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April 2023

Wir sind bereit, sagt BMW

Mit einer Testflotte von rund einhundert iX5 Hydrogen will BMW weltweit Erfahrungen mit dem Brennstoffzellenantrieb gewinnen, berichtet Maria Brandl

Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen", sagt Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender der BMW AG. "Wir sind bereit."

Er sieht darin eine wichtige Ergänzung zur Batterie. Die Bayern arbeiten auf diesem Gebiet seit 2013 mit Toyota zusammen, von den Japanern stammen die Brennstoffzellen für den iX5 Hydrogen. Die anderen Komponenten des Antriebs kommen von BMW. Wichtige Teile wie etwa der Ladeluftkühler, Luftfilter oder Steuergeräte und Sensorik sind vom Verbrennungsmotor her bekannt.

Ein Verkauf des iX5 Hydrogen ist vor 2025 nicht zu erwarten.

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So fährt er sich

Die Abstimmung des Antriebs machte auf ersten Testfahrten einen sehr harmonischen Eindruck. Besonders positiv fiel auf, dass der für die Belüftung der Brennstoffzellen nötige Kompressor mit Turbine akustisch im Wageninneren außerordentlich dezent ist.

Das Platzangebot samt Laderaum sowie das Fahrzeuggewicht sind laut BMW vergleichbar mit jenem des X5 mit Plug-in-Hybridantrieb, trotz der voluminösen Wasserstofftanks (150 Liter Volumen). Sie fassen sechs Kilogramm gasförmigen Wasserstoff (700 bar), die für eine Normreichweite von 504 km reichen.

Der Verbrauch während der Testfahrt betrug laut Bordrechner mit drei Passagieren 1,4 Kilogramm Wasserstoff. Die Beschleunigung entspricht mit weniger als 6 Sekunden von 0 auf 100 km/h dem Elektroantrieb mit der Gesamtleistung von 401 PS. Die Höchstgeschwindigkeit ist jedoch mit 185 km/h niedriger, als es solche Antriebsleistungen vermuten lassen. Dies liegt am hohen Kühlbedarf von Brennstoffzellen bei Volllast

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Im Innneraum unterscheidet der BMW iX5 Hydrogen sich nicht vom serienmäßigen X5.
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Das Platzangebot für Insassen und Gepäck ist vergleichbar mit dem des X5 mit Plug-in-Hybridantrieb.
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Die Wasserstofftanks fassen sechs Kilo gasförmigen Wasserstoff, der mit einem Druck von 700 bar komprimiert ist.

BMW iX5 Hydrogen – Technische Daten

  • Gesamtantriebs-Höchstleistung: 295 kW (401 PS)
  • Davon aus Brennstoffzelle: 125 kW (170 PS), aus Lithium-Ionen-Batterie: 170 kW (231 PS)
  • Wasserstofftank: 6 kg (gasförmig, 700 bar)
  • Höchstgeschwindigkeit: 185 km/h
  • Normverbrauch: 1,19 kg Wasserstoff/100 km (WLTP kombiniert)
  • Normreichweite: 504 km
  • CO2-Ausstoß: 0 g/km
  • Maße und Gewicht: vergleichbar mit X5 mit Plug-in-Hybridantrieb
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Oliver Zipse, Vorstandsvorsitzender BMW AG

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… über die Rolle von Wasserstoff: Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle für die Energiewende spielen. In der Mobilität wird der Markt für Wasserstoff klein bleiben, eine Nische, aber wir werden ihn brauchen.

… über eine Rückkehr des Wasserstoff-Verbrennungsmotors: Bei BMW wird es keine Rückkehr des Wasserstoff-Verbrennungsmotors und des flüssigen Wasserstoffs geben. Das ist die Erkenntnis unserer Erfahrung von mehr als 30 Jahren damit.

… darüber, wo die größten Märkte für Brennstoffzellen-Fahrzeuge mit Wasserstoff zu erwarten sind: Europa glaubt, dass eine Lösung (der batterieelektrische Antrieb, Anm.) weltweit alle Probleme der Fahrzeugindustrie lösen wird. Das ist ein großes Missverständnis.

Es wird verschiedene Lösungen geben. Ein Kunde wird etwa ein Auto mit Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff wählen, wenn er emissionsfrei unterwegs sein will, aber nicht 500 Kilogramm an Batterien mitführen will oder aber keine Ladeinfrastruktur für ein batterieelektrisches Auto vorfindet. Das wird vor allem in alten, dicht besiedelten Städten sein. Unabhängig davon, ob in Japan oder in Italien.

Für Wasserstoff kann dagegen die bestehende Infrastruktur genutzt werden, es müssen nur die Tankstellen umgerüstet werden. Anders als Strom lässt sich Wasserstoff auch weltweit transportieren und über eine beliebige Zeit speichern.

… über das Ende des Verbrennungsmotors 2035 in Europa: Niemand weiß, ob das eine gute Idee ist. Es kann gutgehen, kann aber auch ein totales Desaster werden.

Es wird eine große Herausforderung, in den 13 Jahren bis 2035 eine ausreichende und auch leistbare Ladeinfrastruktur (für batterieelektrische Fahrzeuge, Anm.) zu errichten. Für den Fall, dass das nicht gelingt, legen wir bei BMW hohen Wert auf Flexibilität. Wir müssen auf fünf Beinen stehen (Benzin, Diesel, Batterie, Brennstoffzelle, E-Fuels, Anm.), um weltweit auf die Kundenwünsche reagieren zu können. Das heißt aber auch, dass wir lernen müssen, mit fünf Beinen zu gehen. Wir müssen also unsere Fahrzeugarchitekturen entsprechend flexibel auslegen.

Wir würden keinen Brennstoffzellenantrieb anbieten, wenn wir keine batterieelektrischen Autos bauen könnten. Das wäre zu riskant, hätte zu geringe Stückzählen, wäre zu teuer. Aber in ein batterieelektrisches Fahrzeug einen Brennstoffzellenantrieb zu integrieren, indem kleinere Batterien und stattdessen Brennstoffzellen samt Wasserstofftanks eingebaut werden, ist nur ein kleiner Schritt.

… über E-Fuels: Wenn jemand den Klimawandel ernst nimmt, muss er auch eine Lösung für den Fahrzeugbestand haben, der in Europa rund 330 Millionen Autos umfasst (1,3 Milliarden weltweit, Anm.). Selbst wenn ab sofort nur noch elektrische Fahrzeuge in Europa gebaut werden, braucht es viele Jahre, bis alle Autos mit Verbrennungsmotor durch batterieelektrische ersetzt sind.

Die einzige Lösung sind E-Fuels (Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden und als klimaneutral gelten, Anm.). Diese Kraftstoffe lassen sich in beliebiger Menge beimengen. Sie können für gebrauchte wie für neue Autos verwendet werden. Wir dürfen diese Gelegenheit nicht ungenützt lassen.

Wir kommen immer an den gleichen Punkt: Den bei Weitem größten Einfluss auf das Klima hat die Technologieoffenheit.

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Überblick: Alles Wissenswerte über Wasserstoff

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Rohstoffe und Recycling

Rohstoffe: Brennstoffzellenautos haben laut BMW den großen Vorteil, dass sie deutlich weniger kritische Rohstoffe benötigen als batterieelektrische Fahrzeuge. Konkret brauchen sie um 90 Prozent oder mehr als 100 Kilogramm weniger Rohstoffe (seltene Erden, Kobalt, Mangan, Nickel, Lithium). Grob gesprochen, sind nur ein paar Gramm Platin für die Beschichtung nötig – ähnlich wie heute in Dreiwegekatalysatoren oder Dieselabgassystemen. Für Platin besteht seit Langem ein sehr effizienter Recyclingkreislauf. Mit dem angepeilten Zurückdrängen von Verbrennungsmotoren wird noch mehr Platin zur Verfügung stehen, so BMW.

Auch vom aktuell vorherrschenden Kohlefaser-Wasserstofftank will BMW in den nächsten zehn Jahren wegkommen, hin zu einem Stahltank. Dieser könnte deutlich kleiner gebaut werden, hätte somit besser in der künftigen Elektro-Plattform von BMW Platz. Stahl gilt auch als viel leichter zu recyceln als Kohlefaser.

Recycling: Wird als erheblich einfacher als für Lithium-Batterien betrachtet, aber es gibt derzeit noch keinen Bedarf und auch keine Entwicklungen dazu, etwa beim heimischen Verwerter Saubermacher oder der Montanuniversität Leoben. Beide waren in Österreich führend bei der Entwicklung eines Konzepts für Lithium-Autobatterie-Recycling.

Die Farbenskala für Wasserstoff

Wasserstoff ist farblos, dennoch wird seine Qualität in verschiedenen "Farben" angegeben. Dies hängt mit seiner Herstellung zusammen und zeigt seine Umweltfreundlichkeit an. Hier die wichtigsten Farben:

Grau: Wasserstoff wird per Dampfreformierung aus fossiler Energie (meist Erdgas) erzeugt. Das ist derzeit die billigste und mit 95 Prozent weltweit meistverbreitete Herstellungsmethode. Nachteil: Hoher CO2-Ausstoß bei der Herstellung.

Grün: Hier wird Wasserstoff per Elektrolyse mit Ökostrom aus Wasser erzeugt. Er gilt als CO2-frei. Grüner Wasserstoff ist das Ziel für emissionsfreie Mobilität, zumindest in der EU, ist aber wegen der Herstellungsmethode noch wesentlich teurer als grauer.

Die EU hat hier heuer noch zusätzliche Vorgaben vorbereitet: Ab 2028 muss für die Wasserstoffelektrolyse der Ökostrom aus Quellen kommen, die nicht öffentlich gefördert werden. Bis 2029 muss der Wasserstoff im selben Monat wie der Strom erzeugt werden, ab 2030 sogar in derselben Stunde (Quelle: Handelsblatt).

Blau: Blauer Wasserstoff wird auch per Dampfreformierung aus Erdgas erzeugt, das dabei entstehende CO2 wird aber abgetrennt und unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage, kurz CCS). Diese Methode wird vor allem von Erdölstaaten im Nahen Osten favorisiert, vermehrt auch in den USA. Ihr Argument: Damit lassen sich viel schneller und billiger große Wasserstoffmengen erzeugen als beim grünen Wasserstoff.

Türkis: Erdgas wird per Methanpyrolyse in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Wird dieser nicht genutzt, lässt er sich gut speichern. Die Herstellung verursacht somit kein CO2. Derzeit keine Bedeutung.

Weiß: So wird der natürlich, etwa in Vulkangebieten, vorkommende Wasserstoff genannt. Er spielt für die Wirtschaft keine Rolle.

Die EU peilt für 2030 die Produktion von 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs an. Der dafür nötige Ökostrombedarf für die Elektrolyseure wird auf 500 Terawattstunden (TWH) geschätzt, das entspricht 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU. Zum Vergleich: Der österreichische Stromverbrauch betrug 2022 rund 62 TWh.

Infrastruktur

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Tankstellen: Grundsätzlich kann für Wasserstoff die bisherige Tankinfrastruktur genützt werden, es braucht keine neuen Trafostationen oder neue Stromleitungen. Experten gehen in der Summe von geringerem Investitionsbedarf aus. Wasserstofftankstellen sind jedoch sensibler als Benzin- oder Dieselzapfsäulen, wie bei der BMW-Tour in Antwerpen zu erfahren war. In Wiesbaden wurde ein Wasserstoffbus-Projekt gestoppt, unter anderem, weil die Tankstelle nicht funktionierte. Der Betreiber in Antwerpen, die Reederei CMB, wünscht sich schlüsselfertige Systeme von einem Anbieter, er musste mehr als 20 Zulieferer koordinieren.

Laut H2Energy, Gründungspartner des Schweizer Vorzeigeprojekts Hyundai Hydrogen Mobility, liegen die kritischen Punkte bei den Wasserstoffzapfsäulen vor allem bei den Kompressoren und Kältemaschinen für die Vorkühlung des Wasserstoffs. Die Betankung mit 350 bar (für Nutzfahrzeuge) führe zu erheblich geringeren Ausfällen und Betriebskosten als jene mit 700 bar (für Pkw).

In Österreich gibt es fünf öffentliche Wasserstofftankstellen (alle OMV), in der Schweiz etwa sind es 13. Der Wasserstoff wird von der OMV zugekauft. Es handelt sich um grauen, aus Erdgas hergestelltem Wasserstoff (Schweiz: grüner Wasserstoff). Er entspricht der Qualität 5.0 (99,999 % reiner Wasserstoff), der für die aktuellen Brennstoffzellen nötig ist. 1 kg Wasserstoff reicht für rund 100 km Reichweite mit einem Pkw.

Preise: Die Herstellungspreise variieren quasi je nach "Farbe". Beim grauen, türkisen und blauen Wasserstoff gibt der Gaspreis den Trend vor, beim grünen Wasserstoff vor allem der Ökostromtarif. Gemeinsam haben die Preise seit dem Ukrainekrieg ihre Volatilität. Lag früher der Richtwert für grauen Wasserstoff in Europa bei rund 2 Euro pro kg, so hat er sich zwischenzeitlich bei uns vervielfacht, wie Alexander Trattner, Leiter des heimischen Wasserstoffzentrums HyCentA in Graz, vorrechnet. Der graue ist aber noch immer günstiger als der grüne Wasserstoff.

An der Wiener OMV-Wasserstofftankstelle kostete im März 2023 ein Kilogramm Wasserstoff 23,99 Euro, das ist mehr als doppelt so viel wie noch vor wenigen Jahren oder aktuell in Deutschland, der Schweiz oder in Belgien. Die OMV erklärt den Preis vor allem mit hohem Logistikaufwand und geringer Nachfrage.

Ausblick

Nachfrage: Wasserstoff gilt vor allem in der Industrie künftig als unverzichtbar. In der Mobilität wird ihm für den Transit-Schwerverkehr, für große Pkw und in gewissen Bereichen auch für Bahnen, kleinere Flugzeuge sowie kleinere Schiffe Potenzial zugeschrieben. Für Containerschiffe dagegen favorisiert die Reederei CMB "grünen" Ammoniak als Alternative für den bisherigen Kraftstoff (Schweröl, Diesel). Allein für das Abstoßen vom Kai benötigt ein Containerriese laut CMB 400 kg Wasserstoff.

Als die größten Märkte für Wasserstofffahrzeuge gelten Asien (China, Südkorea, Japan), Nordamerika, der Mittlere Osten, Australien und Europa.

Anbieter: Die aktuelle Zahl an Anbietern von Pkw mit Brennstoffzellenantrieb in Europa und auch in Österreich ist überschaubar. Derzeit haben nur Hyundai und Toyota ein entsprechendes Angebot. Beide Konzerne setzen auf Technologieoffenheit und somit auch auf Wasserstoff für die Klimaneutralität in der Mobilität.

Hyundai hat viel in diesen Antrieb investiert, um zu den früheren Platzhirschen Honda und Toyota aufzuschließen. 2022 hat Hyundai weltweit mehr als 10.000 Brennstoffzellen-Pkw verkauft. In Österreich waren es bislang 84 Pkw und zwei Busse. Hyundai war von Beginn (2019) an Partner des Schweizer Hyundai Hydrogen Mobility-Projekts. 20 Hyundai-Wasserstoff-Lkw legten bereits mehr als fünf Millionen Kilometer zurück. Die Flotte wächst stetig. Getankt wird ausschließlich grüner Wasserstoff.

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Toyota Mirai mit Brennstoffzellenantrieb.

Toyota hat bislang 10 Brennstoffzellen-Pkw in Österreich verkauft.

Bosch sieht künftig auch Nischen für den Wasserstoff-Verbrennungsmotor. Interessant sei er nicht nur für den Fernverkehr, sondern auch für schwere Nutzfahrzeuge wie etwa Mähdrescher. Diese könnten weder auf batterieelektrischen Antrieb (benötigt Tonnen an Batterien) noch auf Brennstoffzellenantrieb (zu wenig Fahrgeschwindigkeit für die nötige Kühlung der Brennstoffzellen) umsatteln, seien aber viele Stunden pro Tag permanent in Betrieb, sagte vor Kurzem Stefan Hartung, Bosch-Chef, in Wien auf Einladung der Auslandpresse.

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