David gegen Goliath
Dacia fordert mit dem Bigster die etablierte Konkurrenz heraus. Etwa den VW Tiguan.
Als die ursprünglich rumänische Automarke Dacia 2006 nach Österreich kam, konnten sich viele Konkurrenten ein Lächeln nicht verkneifen. "Anspruchslos, billig und praktisch" charakterisierte der auto touring 2007 den Dacia Logan MCV, der mit alter Renault-Technik ausgestattet war. Das ist längst Geschichte, die Tochter des französischen Herstellers kann sich mittlerweile am aktuellsten Technik-Portfolio bedienen, während günstig und praktisch weiterhin gilt. Nicht ohne Grund finden sich Modelle wie Sandero oder Duster beständig in den Top Ten der Neuzulassungen. Knapp 11.000 Fahrzeuge hat Dacia vergangenes Jahr in Österreich verkauft.
Mit dem Bigster betritt die Marke nun erneut Neuland. Dacia bietet erstmals ein Kompakt-SUV mit einer Außenlänge von 4,57 Metern (und damit 23 Zentimeter länger als der Duster) an. Und das – man kann es nicht anders sagen – zu einem wirklichen Kampfpreis. Knapp 24.000 Euro kostet das Einstiegsmodell, Allrad gibt es ab 28.590 Euro. Bei 30.590 Euro für das Topmodell hört die Preisliste schon wieder auf.
Aber reicht das, um gegen einen Platzhirsch wie den VW Tiguan zu bestehen? Der gehört seit Jahren zu den meistverkauften Kompakt-SUV in Österreich. Beim Platzangebot und den Abmessungen liegen Bigster und Tiguan beinahe gleichauf, der VW ist sogar einen Hauch kürzer.
Das Video zum Vergleichstest
Der Preisunterschied ist allerdings enorm. In guter Ausstattung (R-Line beim Tiguan, Journey beim Bigster) und Benzinmotorisierung mit etwa 150 PS und Automatik liegt der Dacia um 19.900 Euro unter dem VW. Was rechtfertigt diesen Preissprung? Oder umgekehrt gefragt: Welche großen Abstriche sind beim Bigster zu machen?
Dacia Bigster
Günstiges Kompaktklasse-SUV mit Ambitionen.
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Beliebig ist schon lange nicht mehr. Die Optik des Bigster ist markant, die Front ist eindeutig „Dacia neu“. Ausgestellte Radhäuser samt Kunststoffverplankungen aus Recycling-Material rundum sollen den Abenteuercharakter unterstreichen. Es gibt ausreichend Platz für die Insassen, lediglich die Innenbreite ist spürbar geringer als im Tiguan.
Im Cockpit dominiert kostengünstiger Hartkunststoff, der jedoch appetitlich angerichtet ist. Bei der Verarbeitung zeigen sich einige Patzer, etwa bei den Gummi-Einlagen in der Mittelkonsole oder im Kofferraumbereich. Die Bedienung: logisch und gut aufgeteilt zwischen dem Touchscreen und den darunterliegenden Tasten für die Klimatisierung.
Clever: Es lässt sich ein persönliches Fahrprofil erstellen, also die Assistenten nach Präferenzen ein- oder ausschalten. Bei jedem Start kann das Profil dann einfach per Knopfdruck aufgerufen werden. Das Fahrwerk federt etwas sanfter als beim Tiguan, grobe Unebenheiten werden gut gefiltert.
Die Motorisierung: Der 155 PS starke Vollhybrid sorgt für gute Fahrleistungen und ist erfreulich sparsam: 5,5 Liter/100 km auf der auto touring-Normrunde sind respektabel. Allerdings agiert der 1,8-Liter-Vierzylinder ziemlich brummig. Das fällt vor allem beim Zuschalten des Verbrenners im reinen E-Betrieb etwas unangenehm auf.
Positiv überraschen die Bremsen: standfest und mit 36,6 Metern Bremsweg aus Tempo 100 sogar noch um einen Meter kürzer als beim VW Tiguan.
Die Serienausstattung ist mit Zwei-Zonen-Klima, Keyless Go, Navi, Rückfahrkamera und elektrischer Heckklappe ausgesprochen gut. Kurios und ärgerlich: Die Anhängelast für einen ungebremsten Anhänger beträgt 745 Kilogramm. Damit darf also keiner der üblichen 750-kg-Anhänger gezogen werden.
Listenpreis Testwagen 29.990 Euro, Basis ab 23.990 Euro
Postitiv: Der Dacia Bigster bietet viel Gegenwert fürs Geld. Gutes Platzangebot, viele clevere Details. Gute Fahrleistungen, sehr gute Bremswerte und niedriger Verbrauch. Serienausstattung.
Negativ: Brummiger Verbrennungsmotor, laut bei Autobahntempo. Teilweise Verarbeitungsschwächen, im Innenraum überwiegt das Hartplastik. Anhängelast.
Dacia Bigster
VW Tiguan
Komfortabel & geräumig, aber kein Sparwunder.
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Das kompakte SUV ist ein Gewinnertyp. Seit seiner Markteinführung im Jahr 2007 ist der Tiguan ein absoluter Topseller. Auch die aktuell dritte Generation knüpft da nahtlos an, etwas beliebter war 2024 lediglich das Tesla Model Y. Optisch hat sich der Tiguan spürbar weiterentwickelt. Obwohl er mit einer Außenlänge von knapp über viereinhalb Metern nicht zu den großen SUV zählt, wirkt er – verstärkt auch durch die auffallende "R-Line"-Ausstattung – deutlich wuchtiger.
Eng zusammenrücken müssen die Insassen erfreulicherweise auch nie. Selbst im Fond wird’s niemals knapp, dank der um 19 Zentimeter verschiebbaren Rücksitze lässt sich – je nach Bedarf – der Fußraum oder das ohnehin üppige Kofferraumvolumen erweitern. Hervorragend beim "R-Line": die serienmäßigen Sportsitze (inklusive Massagefunktion), die nicht nur bequem, sondern auch langstreckenfreundlich sind.
Keine Schnitzer leistet sich das SUV bei der Bedienung. Alle essenziellen Funktionen lassen sich über das große und übersichtliche Zentraldisplay intuitiv steuern, diverse Assistenzsysteme können ruckzuck ein- oder ausgeschaltet werden. Der gut 1,6 Tonnen schwere Tiguan ist übrigens vollkommen ausreichend motorisiert. Der getestete, bei höheren Drehzahlen raue 1,5-l-Benziner mit 150 PS entfaltet seine Leistung gleichmäßig, spricht aber zögerlich auf Gasbefehle an und ist nicht sonderlich sparsam: 7,1 Liter Superbenzin/100 km auf der auto touring-Normrunde sind kein Ruhmesblatt. Dafür rollt der Wolfsburger trotz seines straffen Fahrwerks kommod ab. Die gut abgestimmten Sicherheitsassistenten machen ihn agil und erfreulich fahrsicher. Seine unzähligen Mitbewerber (u.a. Ford Kuga, Toyota RAV4, Hyundai Tucson oder auch BMW X1) sind preislich auf Augenhöhe, der Dacia Bigster ist allerdings wesentlich günstiger.
Listenpreis Testwagen 49.890 Euro, Basis ab 34.990 Euro
Positiv: Bequeme Sitze, direkte Lenkung, fehlerfreie Verarbeitung, hochwertige Materialien, üppiges Platzangebot, durchdachte Bedienung, gut nutzbare Ablagen, solide Serienausstattung.
Negativ: Nur zwei Jahre Garantie, mäßig spontan ansprechender und unter Last brummiger Vierzylinder-Benziner, nicht sonderlich sparsam im Verbrauch.
VW Tiguan
Unser Fazit
In vielen Bereichen ist der preisliche Unterschied zwischen Bigster und Tiguan deutlich zu spüren. So sind die Materialien im Innenraum des VW deutlich hochwertiger, auch die Verarbeitungsqualität hat ein höheres Niveau. Beim Fahren liegen die Kontrahenten nahe beieinander, beim Bremsen ist der Dacia sogar knapp voran. Die Abstimmung von Motor und Getriebe des Tiguan lässt die Intention eines geringen Verbrauchs spüren, ohne jedoch dieses Ziel zu erreichen. Der Bigster ist deutlich sparsamer. Mit seinem viel günstigeren Preis und einer guten Serienausstattung rückt der Dacia Bigster in der Gesamtwertung dem VW Tiguan dann noch gefährlich nahe.