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© Yannick Chaumont
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April 2024

Wir bekennen uns klar zur einer CO2-Bepreisung

8 Mobilitäts-Fragen im Vorfeld der EU-Wahl 2024 an Helmut Brandstätter, den Spitzenkandidaten von NEOS. 
 

Helmut Brandstätter gibt im Interview Einblicke in seine Visionen für die Mobilitätspolitik der Zukunft. Egal, ob es um das Recht auf Datenzugang, die Gestaltung der Elektromobilität oder um die umweltorientierte Ausrichtung der europäischen Verkehrspolitik geht: Brandstätters Antworten spiegeln sein Bestreben wider, wirtschaftliche Dynamik mit Nachhaltigkeit zu vereinen und dabei individuelle Freiheiten sowie soziale Aspekte zu wahren.

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Derzeit schaffen sich die Autohersteller auf Kosten von Konsumenten, freien Werkstätten und Mobilitätsclubs ein Monopol bezüglich Daten aus dem Auto. Trotz mehrfacher Aufforderungen durch das EU-Parlament hat die EU-Kommission im Dezember 2023 eine „sektorspezifische Regulierung“, die auch für Dritte einen fairen Zugang zu diesen Daten gewährleisten sollte, gestoppt. Gleichzeitig verweigern die Autohersteller die Umsetzung eines EuGH-Urteils vom 5. Oktober 2023, das den freien Zugang zu Pannenhilfe-Daten festlegt. Vielmehr lobbyieren sie bei der EU-Kommission, ihre illegalen Zugangsbeschränkungen, die für Konsumenten höhere Kosten und oftmals zusätzliche Auto-Schleppungen bedeuten, zu erlauben. Was werden Sie tun, um den freien Zugang zu Pannenhilfe-Daten zu gewährleisten?

Helmut Brandstätter: NEOS haben den EU Data Act unterstützt. Gerade angesichts der großen Datensammlungen, die auch im Mobilitätsbereich anfallen, werden wir uns weiterhin für einen fairen Zugang zu diesen Daten im Sinne des Wettbewerbs bei gleichzeitiger Wahrung datenschutzrechtlicher Vorgaben einsetzen. Insbesondere neue Datenverarbeitungsmodelle zeigen deutlich auf, dass es Maßnahmen braucht, um die Bildung wettbewerbsschädlicher Datenmonopole zu bekämpfen.

Im Frühjahr 2023 hat das EU-Parlament ein Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen. Ihre Fraktion hat für das Verbrennerverbot gestimmt. Wie bewerten Sie das geplante Verbot aus heutiger Sicht?

Für die Erreichung von langfristigen Klimazielen ist die Dekarbonisierung des Individualverkehrs ein wichtiger Baustein, weswegen wir die europäische Regelung, ab 2035 nur mehr emissionsfreie Pkw neu zuzulassen, unterstützt haben. Damit wurde Planungssicherheit für die Industrie geschaffen, die wir durch eine neue Debatte über das Zieljahr und eine Aufweichung der Bestimmungen nicht wieder infrage stellen möchten. Wir finden es immer gut, wenn politische Entscheidungen evidenzbasiert evaluiert werden.

Die EU-Regulierung setzt hinsichtlich individueller Mobilität praktisch ausschließlich auf E-Mobilität. Stand heute ist es jedoch unrealistisch, das Klimaziel 2030 im Verkehr alleine mit E-Autos zu erreichen. Ist die Fokussierung auf E-Mobilität Ihrer Meinung nach der richtige Weg? Oder sollen weitere Technologien wie E-Fuels zugelassen und gefördert werden?

Es ist völlig klar, dass neue Fahrzeuge ab 2035 emissionsfrei sein sollen, wenn wir die gesteckten Klimaziele wirklich erreichen wollen. NEOS bekennen sich klar zu einer CO2-Bepreisung als zentrales Steuerungselement in der Klimapolitik. Kostenwahrheit hat dabei immer hohe Priorität. Diese ist per se technologieunabhängig und zielt darauf ab, dass alle marktfähigen Technologien ihren Beitrag zur Emissionsreduktion leisten.

Es wird die zentrale Aufgabe der nächsten Legislaturperiode sein, mit einer Vertiefung des Energiebinnenmarkts für mehr Angebot, bessere EU-weite Infrastruktur und niedrigere Preise zu sorgen. Einzelne Verbraucher zu bevorzugen ist dabei nicht zielführend.

Neben der Forcierung von Elektromobilität versucht die EU den CO2-Ausstoß des Verkehrsbereiches mit höheren Kosten (etwa durch Etablierung einer eigenen CO2- Bepreisung für Verkehr und Gebäude, ETSII) zu reduzieren. Ist es aus Ihrer Sicht sozial vertretbar, insbesondere jene Autofahrer, die sich einen Umstieg auf Elektromobilität nicht unmittelbar leisten können, mit immer höheren Kosten zu belegen?

NEOS haben schon 2018 eine sehr konkrete ökologische Steuerreform vorgeschlagen, die den Verbrauch höher und Einkommen niedriger besteuert hätte. Die nächste Regierung muss jedenfalls eine Steuerentlastung für die arbeitenden Menschen als Priorität haben.

Es ist völlig klar, dass neue Fahrzeuge ab 2035 emissionsfrei sein sollen.

Helmut Brandstätter, NEOS

Ist es zielführend und fair, dass in Zukunft Industrie und private Haushalte über zwei verschieden Handelssysteme unterschiedliche Preise für die Tonne CO2 bezahlen?

Langfristig sollte jede Tonne CO2 in der EU gleich „teuer“ sein, egal ob durch ein Kfz oder die Industrie erzeugt, oder in Polen oder Österreich erzeugt. Davon sind wir aber noch weit entfernt.

Die EU arbeitet gerade an einer Reform der EU-Führerschein-Richtlinie. Einer der meistdiskutierten Punkte ist dabei die mögliche Einführung regelmäßiger, verpflichtender medizinischer Überprüfungen für ältere Führerscheinbesitzer.
Sind Sie für oder gegen die Einführung solcher Überprüfungen und wie stehen Sie zu freiwilligen Fahrtüchtigkeits-Checks?


Wir halten verpflichtende medizinische Überprüfungen für ältere Menschen nicht für zielführend. Studien legen nahe, dass rein altersbasierte Untersuchungen die Zahl schwerer Verkehrsunfälle nicht signifikant reduzieren und mit einem hohen Aufwand verbunden sind. Stattdessen befürworten wir individuelle Maßnahmen, die auf die persönliche Fahrkompetenz abzielen und unterstützen Angebote wie Feedback-Fahrten, die durch eine individuelle Rückmeldung zur Selbstreflexion beitragen können.

Die EU versucht in der letzten Zeit verstärkt mit Guidelines oder Best-Practice- Beispielen auf Fragen der lokalen Verkehrspolitik Einfluss zu nehmen, obwohl ihr der Vertrag von Lissabon dafür keine Kompetenzen gibt. Wie sehen Sie die Rolle der EU punkto lokaler Verkehrspolitik? Soll sie sich einmischen oder diese Kompetenz gemäß dem Subsidiaritätsprinzip lokalen Verwaltungskörpern überlassen?

Die EU soll die großen gemeinsamen Herausforderungen der Union lösen und sich nicht im Kleinen verzetteln. Daher finden wir es wichtiger, die Bepreisung von CO2 voranzubringen, den EU-Energiebinnenmarkt in den nächsten Jahren zur Realität zu machen und gemeinsam und länderübergreifend die Verkehrsnetze zu stärken.

Die EU hat mit der Ambient Air Quality Directive beschlossen, die Emissionswerte für Feinstaub, NOx und Ammoniak etc. noch einmal drastisch herabzusetzen. Es ist absehbar, dass das in Österreich zu Maßnahmen zwecks „Luftsanierung“ führen wird. Sind Sie dafür, dass künftige Maßnahmen zwecks Luftreinhaltung primär die Hauptverursacher dieser Verunreinigungen treffen oder treten Sie dafür ein, jene Bereiche, die man am leichtesten belasten kann, wie z.B. den Straßenverkehr mit Tempolimits, mit strengeren Auflagen zu belasten?

Auch hier gilt: Wer für die Verschmutzung verantwortlich ist, soll für deren Beseitigung oder Verringerung in die Pflicht genommen werden bzw. dazu beitragen, dass die Luftqualität wieder verbessert wird. Abseits von lokalen treffsicheren Tempolimits ist eine Debatte um ein generelles Tempo 100 eine Stellvertreterdiskussion für wichtigere Maßnahmen wie z.B. eine konsequente CO2-Bepreisung im Rahmen einer aufkommensneutralen ökologischen Steuerreform.

Die zentralen Standpunkte im Überblick

Helmut Brandstätter, Spitzenkandidat der NEOS für die EU-Wahl 2024, setzt sich für einen fairen Zugang zu Daten im Automobilsektor und den Kampf gegen Datenmonopole ein. Er unterstützt das Neuzulassungsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2035 als Teil der Dekarbonisierung des Verkehrs und lehnt eine Aufweichung dieser Bestimmung ab. Brandstätter bevorzugt eine CO2-Bepreisung als technologieaufgeschlossenes, marktorientiertes Instrument zur Emissionsreduktion. Er fordert eine Steuerentlastung für die arbeitenden Menschen und eine EU-weite einheitliche CO2-Bepreisung. Verpflichtende medizinische Überprüfungen für ältere Führerscheinbesitzer lehnt er ab, befürwortet aber freiwillige Maßnahmen. Brandstätter betont, dass die EU sich auf gemeinsame Herausforderungen konzentrieren und nicht in lokale Verkehrspolitik eingreifen sollte.

ÖAMTC-Pannenhilfe im Sommer Gurtner

ÖAMTC Unterschriftenaktion

Um für den Pannenfall einen freien Datenzugang zu sichern, organisiert der ÖAMTC eine Unterschriftenaktion. Nehmen auch Sie teil.

Zur Unterschriftenaktion

Interview zur EU-Wahl mit Andreas Schieder, SPÖ.

Interview zur EU-Wahl mit Lena Schilling, Die Grünen.

Interview zur EU-Wahl mit Harald Vilimsky, FPÖ.

Interview zur EU-Wahl mit Reinhold Lopatka, ÖVP.

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