume können dabei folgende sein:

  • Fehlende Überraschungskomponente: Der oft zitierte Spruch „Bäume springen nicht auf die Fahrbahn!“ ist für viele Verkehrsteilnehmer Realität. Lenker fürchten viel eher Unvorhersehbares wie Glatteis, Wildwechsel oder verschmutzte Fahrbahnen. 
  • Selbstverständlichkeit baumgesäumter Straßen: Lenker sind an Bäume gewöhnt und nehmen diese als selbstverständlich an. Zudem fehlt die Vorstellung über die Festigkeit und Unverformbarkeit von solchen Baumstämmen. 
  • Positive emotionale Beziehung zu Bäumen/Wäldern: Mögliche negative Aspekte, wie fehlender Sturz- oder Ausrollraum durch Baumgruppen oder Alleen werden leicht ausgeblendet und bei einer Risikoabwägung kaum berücksichtigt. 


Rund ein Drittel aller Freilandstraßenunfälle entfallen auf Abkommensunfälle, wo ein möglicher Objektanprall (bspw. an Bäume, Mauern, Masten, etc.) schwerwiegende Folgen haben kann. Dies weist deutlich auf das fehlende Bewusstsein vor den "Gefahren" von Bäumen am Straßenrand hin. Gefährliche, seitliche Hindernisse gehören abgesichert – das heißt jedoch nicht, dass man etwa Bäume fällen soll. Bestehende Objekte in Gefahrenbereichen bedürfen entsprechender Sicherheitsmaßnahmen. Neupflanzungen von Bäumen am Fahrbahnrand sollten vermieden und in sichereren Bereichen stattfinden.

Herabsetzung des generellen Tempolimits nicht erwünscht

Im Zuge der Befragung wurde auch abgefragt, welche Maßnahmen zur Hebung der Verkehrssicherheit auf Freilandstraßen mit Potential angesehen werden. Je drei von vier Autofahrern halten bessere Straßenbeläge (78%) bzw. saubere Fahrbahnen (76%) als sehr oder eher geeignet, um die Sicherheit auf Freilandstraßen zu erhöhen. Als ebenfalls sehr geeignete Maßnahme werden „Kriech- oder Ausweichspuren“ bei Steigungsstrecken (67%) sowie mehr und besser erkennbare Mittel- und Randmarkierungen auf schmäleren Strecken (56%) erachtet.
Als am wenigsten zielführend wird dabei das Herabsetzen des generellen Tempolimits (von 100 km/h auf bspw. 80 km/h) betrachtet – 71% halten das für eher nicht oder gar nicht zielführend. Auch Büsche am Fahrbahnrand werden als wenig effizient wahrgenommen (64% halten das für eher nicht oder gar nicht sinnvoll).

Welche Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit werden als zielführend erachtet? ÖAMTC

Die bereits erwähnte positive Einstellung zu Bäumen und Alleen führt folglich auch dazu, dass das Entfernen von Bäumen, selbst wenn diese unmittelbar am Fahrbahnrand stehen, keine große Zustimmung findet. Denn gerade ein Befahren von Freilandstraßen wird vermutlich in einem sehr heißen Sommer, durch die natürliche Baumbeschattung als vorteilhaft, weil angenehmer und kühler betrachtet – auch kann man dabei auch eine Art „Urlaubsgefühl“ empfinden.

Die gefühlsbetonte Beziehung zu Bäumen und Alleen beeinflusst dabei auch die Akzeptanz von Sicherheitsmaßnahmen. Ähnlich verhält es sich mit einem Mehr an Leitschienen entlang von Freilandstraßen. Folge dessen kann unterstellt werden, dass emotionale Faktoren eine realitätsnahe Einschätzung der mit Bäumen am Straßenrand verbundenen Gefahren verhindern. Auch dadurch kann ein Eindruck an „Absicherung/Sicherheit“ ausgelöst werden, der unbewusst einen anderen Fahrstil nach sich zieht. Die Antworten der Befragungsteilnehmer zeigten ebenso deutlich, dass Überwachungsmaßnahmen unter Verkehrsteilnehmern nicht zu den bevorzugten Instrumenten zur Hebung der Verkehrssicherheit gehören – eine generelle Herabsetzung der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf Freilandstraßen wird durch die Befragten als am wirkungslosesten angesehen.

Resümee und Empfehlungen

Die Umfrage zeigt ganz deutlich, das Verkehrsteilnehmer vor allem „Unvorhersehbares“ wie Wildwechsel oder verschmutzte Fahrbahnen als gefährlich und Berechenbares wie Bäume, Steigungsstrecken, Serpentinen oder Ampelkreuzungen als ungefährlich einstufen.

Es gilt daher ein verstärktes Bewusstsein zu schaffen für das verantwortungsvolle und risikobewusste Fahren aller Verkehrsteilnehmer. Gerade im Freilandbereich werden Risiken leicht ausgeblendet und infrastrukturelle Aspekte offensichtlich unterschätzt. Wichtig ist eine höhere Regelakzeptanz und der Hinweis, dass die Geschwindigkeit stets den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen ist und auch deutlich unter der erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegen kann.
Der Großteil der Verkehrsunfälle erfolgt aufgrund von menschlichen Fehlern wie Unachtsamkeit, nicht angepasste Geschwindigkeit sowie Müdigkeit und andere Beeinträchtigungen. Es können aber auch schlechte Fahrbahnverhältnisse (Glätte, Nässe) oder unstetige Linienführung Hauptursache für Unfälle sein. Auch bei ausreichender Fahrerfahrung und voller Fahrtüchtigkeit lassen sich Fahrfehler nicht gänzlich ausschließen. Deshalb sollte eine Straßenanlage möglichst so beschaffen sein, dass Fahrfehler keine schwerwiegenden Folgen haben und die „Gefahren“ auf ein Minimum reduziert werden können (Prinzip der „fehlerverzeihenden Straße“).
In den Fokus der Straßenerhalter müssen daher vor allem der Zustand sowie die Ausstattung der Straßen rücken. Die entsprechende Erhaltung und laufende Sicherheitsüberprüfung der Fahrbahnen im Freilandstraßennetz sollte stärkere Berücksichtigung bekommen. Die Kontrolle und Verbesserung der Fahrbahngriffigkeit kann, insbesondere bei Nässe, das Risiko für Schleudern von Fahrzeugen und damit für Abkommensunfälle (mit eventuellem Objektanprall) verringern. Ebenso wichtig ist die Anbringung bzw. Erneuerung von Bodenmarkierungen, um die optische Linienführung zu verbessern. Gerade bei Dunkelheit oder schlechten Witterungsverhältnissen helfen diese die Spur zu halten und den Straßenverlauf besser vorauszusehen.

Als Nutzer von Freilandstraßen muss man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Zudem kann jeder Einzelne sehr viel zur Eigen- und Fremdsicherheit beitragen – im Speziellen durch eine verstärkte Übernahme von Eigenverantwortung, das Unterlassen von fahrfremden Nebentätigkeiten, die bewusste Wahl einer defensiverer Fahrweise sowie mehr Geduld und Rücksicht gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern.

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