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Offener Brief der Mobilitätsclubs ÖAMTC und ARBÖ

Mobilität erhalten, Leistbarkeit sicherstellen.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Gewessler!
Sehr geehrter Herr Bundesminister Brunner!

das Nachrichtenmagazin „Profil“ hat in der Ausgabe vom 14. Mai 2023 unter dem Titel „Wenn das Klima rauer wird“ über die Verhandlungen Ihrer Ministerien zur Neuauflage des Nationalen Energie- und Klima-Plan (NEKP) berichtet. Dieser muss bis 30. Juni 2023 an die EU-Kommission gemeldet werden. Konkret werden in dem profil-Artikel Vorhaben des BMK beschrieben, die – soweit sie bewertet werden können – aus unserer Sicht in drei Kategorien einzuteilen sind.

Kategorie eins beinhaltet Vorschläge, die nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Darunter fällt das Vorziehen des Neuzulassungsverbots für Pkw mit Verbrennungsmotor auf 2027: Nationale Alleingänge sind hier prinzipiell ausgeschlossen, denn das gesamte Typengenehmigungsrecht fällt in die Kompetenz der EU.

In Kategorie zwei sehen wir Maßnahmen gebündelt, die kaum Auswirkungen auf den tatsächlichen CO2-Ausstoß des Verkehrs haben, sondern eher eine verkehrspolitische Agenda bedienen. Denn ein Tempolimit von 90 km/h auf Landstraßen und generell Tempo 30 auf Nebenstraßen im Ortsgebiet, die Verstärkung der Parkraum-Bewirtschaftung, die Einführung von City-Mauten sowie autofreie Innenstädte bringen nachweislich kaum messbare Effekte. Ebenso ist der Vorschlag eines autofreien Tages pro Monat in allen größeren Städten zu bewerten, wie vergleichbare Experimente (in Österreich und im Ausland) zeigen.

Kategorie drei umfasst schließlich Maßnahmen, die zu massiven Kostensteigerungen für mobile Menschen führen, ohne den CO2-Ausstoß des Verkehrs unmittelbar zu reduzieren. So soll die CO2-Bepreisung auf Benzin und Diesel brutto von derzeit rund 9 bis 10 Cent je Liter (≈ € 32,5 pro t CO2) im Jahr 2025 auf 33 bis 36 Cent je Liter (≈ € 120 pro t CO2) und im Jahr 2030 auf 65 bis 72 Cent je Liter (≈ € 240 pro t CO2) steigen. Das entspricht in etwa einer Verdoppelung der derzeitigen Kraftstoff-Besteuerung” und wird insbesondere jene treffen, die sich den Umstieg auf Elektromobilität kurzfristig nicht leisten können und denen nach wie vor keine brauchbaren Alternativen zur Verfügung stehen.

Mobilität erhalten, Leistbarkeit sicherstellen!

Als Mobilitätsclubs vertreten wir mehr als 3,7 Millionen Mitglieder. In ihrem Namen lehnen wir diese unreflektierten Vorschläge zur Einschränkung der Mobilität von Millionen Menschen in Österreich entschieden ab! Wir fordern Sie auf, bei der Erstellung des NEKP den Fokus auf wirksame Maßnahmen zu legen, die klar zur Erreichung der Klimaziele beitragen, die Mobilität der Menschen erhalten und gleichzeitig die Leistbarkeit gewährleisten.

Einmal mehr fordern wir:

  • Eine deutlich höhere Beimengungsquote von alternativen Kraftstoffen, insbesondere für die Bestandsflotte. Das bedeutet konkret: Bis E-Fuels in entsprechendem Ausmaß zur Verfügung stehen, muss der Bio-Anteil im Kraftstoff nach dem Vorbild der bisherigen Politik Schwedens konsequent erhöht werden. Eine damit verbundene, allfällige Kosten-Erhöhung für Konsument:innen ist mit einer intelligenten Steuer-Politik abzufedern.
  • Beschleunigter Roll-Out von E-Mobilität: Neben dem Ausbau des Ladenetzes (Versorgungsgarantie in einer gewissen geographischen Dichte) umfasst das Betätigungsfeld für die Politik hier die längst überfällige Einführung einer verpflichtenden kWh-Abrechnung, die Einführung einer Roaming-Regulierung für das Laden in Fremdnetzen, die Etablierung von strengeren Hersteller-Angaben, beispielsweise hinsichtlich Winter-Reichweiten oder das Setzen von Regeln für Batteriehersteller, die den Tausch einzelner Komponenten erlauben, statt zu einem teuren Batterie-Kompletttausch zu zwingen.
  • Schaffung eines flächendeckenden Mikro-ÖV-Angebots: Entscheidend für die Entwicklung von Mobilitäts-Alternativen im ländlichen Raum ist die Schaffung von Mikro-ÖV – egal, ob Gemeindebusse, Ruf- oder öffentliche Sammeltaxis. Dafür braucht es eine Reform des öffentlichen Vergabewesens in diesem Bereich zur Erhöhung des Wettbewerbs, mehr Flexibilität und eine Abrechnung nach Anzahl der transportierten Personen. Auch hier hat die Politik ein breites Betätigungsfeld.
  • Das Mitfahren forcieren: Die Anhebung der Gewerblichkeitsgrenze für das Mitnehmen eines Fahrgastes soll laut Regierungsprogramm von 5 auf 25 Cent je Kilometer erhöht werden. Die Regierung ist hier bis heute säumig. Weitere Anreize, wie die steuerfreie Unterstützung von Pendler:innen, die auf Fahrgemeinschaften setzen, sind möglich und wären rasch zu schaffen. 

Es ist ein Faktum, dass nur wirksame Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei gleichzeitigem Erhalt von Mobilität und deren Leistbarkeit die Akzeptanz der Klimaziele in der Bevölkerung sicherstellen werden. Bloße zusätzliche Kostenbelastungen werden hingegen nicht nur zu verstärkter Inflation, sondern auch zu Widerstand gegen diese Form der Klimapolitik führen. Zudem ist eine wirksame Reduktion des Treibhausgas-Ausstoßes im Verkehrsbereich das einzige Mittel, das einen exorbitanten Anstieg des CO2-Preises im neuen separaten Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr (ETS II), der laut einer Studie des deutschen MCC-Institutes zu befürchten ist, abwenden kann (siehe Kurier vom 18. Mai 2023).

Um die Interessen der Betroffenen wirksam vertreten zu können, fordern ARBÖ und ÖAMTC als die größten Mitgliederorganisationen im Mobilitätsbereich sowohl die direkte Einbindung in die Verhandlungen über die NEKP-Maßnahmen im Verkehrsbereich als auch in jene zur konkreten Umsetzung des ETS II-Regimes in Österreich, die – dem Vernehmen nach – in Brüssel bereits begonnen haben.

In Erwartung einer positiven Rückmeldung verbleiben wir
mit freundlichen Grüßen

DI Oliver Schmerold
ÖAMTC Direktor

Mag. Gerald Kumnig
ARBÖ Generalsekretär

ÖAMTC Stützpunkt