Stau: Ursachen, Kosten und Lösungsansätze
Stau ist nicht nur ärgerlich, sondern kostet Geld und Energie. Wie er entsteht, wie er verhindert werden könnte und wie wir selbst am besten damit umgehen.
Manche Orte in diesem Land kennt man aus dem Radio garantiert. Nassereith zum Beispiel. Oder den Grenzübergang Kufstein-Kiefersfelden. Und natürlich die Südosttangente (A23) mit ihrer Hansson-Kurve, dem Knoten Prater sowie Inzersdorf. Allesamt gemein haben sie ihr Dauerabo im österreichischen Verkehrsfunk, nämlich als ganz große Stau-Hotspots des Landes.
Stau kostet. Den letzten Nerv derjenigen, die Teil davon sind. Geld, weil Lieferketten ins Stocken geraten und Mitarbeitende nicht produktiv sein können. Und Energie, weil der Stop-and-Go-Verkehr in der Regel zu höheren Verbräuchen führt. Doch wie entsteht Stau eigentlich konkret? Was sind die häufigsten Ursachen für stockenden Verkehr? Wie hoch ist der volkswirtschaftliche Schaden, wie hoch der ökologische? Wie gut steht Österreich da und vor allem: Wie würde es besser gehen? Spoiler vorab: So trivial wie das Thema auf den ersten Blick scheint, ist es in Wirklichkeit gar nicht.
So staut es in Österreich
Abseits der täglichen Dauerabos im Verkehrsfunk herrscht in Österreich besonders im Sommerhalbjahr ein Stau-Problem: So zählte die Asfinag etwa im Mai 2024 mehr als doppelt so viele Staus wie im Jänner desselben Jahres. Stau-Hotspots sind laut Asfinag konkret die Brenner-, Tauern- sowie die Westautobahn. Wer kann, sollte die reisestärksten Tage meiden. Über diese informiert der ÖAMTC-Staukalender, in den neben europaweiten Ferienterminen auch Infos zu Großveranstaltungen sowie zu verkehrsrelevanten Baustellen einfließen.
In den Städten Österreichs wiederum ist laut einer Analyse des Navigationsanbieters TomTom Wien Stau-Spitzenreiter. Hier verloren die Menschen 2024 im Schnitt 95 Stunden für zwei Mal zehn Kilometer lange Wege in der Rushhour. In relativen Zahlen stehen Graz und Salzburg aber schlechter da: Zwar kostete der Verkehr zu Spitzenzeiten die Fahrenden hier nur 86 bzw. 78 Stunden im Jahr, doch die Fahrzeit erhöhte sich im Vergleich zum flüssigen Verkehr um jeweils 37 %, während in Wien lediglich 30 % hinzukamen.
Stau: Definition & Ursachen
Das beginnt bereits bei der Frage, ab wann man denn überhaupt von einem Stau spricht. Vereinfacht gesagt, so Verkehrswissenschaftler und -planer Professor Georg Hauger von der TU Wien, entsteht Stau immer dann, wenn die Nachfrage zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten größer ist als das Angebot. So weit, so klar. Wenn dadurch die mittlere Geschwindigkeit über einen bestimmten Zeitraum unter einen definierten Schwellenwert sinkt, kommt es zum Stau. Für den ÖAMTC-Verkehrsexperten David Nosé liegt dieser Wert bei 10 km/h Durchschnittstempo, das für mindestens eine Minute gehalten, respektive unterboten wird. Aber auch der Experte merkt an, dass es keine allgemeingültige Definition gibt.
Die Ursachen für Stau sind vielfältig. Ein Sprecher des österreichischen Unternehmens Kapsch TrafficCom, das intelligente Verkehrslösungen entwickelt, nennt drei besonders wesentliche. Erstens situative Gründe wie Unfälle, schlechte Wetterbedingungen oder Naturereignisse. Zweitens infrastrukturelle Gründe wie Straßenengpässe, etwa vor Mautstationen, Grenzübergängen oder bei Baustellen. Und drittens nachfragespezifische Gründe, also wenn das Verkehrsaufkommen die Straßenkapazitäten kurzfristig übersteigt, wie täglich auf der Südosttangente (A23), die übrigens mit mehr als 230.000 Fahrzeugen an Spitzentagen die meistbefahrene Straße Österreichs ist.
Laut Georg Hauger von der TU Wien sind global betrachtet rund 40% der Staus auf Engpässe und Stoßzeiten (wiederkehrend) zurückzuführen. Etwa 25% der Staus werden von Unfällen, 15% vom Wetter und 10% von Baustellen verursacht (restliche 10%: sonstige Gründe).
Daten müssen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und Verkehrsanbietern geteilt werden. Daran scheitert es oft noch eher als an der Technik.
Prof. Georg Hauger
Die Auswirkungen von Stau
Aber Stau kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. So verweist Experte David Nosé auf eine 2015 von der Wirtschaftsuniversität Wien und dem ÖAMTC durchgeführte Berechnung, wonach die Kosten von Stau in Österreich bei fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr lagen. Der Großteil ist auf Zeitverlust zurückzuführen.
Außerdem werde bei Stop-and-Go-Verkehr mehr Energie benötigt, und zwar bis zu fünf Mal mehr als im gleichmäßigen Fluss, betont Georg Hauger. "Das gleiche Prinzip gilt auch für überfüllte oder verspätete Öffis: Je unregelmäßiger ein System läuft, desto höher ist die Energieinanspruchnahme", so Hauger. Allerdings sieht er für die Zukunft zumindest die lokalen Emissionen durch die Elektrifizierung der Fahrzeuge als geringer werdendes Problem.
Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h, beträgt die Kapazität eines Fahrstreifens 1.500–2.500 Fahrzeuge pro Stunde.
David Nosé, ÖAMTC Verkehrsexperte
Wie es besser gehen würde
Was allerdings nicht geringer wird, sondern steigt, ist die Anzahl an Staus, die es jedes Jahr in Österreich gibt. Das liegt sowohl am Bevölkerungswachstum als auch an bestimmten Trends wie beispielsweise Online-Shopping oder Essensbestellung, die zu einer Steigerung des Lieferverkehrs führen. Wie also kann der Verkehr optimiert werden? Einerseits durch Verbesserung von Infrastruktur. "Die Erhöhung von Kapazität, also die 'Zulegung' eines Fahrstreifens, verbessert die Verkehrsqualität sprunghaft. Staus werden reduziert, die Verkehrssicherheit wird verbessert", so ein Sprecher der Asfinag. Allerdings wird die ausgebaute Strecke damit attraktiver, das Verkehrsaufkommen muss zwar nicht steigen, kann aber.
Auch Georg Hauger sieht das so, verweist allerdings im Interview darauf, dass Verkehr neben (externen) Kosten auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat: "Die Leute fahren ja nicht nur zum Spaß herum." Wäre das nicht so, bräuchte man auch keine U-Bahnen bauen. Ob Arbeitsweg, Lieferroute oder Einkaufstrip: Die meisten Wege kurbeln in irgendeiner Form die Wirtschaft an.
Auch Technologie kann helfen, den Verkehr zu optimieren – und sie tut es auch. Die Asfinag etwa arbeitet seit Mitte der 2000er mit digitalen Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf den Autobahnen. Diese nehmen bei Zunahme des Verkehrs Geschwindigkeitsanpassungen vor oder warnen bei besonderen Vorkommnissen. Obwohl der primäre Nutzen der Anlagen in der Erhöhung der Verkehrssicherheit liegt, zögern sie auch die Staubildung hinaus. Außerdem kann künstliche Intelligenz, so ein Sprecher von Kapsch TrafficCom, Verkehrsmuster vorhersagen. "So können beispielsweise Ampelschaltungen während Stoßzeiten dynamisch angepasst werden, um Staus zu verhindern, bevor sie überhaupt entstehen."
Auch eine zeitgemäße grüne Welle sei heute bereits möglich. Georg Hauger verweist auf Studien, die zeigen, dass digitale Ampelsteuerungen oder Verkehrsleitsysteme die Effizienz um 10 bis 20 % steigern können. "Man kann nicht alle Probleme mit Technik lösen. Aber es gibt Probleme, die man nur mit Technik lösen kann", so der Verkehrswissenschaftler.
Wo, wie von vielen Seiten zu hören ist, außerdem Verbesserungspotenzial besteht, ist die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Und natürlich gibt es auch politische Akteure, die grundsätzlich kein Interesse an der Verbesserung des Verkehrsflusses haben.
Man selbst kann übrigens durch gleichmäßiges Fahren ebenfalls Staus vermeiden. Denn oftmals entsteht dieser ohne ersichtlichen Grund: Eine kurze Bremsung etwa kann bei viel Verkehr eine Kettenreaktion auslösen, die weiter hinten schon zu Stau führt.
Das Fazit
So ganz ohne Stau wird es wohl trotzdem nie gehen. Denn: "Wenn es gar keinen Stau gäbe, könne man argumentieren, dass die Infrastruktur überdimensioniert ist", so Hauger. Und im internationalen Vergleich funktioniere der Verkehr in Österreich vergleichsweise gut. So verlieren die Menschen in Mexico City 152 Stunden pro Jahr in der Rushhour – also fast eine ganze Woche. Orientieren muss man sich daran aber nicht.
Tipps für den Stau
Eine gute Vorbereitung hilft, mit Staus besser umzugehen. Dazu gehören sowohl eine durchdachte Routenplanung als auch die technische Kontrolle des Fahrzeugs (Batterie, Reifen, Kraftstoffstand).
Apps mit Echtzeitdaten und Navigationssysteme mit Verkehrsflussinformationen unterstützen dabei, Engpässe oder Baustellen frühzeitig zu erkennen und etwaige Ausweichrouten einzuplanen.
Wer flexibel reist und Stoßzeiten meidet, kann Staus oft schon vorab vermeiden. Besonders an Freitagen zwischen Nachmittag und Abend sowie zu Ferienbeginn oder -ende ist das Verkehrsaufkommen auf Hauptverbindungen traditionell hoch. Eine frühere oder spätere Abfahrt reduziert die Wahrscheinlichkeit, in dichten Verkehr zu geraten, deutlich.
Bei längeren Strecken empfiehlt es sich, regelmäßig Verkehrsnachrichten über Radio, App oder Navigationssystem zu verfolgen, um auf aktuelle Entwicklungen schnell reagieren zu können.
Kommt es dennoch zu stockendem Verkehr, gilt vor allem: Ruhe bewahren. Hektische Spurwechsel, dichtes Auffahren und häufiges Bremsen verschlechtern den Verkehrsfluss und erhöhen das Unfallrisiko.
Ausreichend Abstand zu halten, vorausschauend zu fahren und bei plötzlich auftretenden Staus frühzeitig die Warnblinkanlage zu aktivieren, verringert das Unfallrisiko.
Das Reißverschlusssystem sollte erst kurz vor der Engstelle angewendet werden, um den Verkehrsfluss gleichmäßig zu halten. Bei längeren Stillständen ist es sinnvoll, den Motor abzustellen, um Kraftstoff zu sparen und Emissionen zu vermeiden.
Nicht vergessen: die gesetzlich vorgeschriebene Bildung der Rettungsgasse. Auf zweispurigen Autobahnen wird sie in der Mitte gebildet, auf drei- oder mehrspurigen Fahrbahnen zwischen der linken und der danebenliegenden Spur. Diese Regelung gilt nicht nur in Österreich, sondern auch in einigen Nachbarländern. Wer die Rettungsgasse ignoriert, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Der ÖAMTC weist darauf hin, dass die Rettungsgasse bereits bei Stillstand des Verkehrs eingerichtet werden muss – nicht erst, wenn Einsatzfahrzeuge sichtbar sind.
Um Belastungen durch längere Wartezeiten zu verringern, sollten ausreichend Wasser, leichte Verpflegung und gegebenenfalls Unterhaltungsmaterial im Fahrzeug mitgeführt werden.
Besonders bei hohen Temperaturen ist auf eine angemessene Innenraumtemperatur zu achten. Sonnenschutzfolien, helle Kleidung und regelmäßige Frischluftzufuhr beugen Überhitzung vor.
Auch die psychische Belastung durch Staus darf nicht unterschätzt werden. ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger rät, Stressfaktoren zu minimieren: "Wer vorbereitet fährt und die Stausituation akzeptiert, bleibt ruhiger und handelt sicherer."
Regelmäßige Pausen während längerer Fahrten unterstützen die Konzentration und reduzieren Ermüdung. Empfehlung des ÖAMTC: alle zwei Stunden eine ausreichend lange Rast einlegen.