Essen unterwegs, aber richtig
Was ist der beste Snack für unterwegs? Warum essen Kinder gerne Süßes? Was ist die beste Nahrung fürs Gehirn? Für die auto touring JUNIOR-Ausgabe haben wir dazu Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier befragt. Sie gibt spannende Tipps und Infos.
Was ist Ihrer Meinung nach beim Essen am wichtigsten?
Essen sollte immer Spaß bereiten (lacht).
Mittlerweile leiden aber viele Menschen an Intoleranzen, haben daher weniger Spaß am Essen und verzichten auf Speisen…
Verbotslisten sind meiner Meinung nach völliger Unsinn. Ein Beispiel zu Intoleranzen: Oft kommen Patienten damit zu mir und erwarten eine Liste von Lebensmitteln, die sie meiden sollen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Ziel ist es, das System so zu trainieren, dass die Person wieder alles essen kann – ohne Verbote.
Dem Körper wird so quasi Essen, das er eigentlich nicht mehr verträgt, wieder schmackhaft gemacht. Apropos schmackhaft: Gibt es Tricks, um Kindern Essen, das sie weniger mögen, gut zu präsentieren?
Der erste Schritt besteht darin, es selbst vorzuleben. Ich erlebe das ganz oft bei den Kindern in meiner Praxis, dass die Mamas alles versuchen, um ein gesundes Essen vorzubereiten, aber die Papas sind die coolen Leberkäs-Junkies. Und das Kind will natürlich das Coole kopieren. Das heißt, primär spiegeln die Kinder die Eltern. Und wenn beide Eltern gute Ernährung vorleben, dann geht es natürlich viel einfacher. Der zweite Schritt ist, Kindern nicht zwanghaft ein Gemüse vorsetzen zu wollen, das sie immer wieder ablehnen.
Wenn das Kind Gemüse verweigert
Warum weigern sich manche Kinder, Gemüse zu essen?
Es gibt diverse Gemüsesorten, die zum Beispiel einen sehr hohen Oxalsäure-Gehalt aufweisen – etwa Tomaten oder Spinat. Viele Menschen mochten als Kind keinen Spinat. Dahinter steckt ein natürlicher Schutzmechanismus, da Oxalsäure die Knochenbildung bremst. Also wenn ein Kind gewisse Gemüsesorten nicht so gerne mag, dann muss das kein Problem werden, sondern man kann es aussitzen. Ist das Kind einmal ausgewachsen, dann entwickelt es andere Vorlieben für Speisen. Das Spektrum wird viel größer. Spinat liefert dafür ein gutes Beispiel. Ähnlich bei Tomaten: Als Ketchup essen es Kinder gerne, denn durch die zusätzlichen Aromen und den Zucker wird das natürliche Empfinden getäuscht.
Auf den Punkt gebracht: Das Gehirn checkt einfach nicht, dass es sich um Tomaten handelt und lehnt es daher auch nicht ab. Also das Weigern eines Kindes bestimmtes Gemüse nicht zu essen, ist per se nichts Schlechtes.
Das Weigern eines Kindes bestimmtes Gemüse nicht zu essen, ist per se nichts Schlechtes.
Angelika Kirchmaier, Ernährungsexpertin
Von Obst sind die Kids oft leichter zu begeistern. Worauf sollte dabei geachtet werden?
Hier ist wichtig, einfach eine bunte Vielfalt in die Ernährung einzubauen und, wenn möglich, saisonales Obst zu bevorzugen. Das bedeutet: Im Winter sollten z.B. keine Erdbeeren gekauft werden, denn diese sind häufig stark mit Pestiziden belastet. Auch hier signalisiert das unbelastete kindliche Gehirn, dass es dieses Obst gar nicht will.
Oft lehnen Kinder auch Kiwis oder Ananas ab. Warum? Das Kind weiß, dass es davon leicht einen wunden Mund bekommt. Denn diese Früchte können mit Pestiziden belastet sein oder in einem unreifen Zustand zu uns in den Handel kommen. Bei Letzterem enthalten die Früchte zum Beispiel das Enzym Bromelain, ein Fraßschutz für die Pflanze. Das bedeutet, vereinfacht gesagt, die Pflanze will erst dann gegessen werden, wenn sie ausgereift ist, um ihre Samen weiterzutragen. Werden diese Früchte aber unreif gegessen, dann wirken eben diese Enzyme, die die Schleimhäute schädigen und für das unangenehme Gefühl im Mund sorgen.
Aber viele Früchte kommen in genau diesem Zustand zu uns. Sollten die dann gar nicht gegessen werden?
Am einfachsten ist es, sie nachreifen zu lassen. Denn diese unangenehm wunden Stellen betreffen nicht nur den Mund, sondern auch Speiseröhre, Magen und Darm. Es handelt sich eben um einen Fraßschutz. Also entweder ausreifen lassen oder kochen. Enzyme sind Eiweiße. Durchs Kochen werden sie, wie beim gestockten Ei, zerstört. Obst in Form von Kompott wäre möglich.
Süßes für unser Gehirn
Kinder mögen generell gerne Süßes. Worauf ist dabei zu achten und ist Zucker wirklich so böse?
Zucker steckt, wie wir alle wissen, in sehr vielen Lebensmitteln. Die WHO empfiehlt zum Beispiel im Idealfall 25 Gramm Zucker als Maximum für Erwachsene. Für Kinder gibt es keine Empfehlungen, das wäre unseriös, da es für jedes Alter gesonderte Empfehlungen geben müsste. Aber, um es einordnen zu können: Ein gehäufter Teelöffel Zucker wiegt ca. 15 Gramm.
Zucker jedoch per se zu verunglimpfen, ist ein unguter Trend. Ebenso ihn durch Ersatzprodukte zu ersetzen, die nicht natürlichen Ursprungs sind. Diese können, je nachdem, um welche Stoffe es sich handelt, Leber oder Niere belasten. Sinnvoller wäre es, einen maßvollen Umgang zu lernen und mithilfe diverser Kochtechniken das Maximum aus dem Zuckergeschmack herauszuholen. Natürlich wissen wir alle, dass Zucker Karies und Übergewicht begünstigen kann, aber nur dann, wenn wir das Maß verlieren.
Mein Tipp: Die Alternative liegt nicht im Ersatzzucker, sondern darin, den Gaumen an weniger Süße zu gewöhnen, eben auch bei Kindern.
Warum schmecken uns Süßigkeiten eigentlich so gut?
Die bessere Frage lautet: "Warum will unser Gehirn Süßes?" Süßes, also Zucker, genauer gesagt die Glukose (das ist der reine Traubenzucker), dient unserem Gehirn als Nahrung. So wie beim Auto der Treibstoff als Energiequelle fungiert, gilt Glukose für unser Gehirn als Hauptnahrungsquelle und zentraler Energielieferant.
Was tut unserem Gehirn gut und gibt Energie?
Wie zuvor erwähnt, ist Glukose unser wichtigster Treibstoff fürs Gehirn. Es gibt sie entweder in verpackter Form, wie ein mit mehreren Schichten eingepacktes Geschenk, zum Beispiel in Form von Vollkorngetreide (Müsli oder Vollkornbrot), Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Linsen, Kichererbsen oder Obst. Der Vorteil liegt darin, dass dieser Zucker relativ langsam abgebaut und so das Gehirn schön langsam gefüttert wird. Füttern wir das Gehirn aber nur mit schnellem Zucker, wie Weißbrot oder Süßigkeiten, dann wird es schnell wieder hungrig. Es kommt zu einem verstärkten Wunsch nach Süßem. Bei einem Kind bedeutet dies: Möchte es sehr viel Süßes haben, dann wäre es wichtig, sich immer das Gesamtessen anzuschauen. Wie viel Vollkorn, Kartoffeln und Hülsenfrüchte isst mein Kind?
Snack-Tipp für lange Autofahrten
Welche Snacks, welches Essen sollte z.B. für längere Autofahrten gepackt werden?
Damit dieses schnelle Hungergefühl oder der Drang nach Süßem nicht zu schnell einsetzt, sollte bereits im Vorfeld ein wenig geplant werden. Dabei können Eltern darauf achten, Speisen einzupacken, die lange Zuckerketten enthalten, die im Körper langsam ausgepackt werden. Gepuffter Mais, Reis- oder Maiswaffeln zählen nicht dazu, das wirkt wie reiner Zucker. Besser eignet sich ein belegtes Vollkornbrot oder -weckerl. Sehr gut wirkt auch Bio-Studentenfutter, dabei ist es wichtig, dass es eine Mischung aus Trockenfrüchten und Nüssen enthält. Diese Mischung ergänzt sich gut.
Ein wenig aufwändiger, aber gut vorzubereiten ist z.B. Porridge oder Müsli. Einfach am Vortag tiefgefrorene Bio-Früchte mit Haferflocken und Joghurt, Buttermilch oder was man gerne mag, in ein Glas geben und in einer Fahrpause löffeln. Tiefgefrorene Früchte haben den Vorteil, dass sie das Ganze sehr lange kühl halten. Im Auto taut es auf und das Müsli bleibt angenehm kühl.
Sie betonen Bio immer speziell. Ist der Unterschied zu herkömmlichem Obst so eklatant?
Leider enthält Obst und Gemüse mitunter eine starke Pestizidbelastung. Einige wenige Oberflächen-Pestizide lösen sich zwar beim Waschen ein bisschen, aber dafür müsste das Obst teils mehrere Stunden in Wasser eingeweicht werden, mit dem Effekt, dass sich auch andere, gesunde Inhaltsstoffe herauslösen können. Beim schnellen Abspülen wird maximal die oberflächliche Schicht ein wenig abgewaschen und selbst das gelingt nicht bei jedem Pestizid. Ein großer Teil der im Pflanzenbau verwendeten Pestizide wirkt systemisch, d. h. sitzt in jeder Zelle und kann damit nicht mehr abgewaschen werden. Bei Bio-Produkten liegt die Pestizidbelastung im Normalfall deutlich niedriger.
Kaffee und Fast Food
Warum sollen Kids keinen Kaffee oder kein Cola trinken?
Beide Getränke enthalten Koffein, eine Substanz, die u.a. den Schlaf von Kindern erheblich beeinflussen kann. Zudem fehlt den Kleinen auch das Enzym, um Koffein schnell genug abzubauen.
Zum Glück empfinden die meisten Kinder den Geschmack von Kaffee als unangenehm. Im Cola fällt dieser natürliche Schutz allerdings zumeist weg, denn dank reichlich Zucker und natürlicher Aromen überlisten wir das Gehirn. Dazu enthält Cola Phosphorsäure (E338), diese kann sich, in großen Mengen genossen, ungünstig auf die Knochen auswirken.
Darf ich meinen Kindern überhaupt Zuckerl und Burger geben?
Ein paar Zuckerl ab und zu, ein Stück Schokolade oder ein anderer süßer Snack sind überhaupt kein Problem. Die Dosis macht das Gift! Am besten nach dem Essen genießen, weil sonst der Zucker im Blut schnell in die Höhe schießt, mit der Folge eines ebenso schnellen Abfalls. Dieser kann zum einen dazu führen, dass die Kinder wieder rasch Süßes wollen, oder, wenn sie nichts bekommen, grantig, müde und hungrig werden. Wenn einmal etwas nicht so Gesundes, z. B. ein Fastfood-Burger, am Speiseplan steht, dann kann man diesen wunderbar mit etwas Gesundem als Zwischenmahlzeit oder Nachspeise, z. B. einem Apfel oder einer Karotte und als Getränk Wasser, pimpen.
Fazit: Fastfood stellt aufgrund seiner oft zahlreichen Zusatzstoffe und stark verarbeiteten Zutaten eine besondere Herausforderung für unseren Darm und den gesamten Organismus dar, insbesondere den kindlichen. Wenn diese Lebensmittel nur hin und wieder auf dem Speiseplan stehen, ist das in Ordnung, idealerweise wird es dann mit etwas Gesundem kombiniert, um einen gewissen Ausgleich zu schaffen.
Tipp für die Schuljause
Wir haben bereits über die gute Jause auf Reisen gesprochen. Wie sieht Ihr Tipp für eine gesunde (Schul-)Jause aus?
Die ideale Jause besteht aus vier Komponenten. Eine davon sollte dem Gehirn Energie liefern, sogenannte "Hirnnahrung". Am besten eignen sich Vollkornbrot, Müsli oder Porridge. Aber auch ein selbst gemachter Vollkornkuchen, Müsliriegel, Früchtebrot oder Studentenfutter mit einem hohen Trockenfrüchteanteil können Abwechslung bieten. Zur Stärkung der Knochen dient eine Kalziumquelle, z.B. Käse oder der Joghurt im Müsli.
Für Vitamine, Mineralstoffe und damit ein aktives Immunsystem sorgen Obst oder Gemüse. Bis auf die Banane, die leider bei uns relativ wenig Mikronährstoffe enthält, kann man alles wählen, was das Kind gerne isst. Last, but not least fehlt die Flüssigkeit. Hier eignen sich am besten Wasser, ungesüßter Tee, z.B. Früchtetee oder Holunderblütentee, aber auch Wasser mit Bio-Früchten oder z.B. einem Melissenzweig.
Was Sie nicht erwähnt haben, ist Wurst oder Schinken…
Die Wurst hat unter anderem den Nachteil, dass sie viel Salz enthält. Durch das Salz werden die Kinder wieder schnell durstig, das bedeutet, sie trinken viel und müssen häufiger auf die Toilette gehen. Zwar enthält auch Käse Salz, aber hier ist die Wirkung auf Blut und Verdauung anders. Wenn ich mir als Autofahrerin oder Autofahrer das Leben erleichtern möchte, dann würde ich vielleicht nicht gerade die Wurst reinpacken (lacht).
Grundsätzlich gilt: Wenn es um Wurst oder Schinken geht, ist echter Schinken oder auch kalter Braten eindeutig zu bevorzugen. Denn viele Wurstsorten enthalten nicht nur Konservierungsmittel, sondern auch diverse weitere Zusatzstoffe.
Tipps für Eltern
Gibt es eigentlich eine Richtlinie, wie viel Fleisch Kinder pro Woche essen sollten?
Zwei bis drei Portionen Fleisch pro Woche, inklusive Wurst und Würstchen, kann als Orientierung hilfreich sein, wobei Fleisch naturgemäß gesünder ist als Wurst. Eine Portion entspricht in etwa der Größe und Dicke des eigenen Handtellers. Also nicht die Handfläche, sondern nur der Handteller.
Seit Kurzem gelten in Österreich neue Empfehlungen, laut diesen sollen pro Woche nur noch eine Portion Fisch und eine Portion Fleisch oder Wurst sowie zusätzlich wahlweise eine Portion Fleisch oder Fisch gegessen werden. Wer wenig oder gar kein Fleisch konsumiert, dem empfehle ich, mindestens ein Mal jährlich das Blutbild kontrollieren zu lassen, insbesondere Vitamin B12 und Eisen.
Worauf sollten Eltern noch achten?
Darauf, dass die Kinder über den Tag verteilt Wasser trinken, denn Kinder vergessen oft darauf, vor allem wenn sie Spaß haben, spielen oder Sport machen. Dazu gibt es eine einfache Faustregel: Der Urin sollte tagsüber immer hell sein, so wie verdünnter Holunderblütensaft.
Ein abschließender Tipp für Eltern?
Kinder ahmen, wie bereits erwähnt, Erwachsene nach, sie spiegeln uns, so wie in der Tierwelt. Vereinfacht ausgedrückt: Der kleine Affe tut das, was der große Mama-Affe vormacht. Das Küken folgt dem Beispiel seiner Mutter. Dieses Prinzip gilt auch für Kinder, sie orientieren sich stark am Verhalten ihrer Eltern, besonders wenn es um Essgewohnheiten geht.
Zudem ist Vorsicht geboten bei Ernährungstipps und Trends, die in den sozialen Medien kursieren. Leider wird dort oft viel Unsinn verbreitet. Hier ist ein kritischer Blick gefragt, statt blind allem zu folgen, was gerade "in" ist.
Zur Person
Angelika Kirchmaier, geb. 1972 in Kufstein/Tirol.
Die Ernährungsexpertin und Buchautorin von 17 Büchern, darunter mehrere Bestseller, lebt in Tirol. Sie ist unter anderem Dozentin an der Medizinischen Universität Wien und der Donau Universität Krems.
Hochschulabschlüsse an österr. Universitäten
MSc. Klinische Ernährungsmedizin
MSc. Sport & Ernährung
Gesundheitswissenschaften
Akademieabschluss:
Diätologie
Weitere Infos unter: www.angelika-kirchmaier.at