Interview Pamela Rendi-Wagner

Vor der Nationalratswahl 2019 befragt der auto touring alle Parteichefs zu Mobilitätsthemen.

1. Klima-Fairness

Österreich muss bis 2030 seine Treibhausgas-Emissionen um 36 Prozent gegenüber 2005 verringern. Wer wieviel einsparen muss, ist aber unterschiedlich: Die Industrie kann sich per Zertifikathandel quasi „freikaufen“, Kerosin für Flugzeuge unterliegt keiner Mineralölsteuer, Schiffsverkehr wird erst gar nicht betrachtet. Wie stehen Sie dazu?

Pamela Rendi-Wagner: Alle wissenschaftlichen Daten legen Zeugnis ab, dass wir jetzt alle handeln müssen – nicht nur eine Person, sondern die Politik als Gesamtes, nicht nur Österreich, sondern Europa, am besten die ganze Welt. Da sind natürlich die Hauptproduzenten von CO2 gefordert und das ist in erster Linie nicht der Verkehr, sondern natürlich die Industrie, an zweiter Stelle der Verkehr – und hier gilt es den Schwerpunkt auf technologische Entwicklungen zu legen, weg von CO2-produzierenden Motoren. Das gilt für den Individualverkehr genauso wie für den Lkw-Verkehr und für die Bahn, die noch nicht zu 100 Prozent elektrifiziert ist. Derzeit ist das Ziel, die Bahn bis 2030 zu elektrifizieren. Ich glaube, da kann man durchaus ambitionierter sein und das vorziehen.

Wichtig ist aber aus der politischen Perspektive, dass die Politik nicht den moralischen Zeigefinger auspackt und die Verantwortung an den individuellen Verkehrsteilnehmer abgibt uns sagt: „Du bist verantwortlich, du musst hier handeln.“ Die Politik muss die Rahmenbedingungen gestalten. Das fängt bei Ladestationen für E-Fahrzeuge an und geht bis einer Ausbau-Offensive für die Bahn – zum Beispiel, wie wir vorgeschlagen haben, das Klimaticket um 3 Euro am Tag, das sind etwas mehr als 1.000 Euro für das gesamte Jahr österreichweit. Der Flugverkehr gehört auf jeden Fall zu den größten CO2-Emittenten, es ist aus meiner Sicht nicht gerecht, dass er überhaupt nicht besteuert ist. Wir sind für eine Kerosinsteuer, die europaweit umgesetzt wird.

Die Politik kann die Verantwortung nicht mit einem moralischen Zeigefinger an die Menschen abgeben.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ

2. Alternative Kraftstoffe

Biologische und synthetische Kraftstoffe können soziale Unwucht abfedern. Denn viele Maßnahmen im „Sachstandsbericht Mobilität“ sollen durch steigende Auto-Kosten weniger Verkehr und dadurch weniger Emissionen bewirken. Das trifft jene besonders, die auf ihr Auto angewiesen sind und sich kurzfristig keinen umweltfreundlichen Neuwagen leisten können. Verstärkter Einsatz von alternativen Kraftstoffen könnte den fossilen CO2-Ausstoß auch bei Bestandsfahrzeugen senken. Wie stehen Sie dazu?

Pamela Rendi-Wagner:Ich glaube, die soziale Verträglichkeit ist eine ganz wichtige Frage für die gesamte Klima- und Umweltpolitik. Deswegen sprechen wir auch gerne von Klimagerechtigkeit. Wir dürfen nie vergessen, dass es Menschen gibt, die auf ihr Auto angewiesen sind – und das sind nicht die, die es sich leisten können, jedes Jahr auf eine neue Technologie umzusteigen. Es ist Aufgabe einer guten, sozialverträglichen Klima- und Umweltpolitik, ökologisiertes Verhalten zu begünstigen.

Das heißt, die Politik ist dafür verantwortlich, dass es für die Menschen einfacher ist, sich umweltfreundlich zu verhalten. Bei Bio-Kraftstoffen muss man genauer hinsehen, was die Produktion betrifft, oft durch Rodung großer Wälder in Südamerika z.B. oder auch Vernichtung von wertvollem Ackerland, das eigentlich dort zur Lebensmittelerzeugung verwendet werden soll – das ist nicht immer so „bio“, wie es klingt.

3. Sachstandsbericht Mobilität

Er wurde vom BMVIT in Auftrag gegeben und listet konkrete Maßnahmen auf, die der Erreichung der Klimaschutzziele dienen sollen. Welche der folgenden werden Sie umsetzen, wenn Sie in die Regierung kommen?


Mineralölsteuer-Erhöhung um bis zu 28 Cent: Nein.
Bindung der Mineralölsteuer an den Verbraucherpreisindex: Nein.
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer um bis zu 100%: Nein.
Verschärfungen bei der Normverbrauchsabgabe: Da sind wir für eine Ökologisierung, aber sozial ausgeglichen. Es ist wichtig, darauf Rücksicht zu nehmen, dass viele auf ihr Auto angewiesen sind, weil sie sonst nicht zur Arbeit fahren können. Oder die Alleinerzieherin, die ihr Kind in den Kindergarten oder zu Schule fährt.
Kilometerabhängiges Road Pricing auf allen Straßen: Nein.
Fahrverbote in allen Landeshauptstädten für Verbrennungsmotoren ab 2030: Nein.
Tempo 80 auf der Landstraße, Tempo 100 auf der Autobahn: Nein.
Kürzungen oder Streichung der Pendlerpauschale: Nein, aber Ökologisierung. Wir brauchen ein neues ökologisiertes Modell, aber immer im Sinne von Anreizen und nie von Strafen.
Senkung des Kilometergelds (25 Cent/km): Nein.
City-Maut für die Einfahrt in die Landeshauptstädte: Nein – beibehalten, wie es ist.

4. Eine unvollständige Liste

Im „Sachstandsbericht Mobilität“ fehlen wesentliche Ideen zur Senkung des CO2-Ausstoßes im Verkehr. Das könnten etwa ein Überdenken des Online-Handels als Ursache für mehr Lieferverkehr sein, Maßnahmen zur Erhöhung des Besetzungsgrads pro Pkw (vor allem im Pendelverkehr) oder die Förderung neuer Mobilitätsdienste wie Sammeltaxis oder Gemeindebusse. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Pamela Rendi-Wagner:Der Online-Handel war ja auch ein Riesenthema im EU-Wahlkampf, weil Amazon durch Steuervermeidungspraktiken derzeit auf europäischer Ebene keine oder sehr wenige Steuern zahlt, das ist sozial und steuerpolitisch nicht gerecht. Mobilitätsangebote miteinander zu vernetzen ist eine komplexe Geschichte, ich finde, das sollte der ÖAMTC machen – wenn solche Maßnahmen zur besseren Nutzung des öffentlichen Verkehrs beitragen, kann man aus meiner Sicht nur zustimmen. Es ist klar, dass wir auch bei gutem Ausbau des Bahnnetzes, zum Beispiel, gewisse Regionen nie erreichen werden, deshalb braucht es diesen Microverkehr. Ein gutes Zusammenspiel des privaten und des öffentlichen Verkehrssektors wäre das Optimum. Das wichtigste ist hier die Benutzerfreundlichkeit. Aber das wäre etwas ganz Neues, das gibt es ja bisher nicht.

Leichter ist das im städtischen Bereich, aber es ist wichtig, dass wir hier den ländlichen Bereich nicht vergessen, vor allem die öffentlich schlecht erschlossenen Regionen. Wenn wir den öffentlichen Verkehr ausbauen wollen, dann muss man auch bereits sein zu investieren. Das ist eine Frage des Budgets und der Verteilung, aber am Ende des Tages ist es Klimapolitik – und nicht geleistete Klimapolitik kostet auch Geld. Wir wissen, dass wir heute pro Jahr etwa 1 Milliarde Euro zahlen wegen Untätigkeit in der Klimapolitik, das kommt uns also auch sehr teuer durch die Folgeschäden. Unser Österreich-Ticket ist ein Vorschlag: Es soll 1 Euro pro Tag kosten, wenn man sich innerhalb eines Bundeslandes bewegt, und 3 Euro pro Tag für ganz Österreich.

Es gibt ja drei Kriterien, die ein Angebot attraktiv machen, wenn man die Leute zum Umsteigen bringen will: Dann muss es günstiger werden, es muss einfacher werden und es muss schneller und besser werden. Zum Beispiel durch die Taktung des öffentlichen Verkehrs, dass der Zug nicht mehr zweimal pro Stunde, sondern viermal oder öfter pro Stunde hält.

5. Den Tanktourismus abschaffen?

Der CO2-Ausstoß im Verkehr wird nach verkaufter Kraftstoffmenge berechnet. Wegen vergleichsweise niedriger Preise tanken vor allem ausländische Lkw gerne in Österreich, verfahren ihren Diesel aber großteils im Ausland. Das heißt: Rund ein Viertel der Österreich im Verkehr zugerechneten CO2-Emissionen entsteht gar nicht hier. Dieser „Tanktourismus“ vermasselt unsere Klimabilanz. Was halten Sie von einer Erhöhung der Mineralölsteuer, um den Tanktourismus zu verhindern?

Pamela Rendi-Wagner:Nein, weil es ja nur am Papier stattfindet. Wir wollen ja tatsächliche Reduktion. Wir sind gegen eine Mineralölsteuererhöhung. Wir sind für eine Ökologisierung, aber immer im Sinne von Anreizen und nie von Strafen.

6. Road Pricing

Die EU plant noch immer die verpflichtende Einführung einer generellen, also streckenabhängigen Maut ab 2028. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Pamela Rendi-Wagner:2028 ist noch etwas weit weg. Wir sind der Meinung, dass es in Österreich so bleiben soll wie es ist. Das Mautsystem soll die EU den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen.

7. Die Daten aus dem Auto

Moderne Autos liefern sehr viele Daten an die Hersteller. Die Konsumenten wissen gar nicht, welche Daten produziert werden und wem sie gehören. Wie ist Ihre Position dazu, dass die personenbezogenen Daten, die durch die Benutzung eines Fahrzeugs entstehen, unter besonderen Schutz fallen sollen?

Pamela Rendi-Wagner:Überall dort, wo individuelle Daten produziert und gesammelt werden, braucht es klare Regeln im Sinne des Konsumentenschutzes.

Hier geht's zum Interview mit Sebastian Kurz.

Hier geht's zum Interview mit Norbert Hofer.

Hier geht's zum Interview mit Werner Kogler.

Hier geht's zum Interview mit Beate Meinl-Reisinger.

Zurück zum Word-Rap mit den Kandidaten.